Recht 25.05.2023
Kürzungsrecht des Urlaubsanspruches während der Elternzeit
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Rechtsanwalt Kevin Wilke erklärt die rechtliche Grundlage.
Das Personalmanagement stellt auch für niedergelassene Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden einen anspruchsvollen Aufgabenbereich dar, insbesondere wenn es um Sonderfälle wie Elternzeit geht. Arbeitgebende sind in solchen Fällen gut beraten, frühzeitig und umfassend über ihre Rechte informiert zu sein.
Wenn Angestellte nach der Geburt eines Kindes die Möglichkeit der Elternzeit wahrnehmen, sind damit diverse Formalien und Organisationsaufwände verbunden. Dies gilt für die Eltern, wie auch für die Arbeitgebenden gleichermaßen. Dieser Artikel befasst sich mit dem Teilbereich des Kürzungsrechts von Arbeitgebenden hinsichtlich des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit. Hierbei ist vorab zu fragen, wie das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit einzuordnen ist. Die gesetzliche Grundlage findet sich insbesondere in den §§ 15 ff. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Anders als oft angenommen wird das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht unter Aufhebung der gegenseitigen Arbeitsvertragspflichten ausgesetzt oder unterbrochen, vielmehr ruht das Arbeitsverhältnis und besteht fort. Eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht für die Elternzeitnehmenden nicht. Allerdings haben sie die Möglichkeit, Arbeitsleistung in Teilzeit, maximal 32 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt, anzubieten und zu erbringen. Arbeitgebende haben wiederum aber nicht das Recht die Angestellten zur Arbeitsaufnahme zu verpflichten.
Da das Arbeitsverhältnis unter der teilweisen Aufhebung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Elternteils fortgesetzt wird, entsteht während dieser Zeit denklogisch auch der Anspruch auf Erholungsurlaub. Dies hat zur Folge, dass die betroffene Person während der Elternzeit von der Arbeitspflicht befreit ist und zusätzlich einen Anspruch auf Erholungsurlaub erhält, was einer Besserstellung gegenüber Angestellten darstellen würde, die keine Elternzeit nehmen oder sich nicht in dieser befinden. Insofern könnte während der Elternzeit wiederholt eine Schwangerschaft eintreten, was zu einer weiteren Elternzeit nach Ende der „ersten“ Elternzeit führen könnte. Der Urlaubsanspruch würde in diesem Fall, ohne dass die Arbeitgebenden eine Handhabe hiergegen haben, je nach Dauer der Elternzeit anwachsen.
Diesem Umstand begegnet das Gesetz mit § 17 Abs. 1 BEEG, wonach die Arbeitgebenden pro Monat der Elternzeit den jährlichen Erholungsurlaub um ein Zwölftel kürzen können. Diese Regelung ist im Übrigen auch mit Unionsrecht vereinbar und kann uneingeschränkt angewendet werden, vgl. EuGH vom 4.10.2018 – C-12/17.
Im Rahmen der Kürzung ist jedoch einiges zu beachten, um Fehler und daraus resultierende Mehrkosten zu vermeiden. Vorab lohnt sich der Blick in die gesetzliche Grundlage des bestehenden Kürzungsrechts:
„§ 17 Abs. 1 BEEG: (1) Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit bei seinem oder ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet.“
Wie sich bereits aus dem ersten Halbsatz des Absatzes ergibt, handelt es sich um eine Kann-Vorschrift. Die Arbeitgebenden haben mithin ein Optionsrecht. Sie können den Urlaub kürzen, müssen es aber nicht. Mithin tritt die Kürzung nicht automatisch ein, sondern bedarf einer rechtsgeschäftlichen Erklärung gegenüber den Elternzeitnehmenden. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden, wobei aus Sicht der Arbeitgebenden immer der ausdrücklichen Kürzungserklärung der Vorzug zu geben ist.
Kevin Wilke:
„Anders als oft angenommen wird das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht unter Aufhebung der gegenseitigen Arbeitsvertragspflichten ausgesetzt oder unterbrochen, vielmehr ruht das Arbeitsverhältnis und besteht fort.“
Grundsätzlich ist es möglich das Kürzungsrecht vor, während und nach der Elternzeit auszuüben, jedenfalls so lange wie der Urlaubsanspruch besteht. Es macht in diesem Zusammenhang aber Sinn, die Kürzungserklärung führzeitig gegenüber der betroffenen Person abzugeben, und zwar in der Form, dass hiervon auch Kenntnis erlangt werden kann. Im Idealfall wird dies bereits im Rahmen der Bestätigung der Elternzeit erklärt, um bereits an dieser Stelle Rechtssicherheit zu gewährleisten. Zu beachten ist aber, dass die Kürzungserklärung der Arbeitgebenden nicht bereits vor der Erklärung der Arbeitnehmenden, Elternzeit nehmen zu wollen, erfolgen darf. Demnach ersetzt beispielsweise eine Klausel im Arbeitsvertrag die notwendige Kürzungserklärung im Einzelfall nicht. Dies wird begründet mit der Dispositionsbefugnis des Unternehmens vom Kürzungsrecht Gebrauch zu machen. Es kann nur sinnvoll ausgeübt werden, wenn der Zeitraum, in dem die Elternzeit genommen werden soll, bekannt ist.
Die frühzeitige und eindeutige Erklärung schafft nicht nur Rechtssicherheit, sie kann dem Unternehmen auch sehr viel Geld sparen. Nämlich in dem Fall, dass das Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit durch Kündigung oder einen sonstigen Beendigungstatbestand aufgelöst wird. Es ist zu berücksichtigen, dass sich mit Ende des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch in einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung umwandelt. Dies ergibt sich aus § 7 Bundesurlaubsgesetz. Ab diesem Zeitpunkt stellt er einen reinen Geldanspruch dar, auf den die Regelung des § 17 BEEG nicht (mehr) anwendbar ist. Die nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärte Kürzung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist demnach unzulässig, was zur Folge haben kann, dass die Arbeitgebenden einen nicht unerheblichen Abgeltungsbetrag an die Arbeitnehmenden zahlen müssen. Je nach Dauer der Elternzeit können Beträge in Höhe mehrerer Monatslöhne auflaufen. Es ist insofern Achtsamkeit aufseiten der Arbeitgebenden geboten.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Urlaubsansprüche während des Arbeitsverhältnisses nicht verjähren, soweit die Elternzeitnehmenden nicht aufgefordert wurden, den Erholungsurlaub zu nehmen. Diese Konstellation ist faktisch unmöglich, wenn das Arbeitsverhältnis direkt nach der Elternzeit endet. Mithin bleibt beim Thema „Kürzungsrecht des Urlaubsanspruches während der Elternzeit“ festzuhalten, dass die Arbeitgebenden gut beraten sind, wenn sie frühzeitig und ausdrücklich von ihrem Recht gemäß § 17 Abs. 1 BEEG Gebrauch machen.
Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.