Praxiseinrichtung 20.02.2015

„Der Trend geht Richtung legerer Gemütlichkeit“

„Der Trend geht Richtung legerer Gemütlichkeit“

Foto: © archideaphoto – Shutterstock.com

Im Interview mit Diplom-Designer (FH) Alexander Jahn sprechen wir über Farben, Trends und No-Gos in der Praxisgestaltung. Zudem verrät uns der Buchautor und Inhaber von farbmodul, wie man durch kleine Veränderungen Großes erreichen kann und welche seine persönlichen Farbhighlights sind.

Herr Jahn, Ihre Lieblingsfarbe ist sicherlich bunt?

Da ist etwas Wahres dran. Sagen wir es so: Ich würde mir schon von Berufswegen einiges versagen, wenn mir die bunte Vielfalt der Farben nicht schmeicheln würde. Wir Menschen können so viele Farben differenzieren – sich da auf eine Farbe zu fixieren, wäre ziemlich einfältig.

Sie arbeiten auch viel mit Farbharmonien, die in der Natur ihren Ursprung finden. Ist die Zahnarztpraxis in Bananengelb und Pflaumenblau gerade Trend?

Natürliche Farbtöne sind generell sehr aktuell. Die Leute sehnen sich nach einem Anker, nach einer Konstante im hektischen Alltag. Farbe kann da ein guter Bezugspunkt sein. Die Farben, die ich aus der Natur verwende, sind meist sehr beruhigend und in ihrer Wirkung nicht allzu prägnant. Etwa getrübte Leinen-, Bast- oder Sorbettöne. Oder steinige Farben, wie Kiesel oder Kalk. Sehr im Trend liegen momentan knallige Farben – die hätte vor drei Jahren noch niemand in die Hand genommen. Solche Farben sind allerdings aufgrund ihrer Buntheit nur akzentuell einsetzbar. Dazu gehört auch das Bananengelb und das Pflaumenblau. Damit einen ganzen Raum zu streichen, halte ich für zu viel des Guten.

Wie entstehen solche Farbtrends?

Trends entstehen immer aus Überdrusshaltungen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir eines Trends überdrüssig sind. Dann muss etwas Neues her. Meist geschieht das nach zwei bis drei Jahren. Die aktuelle Buntheit resultiert aus dem monotonen Grau des Lebensalltags und ist eigentlich nur der Wunsch, etwas Lebensfreude zu verbildlichen.

Und wie sieht es um die Langlebigkeit solcher Trends aus?

Es gibt Farbnuancen, insbesondere in der Natur, die sind einfach zeitlos und daran hat man auch nach Jahren noch Freude. Ich kombiniere deshalb sehr gern klassisch beruhigende Farben mit kräftigen Akzenten. Mit diesen Akzentfarben lassen sich dann auch Trends aufgreifen und vielleicht später noch einmal an den aktuellen Zeitgeist anpassen.

Welchen Einfluss hat Licht bei der Praxisgestaltung und wie kann man es im Raum am besten nutzen?

Zunächst einmal gibt es ohne Licht keine Farbe. Licht muss also ausreichend vorhanden sein, am besten Tageslicht. Damit sehen die Farben am natürlichsten aus. Je nach Nutzung des Raumes sind dann auch unterschiedliche Lichtsituationen nötig. Soll zum Beispiel das Wartezimmer gemütlich sein, ist gedämpftes Licht besser als grelles. Mit punktueller Beleuchtung kann man dann auch noch den Blick der Patienten steuern.

Braucht der Praxisinhaber immer eine festgelegte Corporate Identity, wenn eine Neu- oder Umgestaltung der Praxis geplant ist?

Das ist natürlich bemerkenswert, wenn sich der Behandler mit seiner Corporate Identity beschäftigt und man diese in der Innenraumgestaltung aufgreifen kann. In meinen Vorgesprächen mit den Ärzten kristallisieren sich sehr schnell Alleinstellungsmerkmale oder Präferenzen heraus, die die Ärzte sehr genau kennen, aber nicht wissen, wie man sie verbildlicht. Wichtig ist es, niemandem ein Raumkonzept überzustülpen, sondern zu schauen, welche Farben, Formen und Materialien am besten einen Arzt und sein Praxiskonzept repräsentieren. Eine Neu- oder Umgestaltung der Praxis ist da ein guter Zeitpunkt, um dann auch über die Neugestaltung von Kommunikationsmitteln nachzudenken. Etwa eine Broschüre, Visitenkarten oder eine neue Webseite. Das ist wesentlich, um die Praxis noch besser am Markt zu positionieren. Kommt beides aus einer Hand – umso besser. Dann bestehen Praxis und Kommunikationsmittel aus einem Guss.

Kann ich auch durch kleine Gestaltungskniffe etwas in den Praxisräumen erreichen?

