Praxismanagement 25.10.2022
„Wir teilen alle Aufgaben –in der Praxis und als Familie“
Wie groß ist der Aufwand junger Menschen, Familie, Kind und Beruf zu vereinbaren? Antworten hierauf geben Charlotte und Felix Rehberg aus Krefeld. Die Zahnärzte gründeten 2017 ihre eigene Praxis, kurz darauf kam ihr Sohn auf die Welt. Fortan wurde die Praxis zum zweiten Zuhause des jungen Trios. Und was hielten Praxisteam und Patienten von der familiären Nahbarkeit? Ihnen gefiel es! Ein Gespräch über Gleichberechtigung, Kleinstadt und Zweifel der anderen.
Frau Dr. Rehberg, Herr Dr. Rehberg – wie haben Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf anfänglich gelebt?
Charlotte Rehberg: Im zweiten Jahr unserer Selbstständigkeit in Krefeld-Hüls kam unser Sohn zur Welt - an einem Montagmorgen. Freitags hatte ich noch regulär meine Patienten behandelt. Ich habe noch so lange gearbeitet, weil mir eben auch die Praxis und unsere Patienten wichtig sind. Nach der Geburt bin ich nach nur ca. vier Wochen wieder in die Praxis zurückgekehrt. Natürlich kürzer als vorher, aber doch für ein paar Stunden, um meine Patienten weiter zu behandeln. Ich habe damals meinen Sohn mit in die Praxis genommen. Entweder schlief der Kleine oder einer von uns aus dem Team hat sich um ihn gekümmert. Da wir außer meiner 94-jährigen Oma keine Familie hier in Krefeld haben, wuchs unser Sohn so anfangs und bis wir eine geeignete Tagesmutter fanden, in der Praxis auf.
Wie haben Patienten und Praxisteam auf diese familiäre Situation reagiert?
Felix Rehberg: Beide Seiten waren erstaunlich aufgeschlossen. Nicht selten haben wir einfache Kontrollen mit unserem Kind auf dem Arm durchgeführt. Oder die Behandlung des jeweils anderen übernommen, weil der eine sich ums Kind kümmern musste. Wir hatten beidedas Gefühl, dass die Patienten jedes Mal mit Freude undverständnisvollem Respekt reagiert haben, wenn wir um Nachsicht aufgrund unseres Kindes baten. Ehrlich gesagt war das Ganze für uns alternativlos. Daher hatten wir Glück, dass unser berufliches Umfeld unsere Situation als junge Familie so akzeptiert hat.
Gab es auch Abstriche in dieser Anfangszeit?
Charlotte Rehberg: Eine gewisse Flexibilität und Spontanität erfordert die Situation natürlich immer. Es lässt sich nicht alles in der Praxis perfekt timen. Krankheiten des Personals oder der Tagesmutter oder unseres Sohnes haben einige Male etwas mehr Stress als üblich befördert. Mit der Zeit wächst aber die Gewissheit, dass am Ende immer alles klappt und die Patienten gut versorgt sind.
Als Zahnärzte, Ehepartner und Eltern: Was macht für Sie eine moderne Aufgabenteilung aus?
Charlotte Rehberg: Es war für uns von Anfang an selbstverständlich, dass wir alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Praxis gleichberechtigt teilen. Jeder hat zwar seine Spezialisierungen in bestimmten Fachgebieten der Zahnheilkunde, aber die Behandlungszeit, die Praxisorganisation und das Personalmanagement teilen wir uns mit ähnlichem Aufwand. Und auch mit Kind haben wir es beibehalten, alle Aufgaben unseres beruflichen wie privaten Lebens gemeinsam zu schultern. Wir haben feste Tage, an denen abwechselnd der eine unseren Sohn zur Kita bringt und der andere früher in der Praxis beginnt. So handhaben wir es auch mit den Nachmittagen, an denen entweder einer oder beide von uns frei haben und damit Zeit für unser Kind und die Familie bleibt. Wir begreifen es als ein großes Privileg der Selbstständigkeit, unsere Arbeitszeiten an die Betreuungssituation unseres Kindes und vor allem auch an unsere eigenen Vorstellungen von Familie und Arbeitszeit anpassen zu können. Besonders heute, wo unsere Praxis im fünften Jahr doch recht etabliert ist und viele Praxisabläufe eingespielt sind, ist es uns möglich, unsere Vorstellung eines selbstbestimmten Alltags mit ausreichend wertvoller Familienzeit zu verwirklichen.
Was hat Sie in Krefeld gründenlassen?
Felix Rehberg: Wir haben beide keine Eltern, die Zahnmediziner sind, sodass wir unsere Selbstständigkeit wirklich von null an aufbauen mussten. Wir waren beide 28 Jahre alt und entschlossen uns, von Köln nach Hüls, einem kleinstädtisch-idyllischen Randbezirk von Krefeld, zu ziehen und hier zu gründen. Wir wollten kein allzu großes finanzielles Risiko eingehen und uns als Menschen mit unserer Arbeit im Ort identifizieren können. Die Konkurrenz der Großstadt hätte uns sicher im Nachhinein mehr Investment finanzieller und zeitlicher Art gekostet. Die Familiengründung war aus heutiger Sicht im Zusammenhang mit der Art der Praxisgründung ein Glücksfall für uns.
Frau Dr. Rehberg, wie empfinden Sie das Frausein in der Zahnmedizin? Als Hindernis, Benefit oder ohne größere Bedeutung?
Charlotte Rehberg: Als Frau habe ich weder während meiner Angestelltentätigkeit in der Uniklinik noch später in unserer Praxis den Eindruck gehabt, dass ich in meiner beruflichen Karriere und in Bezug auf meine Tätigkeitsschwerpunkten der Implantologie und Parodontologie Nachteile gegenüber meinen männlichen Kollegen hatte. Das heißt nicht, dass man nicht als junge Mutter auch gefragt wird, ob man nicht lieber zu Hause bei seinem Kind sein möchte und es nicht besser wäre, das Kind nicht schon „so früh“ fremd betreuen zu lassen. Dabei kamen solche Fragen und Hinweise nur von anderen Frauen und nicht von Männern. Mir scheint grundsätzlich, dass arbeitende Frauen bzw. junge Mütter gern gesehen und auch wohlwollend aufgenommen werden. Gleichzeitig sehe ich es alsVorteil an, dass ich nicht alleine eine Praxis führen muss. Bei Krankheit springen mein Mann und ich füreinander ein und auch die Synergien ermöglichen es mir, mich fachlich zu spezialisieren und entsprechend anspruchsvolle Patientenfälle häufiger zu betreuen.
Dieser Beitrag ist in der dentalfresh erschienen.