Recht 28.02.2011

Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion durch MKG-Chirurgen



Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion durch MKG-Chirurgen

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Recht kurios mutet ein aktueller Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.04.2010 (5 StR 75/10) an, mit dem ein Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichtes (LG) Berlin zurück verwiesen wurde.

Interessant ist der Fall, da dem Leser recht eindrucksvoll vor Augen geführt wird, welchen Stellenwert Praxismietverträge für einen Praxisinhaber haben können. Interessant ist der Fall auch deshalb, da sich zeigt wie filigran eine strafrechtliche Beurteilung eines Tatvorganges sein kann.

Der Fall:

Nach den Feststellungen des LG Berlin kündigte ein seit 1999 freiberuflich tätiger MKG-Chirurg im November 2007 seine angemieteten Praxisräume, wobei er die Hoffnung hatte, über die Räumlichkeiten einen neuen Mietvertrag zu besseren Konditionen abschließen zu können. Der MKG-Chirurg war allerdings gezwungen, die Praxisräume zum 30. Juni 2009 aufzugeben, da der Vermieter nicht zu der Änderung des Mietvertrages bereit war. Der MKG-Chirurg nahm das Verhalten des Vermieters als Zerstörung seines Lebenswerkes wahr, wobei er am 27.06.2009 zwischen 00:30 Uhr und 01:00 Uhr im Zuge einer (auch) depressiven Verstimmung den Entschluss fasste, seine Praxisräume in Brand zu stecken und auf diese Weise die Praxis und das gesamte Inventar zu zerstören.

Die ungewollte Explosion

Entsprechend diesem „Tatplan" vergoss der Arzt 50 Liter Benzin nahezu vollständig in der Praxis, klebte die Sprinkleranlage mit Aluminiumfolie ab, wobei ihm bewusst war, dass die entstehenden Dämpfe als Benzin-Luftgemisch explodieren konnten. Entsprechend seinem Tatplan entnahm der MKG-Chirurg dann ein Streichholz aus einer Streichholzschachtel, um dieses anzuzünden und damit das verschüttete Benzin zu entflammen. Da er seinen Plan jedoch zunächst doch nicht in die Tat umsetzen wollte, versuchte er - nach eigenem Vorbringen - das Streichholz wieder in die Schachtel zurückzustecken, worauf er versehentlich mit der Zündseite des Streichholzes gegen die Reibefläche der Schachtel gekommen ist. Nachdem die Praxis in Flammen stand, verließ der MKG-Chirurg fluchtartig die Räumlichkeiten, wobei sich die Luft- und Benzindämpfe verwirbelten und es zu einer Explosion mit einem Sachschaden von etwa 1 Mio. Euro kam.

Vorsätzliches Handeln?

Das LG Berlin verurteilte den MKG-Chirurgen wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, wobei allerdings die Urteilsfeststellungen nach Überzeugung des BGH einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten, da sie in Teilen widersprüchlich waren und eine Verurteilung wegen vorsätzlich vollendeten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und wegen vorsätzlich vollendeter Brandstiftung nicht mittrugen. Sie würden nicht den Schluss auf die innere Tatseite des Angeklagten im Zeitpunkt des - „versehentlichen" - Entzündens des Benzins und damit auf die Zurechnung einer vorsätzlichen Deliktsvollendung zulassen, so der BGH.

In seiner Entscheidung macht der BGH deutlich, dass das vom Angeklagten geschilderte Geschehen zur Entzündung des Gemisches nicht nur weit außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liege, sondern gerade auch die mitgeteilte Art und Weise, wie der Angeklagte das entflammte Zündholz gelöscht haben will, im Hinblick auf die motorische Leistung, die damit einhergehende Umständlichkeit - trotz festgestellter Brandwunden an den Fingern des Angeklagten - kaum nachvollziehbar erscheine. Der BGH könne andererseits von sich aus nicht sicher feststellen, dass jedes andere Ergebnis einer fehlerfreien Beweiswürdigung als die Feststellung vorsätzlicher Brandlegung auszuschließen sei. Im Ergebnis wird die Sache deshalb vom BGH zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG Berlin zurückverwiesen.

Quelle: Newsletter I-06-10
Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte, Bonn


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