Selbstverständlich ist das möglich. Manchmal ist es schon ausreichend, Möbelstücke umzustellen oder einzelne Bereiche zu modernisieren. Ich plädiere sowieso sehr dafür, dass man alte und neue Gegenstände und Möbelstücke miteinander kombiniert. Nichts ist schlimmer als eine geschichtslose und aalglatte Praxis.

Wie kann so etwas konkret aussehen?

Patina lautet das Stichwort. Denken Sie an die Oberfläche eines alten Ledersessels. So ein Sessel hat einhundert Mal mehr Charakter als ein neuer Sessel. Das ist eine Reminiszenz an vergangene Tage und authentisch. Es zeigt, dass auch das Vergängliche schön sein kann. Gleiches gilt für Farben: Hightechfarben wie Silber oder Anthrazit kann doch kein Mensch mehr sehen.

Was raten Sie Praxen, die eine komplette Neu- oder Umgestaltung anstreben, und mit welchem zeitlichen und vielleicht auch emotionalen Aufwand muss man dabei rechnen?

Ich rate zunächst einmal dazu, die Wirkung einer farblichen Praxisgestaltung nicht zu unterschätzen. Die Farbe ist das erste sichtbare Signal, was wir empfangen. Eine gut gestaltete Praxis ist ein Erfolgsfaktor, Alleinstellungsmerkmal und Aushängeschild. Natürlich richtet sich der zeitliche Aufwand nach dem Umfang der Gestaltungsarbeiten. Tapeten, Wandfarben, Bodenbelag, Sitzmobiliar und Licht – all das kann mit einbezogen werden. Nötige technische Planungen, zum Beispiel das Anfertigen von individuellen Möbelstücken oder neue Behandlungseinheiten und Laboreinrichtungen mit technischen Geräten, setzt die Zusammenarbeit mit weiteren Experten voraus. Da arbeiten dann Menschen vom Dentaldepot, Möbelbauer, Statiker und später ausführende Gewerke zusammen. Ein solcher Aufwand ist natürlich erst einmal ein ganzes Stück wochenlanger Planungsarbeit. Das lohnt sich aber in der Summe.

Und mit welchen finanziellen Aufwendungen muss man rechnen?

Das lässt sich pauschal nicht beziffern. Es richtet sich nach Praxisgröße, Entwurfsanzahl und nach den Korrekturphasen, in denen der Arzt direkt in die weitere Planung eingreifen kann. Wenn ich von meiner Dienstleistung spreche, ist diese natürlich nicht umsonst, treibt den Arzt aber auch nicht gleich in den Ruin. Übrigens: Dass sich eine Neugestaltung einer Praxis lohnt, zeigt das Feedback einer Zahnärztin. Deren Wartebereich habe ich besonders gemütlich gestaltet. Sie bekam schon Beschwerden, dass die Wartezeiten zu kurz seien.

Die Patienten wollten unbedingt die angenehme Atmosphäre auskosten. So etwas ist natürlich die beste Bestätigung. Das zeigt auch, dass die Menschen satt davon sind, Arztpraxen zu betreten, die wie Arztpraxen aussehen. Hier geht der Trend eindeutig in Richtung legerer Gemütlichkeit.

Geben Sie uns doch einen kleinen Einblick in Ihren Arbeitsalltag – welche Gestaltungs-„No-Gos“ begegnen Ihnen immer wieder?

Das kann ich Ihnen sagen: Es ist der kleinteilige Dekorationszwang (lacht). Hier ein Blümchen, dort ein Bild, da eine Vase. Das beobachte ich besonders oft in kleinen Räumen. Da wird jeder Winkel ausgenutzt und mit Dekorationsgegenständen überfrachtet. Dabei ist es so einfach: zum Beispiel ein großes prägnantes Bild für die Wand – vom Boden bis zur Decke und eine überdimensionale Vase mit schönen Blumen. Das wirkt. Und ganz besonders in kleinen Räumen. Denn je kleiner der Raum, desto größer sollten die Dekorationsgegenstände sein. Das gilt übrigens auch für Kommunikationsmittel wie Imagebroschüren oder Flyer. Oft wird auch dort versucht, alle Leistungen und Kompetenzen en masse und im Detail aufzuführen. Natürlich: Quantität ist auch eine Qualität. Doch der Spruch „Weniger ist mehr“ hat noch immer seine Gültigkeit.

... und was sind Ihre persönlichen (farblichen) Gestaltungshighlights zurzeit?

Besondere Freude bereitet mir momentan die Farbe Türkis. Vielleicht liegt das am täglichen Grau der deutschen Wintermonate und der Sehnsucht nach Helligkeit. Aber ich mag auch den offenen Glanz von Türkis und die Assoziation mit Weite und karibischem Flair. Es gibt Tapeten mit Barock- oder Naturmustern, die Türkis in Kombination mit Dunkelgrau oder pastelligen Weißtönen aufgreifen. Das ist wunderbar. In solchen Mustern kann man sich verlieren. Solche Tapeten sind ein Highlight in jedem Raum. Wenn man weiß, wo sie platziert werden müssen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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