Psychologie 13.09.2012
Liebe es, ändere es oder verlasse es
share
Fragen und Antworten
An dieser Stelle können unsere Leser der langjährigen ZWP-Autorin Dr. Lea Höfel Fragen im Bereich Psychologie stellen – in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst. Die Fragen und Antworten finden Sie hier redaktionell aufbereitet wieder. In dieser Ausgabe der ZWP geht es um die Frage, welche Entscheidung ansteht, sobald der Chef psychisch auffälliges Verhalten an den Tag legt. Psychologin Dr. Lea Höfel antwortet.
Anfrage eines Teammitglieds (ZMF): In unserer Zahnarztpraxis ist das Arbeitsklima sehr schlecht. Unser Chef schreit das Team an und immer öfter bekommen die Patienten seine Wutausbrüche mit. Im Gespräch unter vier Augen wird er auch schnell laut und seit einigen Wochen wird er dabei mehr und mehr beleidigend. Kürzlich hat er plötzlich mit den Füßen und Fäusten gegen die Wand geschlagen, sodass wir wirklich Angst vor ihm bekommen haben. Er ist dann im Zimmer auf und ab gerannt und hat das Bestellbuch auf den Boden geschmissen und es durch den Raum getreten. Wir wissen, dass er privat und beruflich überfordert ist. Können wir etwas tun, um die Situation zu verbessern?
Ich bekomme zum Glück eher selten solche Anfragen. Da dies jedoch kein Einzelfall ist, möchte ich gern darauf eingehen, da es die Grenzen zwischen gestresstem und psychisch auffälligem Verhalten verdeutlicht. Als Psychologin und Coach unterstütze ich Menschen dabei, ihren eigenen Weg zu finden. Das heißt jedoch nicht, dass ich keine eigene Meinung haben darf. Aus meiner Sicht kann das Verhalten Ihres Chefs nicht mehr als gesund eingestuft werden. Das ist jedoch sein Thema, zu dem er eine Lösung finden darf. An dieser Stelle geht es um Ihr Thema, was Sie tun können, damit es Ihnen gut geht. Ihre genaue Formulierung ist, was Sie tun können, um die Situation zu verbessern. Wie sieht Ihrer Meinung nach eine solche Situation aus? Ihr Chef ist ruhig und höflich und lobt das Team. Hände und Füße setzt er für eine entspannte und gelassene Behandlung ein. Mit dem Bestellbuch hat er nur Kontakt, um Termine nachzuschauen. Ist diese Vorstellung aus Ihrer Sicht umsetzbar? Je nachdem, wie Ihre Antwort ausfällt, gibt es nun drei Möglichkeiten: Liebe es, ändere es oder verlasse es. Häufig wird ein vierter Weg gewählt: Mach weiter wie bisher und hoffe, dass sich etwas ändert. Bei der letztgenannten Möglichkeit fällt mir ein Zitat ein, dass angeblich von Einstein stammen soll: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Ich vermute, dass sich an Ihrer Situation nichts ändern wird, solange Sie weitermachen wie bisher. Lassen Sie uns also die Optionen einzeln überprüfen.
Liebe es
Sie könnten anfangen, das Verhalten Ihres Chefs zu lieben. Sobald er gegen die Wand tritt, freuen Sie sich über die präzise Zielgenauigkeit, mit der er die einzelnen Kacheln von der Wand tritt. Sie bewundern den formvollendeten Bogen, mit dem er das Bestellbuch durch das Zimmer tritt. Seine Beleidigungen interpretieren Sie als Form höchsten Vorstellungsvermögens. Er ist ein einzigartiger Chef und Sie können seinen nächsten Ausbruch kaum erwarten. Was wird er sich beim nächsten Mal einfallen lassen?
Ändere es
Liegt es in Ihrem Bereich der Möglichkeiten, das Verhalten Ihres Chefs zu ändern? Können und wollen Sie seine privaten Probleme lösen? Können Sie in der Praxis etwas dafür tun, dass er ruhiger wird? Möchten Sie Ihre Arbeitsstunden reduzieren oder noch jemanden einstellen? Wären mehr oder weniger Patienten hilfreich? Nutzt es, einen Smiley in jedes Behandlungszimmer zu kleben? Würde eine Praxisschulung Erleichterung verschaffen? Möchten Sie eine Torwand aufstellen, damit er ein Ziel hat, sobald er gegen die Wand tritt? Hilft es, die Thematik offen anzusprechen? Oder sind dies vielleicht alles Themen, die Ihr Chef nur für sich selbst lösen kann? Wie auch immer Ihre Antwort ausfällt, handeln Sie dementsprechend.
Verlasse es
Ist keine Änderung in Sicht, können Sie die Situation verlassen. Was möchten Sie stattdessen? Einen Arbeitsplatz, wo das Team respektvoll miteinander umgeht? Einen Chef, der ruhig bleibt? Eine Zahnarztpraxis, in der Sie sich wohlfühlen? Einen reichen Mann, sodass Sie um die Welt reisen und sich um Haus, Kinder und Garten kümmern können? Manchmal ist eine Trennung besser als gemeinsames Leid. Sie erfüllen sich das Leben Ihrer Träume und Ihr Chef bekommt die Gelegenheit, sein eigenes Leben zu überdenken. Gelegentlich braucht es einen starken Dämpfer, um aufzuwachen.
Fazit
Welche der drei Varianten hat Ihnen am ehesten zugesagt? Eine davon ist die richtige Antwort für Sie und ich rate Ihnen, sie möglichst schnell umzusetzen. Jeder hat in erster Linie sein eigenes Leben in der Hand. Fragen Sie sich, was Sie tun können, um Ihre eigene Situation zu verbessern – und möglicherweise beeinflussen Sie damit die Situation Ihres Chefs auch positiv.