Recht 01.08.2016
Experten-Tipp: Ist meine Dokumentation noch etwas wert?
Folgender Fall: Ein Patient klagt vor Gericht über ständige Kopfschmerzen seit der zahnärztlichen Behandlung. Zur Verhandlung legt der behandelnde Zahnarzt die Patientenakte als Beweisstück vor. Aus dieser geht klar hervor, dass ihm nichts vorzuwerfen ist. Der Anwalt des Patienten geht nicht auf die Patientenakte ein. Er verlangt vom Zahnarzt einen Nachweis, dass alle Dokumente1 in der Patientenakte nicht manipuliert worden sind, da diesen sonst kein Beweiswert zukommt.
Warum das?
Im Patientenrechtegesetz wird seit Februar 2013 von jedem Arzt verlangt: „Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.“
Welche Dokumente der Patientenakte sind betroffen?
- Dokumente, welche originär digital erstellt worden sind – z.B. in oder mit einem Softwareprogramm.
- Eingescannte Dokumente, die auf einem Computer bzw. digitalen Medium – z.B. einer Festplatte oder DVD – gespeichert sind.
Für diese Dokumente muss nachgewiesen werden, welche Änderungen wann stattgefunden haben, bzw. im Umkehrschluss, dass, wenn keine Änderungen aufgeführt sind, auch keine Änderungen stattgefunden haben.
Zahnärzte sollten überprüfen, ob alle Eingaben im Praxisverwaltungs-/Abrechnungsprogramm, Word-Dokumente sowie eingescannte PDF-Dateien und Bildaufnahmen die Anforderungen des Veränderungsnachweises erfüllen.
Wie wird ein Gericht Dokumente bewerten, welche nicht manipulationssicher aufbewahrt wurden?
Den Dokumenten wird kein oder zumindest nur ein verringerter Beweiswert zugesprochen
Grund:
Da nicht nachgewiesen werden kann, dass keine Manipulation stattfand, wird die gesetzliche Pflicht nicht erfüllt (siehe Auszug aus Urteil2). Falls eine Patientenakte betroffen ist, und ihr in wesentlichen Bereichen keine Beweiskraft zugesprochen wird, sind vermutlich alle Akten gleichermaßen betroffen. Die Beweiskraft kann in diesem Fall auch nicht mehr rückwirkend hergestellt werden – aber für die Zukunft.
Empfehlung zum sofortigen Handeln:
- Je länger man wartet, desto länger ist der Zeitraum für welchen man sich entgegenhalten lassen müssen, dass manipuliert worden sein kann.
- Für diesen Zeitraum gilt die Unschuldsvermutung nicht.
- Die Beweislast, dass Dokumente nicht manipuliert worden, liegt ausschließlich beim behandelnden Zahnarzt.
Was kann ärgerlicher sein, als einen Prozess zu verlieren, obwohlman sich nichts zu Schulden kommen lassen hat, außer dass die EDV eben nicht manipulationssicher war? Zahnärzte sollten so schnell als möglich handeln und sich für die Zukunft absichern.
- Genügt die IT-Umgebung den gesetzlichen Anforderungen ab dem kommenden Monat?
- Kann ab diesem Zeitpunkt nachgewiesen werden, dass nicht manipuliert worden ist?
Das ist entscheidend:
Würde man im darauf folgenden Monat Kenntnis erhalten, dass man von einem Patient für eine fehlerhafte Behandlung zur Verantwortung gezogen werden soll, hat man gute Karten, da zum Zeitpunkt, als man vom Vorwurf des Patienten erfährt, die EDV bereits den Kriterien der Manipulationssicherheit genügt.
1 Unter Dokumenten sind nicht nur Briefe o.ä. zu verstehen, sondern
jegliche Informationen, z.B. eingescannte Unterlagen, Word-Dokumente,
Bilder oder Eingaben in Computerprogramme.
2 Eine EDV-Dokumentation ohne Sicherung gegen Veränderungen ist nicht
mehr zulässig und sollte auch keinen Beweiswert wie eine herkömmliche
schriftliche Dokumentation ohne Änderungen haben, selbst wenn der Arzt
nachvollziehbar darlegt, dass sie nicht nachträglich verändert wurde und
dass sie medizinisch plausibel ist (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht,
7. Aufl., 2014, B Rn. 204 m.w.N.). OLG Frankfurt am Main · Urteil vom
13. Januar 2015 · Az. 8 U 141/13; https://openjur.de/u/757002.html
Quelle: Medi-Tec