Praxiseinrichtung 10.10.2014
Emotionen auslösen mit räumlicher Gestaltung
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Räumliche Gestaltung hat großen Einfluss auf das Wohlbefindender Patienten, aber auch auf das Praxisteam. Dipl.-Ingenieurin Barbara Eitner gibt einen Einblick über das Zusammenspiel von Farbe – Einrichtung – Raumgestaltung und Emotionen.
Emotionen auslösen – Aber was bedeutet das für unser Thema? Was bedeutet das für Material, Farbe und Oberfläche in der konzeptionellen Innenarchitektur? Wir Innenarchitekten spielen mit den Emotionen unserer Kunden bzw. der Patienten unserer Kunden. Wollen wir, dass sich der Patient in der Zahnarztpraxis kompetent und technisch auf dem neuesten Stand betreut fühlt, so gestalten wir das Umfeld entsprechend. Wollen wir, dass der Patient dem Arzt nicht auf dem Flur begegnet, wo er ihm kostbare Zeit raubt, planen wir einen zweiten Flur oder Schlupftüren zwischen den Behandlungsräumen. Sollen sich der hereinkommende Patient und die Helferin am Empfang auf Augenhöhe begegnen, schaffen wir einen Steharbeitsplatz oder eine höhenverstellbare Theke. Wir können erfreuen, verwundern, beruhigen, berühren, belustigen, Respekt einflößen, erstaunen, überraschen und vieles mehr.
Wie machen wir das?
Wir
entwickeln nicht allgemeingültige, sondern auf den Kunden
zugeschnittene Konzepte – Geschichten in 3-D –, die in allen uns zur
Verfügung stehenden Disziplinen der Gestaltung transportiert werden und
die alle Bereiche der Sinneswahrnehmung ansprechen: Dabei bedienen wir
uns zum Beispiel der Signaletik (von französisch signalétique, dt.
kennzeichnend). Die Signaletik dient der räumlichen Orientierung von
Menschen in einem Gebäude. Ein Signaletik-Konzept bewegt sich zwischen
Architektur, Design, Farbenlehre, Psychologie, Sinneswahrnehmung und
kultureller Prägung. Die komplette räumliche Gestaltung wird
ganzheitlich angegangen. Raumstruktur, Wandfarben, Beschriftung der
Türen und Glasflächen und Wände sowie konzeptionelle Wandgestaltung mit
Grafiken oder Fotodrucken bauen aufeinander auf und ergeben ein
Gesamtkonzept. Im Optimalfall bewegt sich der Patient in der Praxis dann
sicherer und gut gelaunt von A nach B, weil er geleitet wird und dabei
noch die schöne Gestaltung wahrnimmt.
Neben der Signaletik gibt es noch den neueren Begriff „Signterior“. Er bedeutet die Verschmelzung von Innenarchitektur und Grafikdesign/Typografie. Neben den klassischen Gestaltungsmitteln setzt hier der Innenarchitekt gezielt Grafikkonzepte oder Fotokunst ein, die jedoch nicht als gerahmte Bilder an die Wand gehängt werden, sondern durch die Hilfsmittel der verschiedenen Printmöglichkeiten mit der Architektur verschmelzen. Emotionen entstehen also durch die Wahrnehmung. Nehmen denn alle Menschen gleich wahr? Prof. Dr. Wolf Singer, Hirnforscher, meint: „Unser Gehirn bestimmt, wie uns die Welt erscheint.“ Eine Information überschreitet die neurologische Schwelle, wir werden aufmerksam. Da wir nicht wahrnehmen können, ohne zu bewerten oder Gefühle zu entwickeln, erfolgt im nächsten Schritt eine subjektive Bewertung. Die Filterung auf dieser Ebene ist ein psychologischer Prozess, der u. a. von unserer Persönlichkeit, unseren Prägungen, Erfahrungen, Werten und Glaubenssystemen, aber auch unserer Tagesform abhängig ist.
Durch Subjektivität jeder Wahrnehmung entsteht unser Bild von der Wirklichkeit. Wolf Singer meint, dass unsere Wahrnehmungssysteme in hohem Maße interpretativ seien. Und im Alter verändert sich unsere Wahrnehmung: Altersbedingte Linsentrübungen verursachen eine Blau-Gelb-Störung, die bei nahezu jeder Person, die älter als 60 Jahre alt ist, nachweisbar ist. Die Trübung der Augenlinse mit der daraus resultierenden erhöhten Absorption blauen Lichtes verändert auch die Wahrnehmung von Weiß. Weiß erscheint dann gelblich. Ein grauer Rindenstar stört wiederum das Farbunterscheidungsvermögen durch den erhöhten Streulichtanteil, der zur Netzhaut gelangt. Dies führt zu einer Entsättigung der Farben. Dabei ist die Störung des Farbsehens nur eine von vielen altersbedingten Störungen.
Außerdem gibt es natürlich nicht nur altersbedingte
Einschränkungen, sondern auch Behinderungen und Krankheiten, die
Einschränkungen mit sich bringen. Barrierefreies Planen oder Planen für
Demenzkranke sind hier Stichworte, die zum Tragen kommen. Welche
Schlüsse lassen sich daraus für die Gestaltung ziehen? Wenn wir wissen,
wen wir vor uns haben, wie seine Bedürfnisse sind und wie er wahrnimmt,
schaffen wir es besser, Räume zu gestalten, die den Menschen
erreichen,
die bestimmte Emotionen wecken oder auch verhindern, zum Beispiel bei
Angstpatienten. Ein besonders wichtiger Punkt bei der Konzeptentwicklung
und -umsetzung ist die Wahl des Materials, der Oberfläche und der
Struktur.
Paul Watzlawick, österreichischer Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Soziologe, Philosoph und Autor sagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das gilt natürlich auch für Materialien! Sie sagen etwas aus – selbst wenn es Imitate sind. Im Beispiel wurde ein PVC-Boden in Holzoptik eingesetzt, wie es häufig gemacht wird. Dies ist immer strittig bei Gestaltern. Die einen finden es unehrlich, die anderen wollen die freundliche Atmosphäre, die nur ein Holzboden erzeugt, und das bei hygienischen Bedingungen, desinfektionsmittelresistent, mit geringer Aufbauhöhe, da es sich um eine Renovierung und keinen Neubau handelt. Im gleichen Beispiel wurde im Wartezimmer und am Empfang als Akzentwand ein Natursteinriemchen eingesetzt, kombiniert mit einem Farbakzent. Die Patienten sollen sich zu Hause fühlen. Naturstein wirkt hier solide, vertrauenserweckend (Abb. 2–3).
Eine andere Möglichkeit ist, im Wartezimmer einer Praxis über QR-Codes an den Wänden virtuelle Zeitschriften zur Verfügung zu stellen, die sich die Patienten aufs Smartphone oder aufs iPad herunterladen können (Abb. 6). Technologie macht vieles möglich. In einem unserer Konzepte läuft der Patient beim Eintreten in die Praxis direkt auf eine Wand zu, dies ließ sich architektonisch nicht anders lösen, weil es eine Praxis mit bereits bestehender Raumstruktur war. Nun nutzten wir die Wand einfach zur Kommunikation und der Patient wird dort mit den Worten „Schön, wenn Sie lächeln“ empfangen. Seit neun Jahren funktioniert das sehr gut. Es gibt also diverse Möglichkeiten, durch räumliche Gestaltung beim Patienten ein bestimmtes Bild von der Praxis, vom Zahnarzt oder der Zahnärztin, der Medizin, die dort praktiziert wird, zu erzeugen und Emotionen zu wecken. Den Rest müssen Sie selbst liefern!