Implantologie 18.11.2011
Durchführung des geschlossenen Sinuslifts mittels Hydraulik-Bohrer-System
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Die Sinusbodenelevation (Sinuslift) gilt als erfolgreiche Methode zum Wiederaufbau der knöchernen Struktur innerhalb der Kieferhöhle.13,1,12 Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Zugängen zur Kieferhöhle unterschieden. Entweder erfolgt das Eröffnen der Kieferhöhle mittels Präparation eines lateralen Fensters (offener oder externer Sinuslift) oder der Zugang erfolgt über den Kieferkamm (geschlossener oder interner Sinuslift). Besteht die Zahnlosigkeit länger, so verschmilzt die dünne Kompakta des Sinusbodens mit derjenigen des Alveolarfortsatzes. In dieser Situation bleibt dem Behandler ausschließlich die Therapieoption des Sinuslifts mittels lateralem Zugang. Eine Weiterentwicklung der klassischen Methode des internen Sinuslifts nach Summers9–11 ist die Sinusbodenelevation ausschließlich mit speziell geformten Bohrern.
Nach Zahnverlust in der posterioren Maxilla atrophiert der Alveolarfortsatz in horizontaler und vertikaler Richtung.2,3 Darüber hinaus senkt sich der Boden des Sinus maxillaris kaudalwärts. Um ein ausreichendes Implantatbett zu schaffen und die verloren gegangene Höhe des Kieferhöhlenbodens wiederzuerlangen, bleiben dem Behandler zwei Alternativen: Die Sinusbodenelevation9–11 unter Präparation eines lateralen Fensters (offener Sinuslift) oder die Wahl des krestalen Zugangs (geschlossener Sinuslift). Mithilfe von modernen Instrumenten lässt sich der interne Sinuslift schnell und einfach durchführen. Anhand eines Patientenfalls, mit reduzierter Knochenhöhe, soll das Vorgehen bei der Sinusbodenelevation mit dem Zugang über den Kieferkamm beschrieben werden. Dabei kommen die speziell hierfür gestalteten Bohrer des CAS-KITs (Crestal Approach Sinus-KIT) zum Einsatz. Dieses System ermöglicht das Anheben des Kieferhöhlenbodens ohne Osteotome. Das hierfür entwickelte Bohrerdesign verhindert eine Ruptur der Membran beim Vortrieb des Bohrers in die Kieferhöhle. Die Sinusmembran wird hierbei mit hydraulischem Druck angehoben.4
Knochenhöhe
Einer der entscheidendsten Faktoren über den Erfolg des internen Sinuslifts ist das bestehende vertikale Knochenangebot vor der Sinusbodenelevation. Die im Jahr 1987 veröffentlichte Einteilung (SA1–SA4) von Misch6 beschreibt die verbleibende Knochenhöhe zwischen dem Kieferhöhlenboden und dem Kieferkamm. Um den Sinuslift mit Osteotomen durchfüh-ren zu können (nach Summers), muss in Anlehnung an die damalige Einteilung eine Restknochenhöhe von 10–12mm vorhanden sein (SA2).7,5 Bei einem verbleibenden vertikalen Knochenangebot von 5–10mm wird als Therapie der Wahl die Präparation eines lateralen Fensters empfohlen. Die „ABC – Sinus Augmentation Classification“ von Wang und Katranji14 (aus dem Jahr 2008) fordert eine Restknochenhöhe von mindestens 6mm für den ausschließlichen Einsatz von Osteotomen zum Anheben der Membran und simultaner Implantatinsertion. Die Überlebensrate ist bei einer Restknochenhöhe von 5mm 96% und fällt bei einer Restknochenhöhe von 4mm auf 85,7%.8 Der Sinuslift ohne Osteotome mit Bohrern und dem hydraulischen Lift ist anlehnend an die Literatur ab einer verbleibenden vertikalen Knochenhöhe von 5mm indiziert. Das verwendete Knochenersatzmaterial spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
Instrumente und Technik
Das in diesem Artikel verwendete CAS-KIT kann unabhängig vom Implantatsystem verwendet werden. Das Instrumentenkit besteht aus einigen übersichtlichen Komponenten: CAS-Bohrern unterschiedlicher Stärke, Bohrstopps von 2 bis 12mm, Tiefenmesslehre, Bonecarrier, -condensor und -spreader sowie dem hydraulischen Liftsystem. Initial wird der Pilotbohrer bis 2mm vor den Kieferhöhlenboden (OPG o. DVT) eingesetzt. Dabei wird mit Bohrerstopp gearbeitet (die Beschriftung gibt die verbleibende Bohrerlänge an). Danach wird der Bohrstollen nach Herstellerangaben mit der identischen Bohrlänge verbreitert. Dabei erfolgt, je nach verwendetem Implantatsystem und geplantem Implantatdurchmesser, eine unterminierende Aufbereitung mit dem CAS-Bohrer. Nach der Verbreiterung wird der Bohrerstopp gewechselt und es erfolgt der Vortrieb des CAS-Bohrers in die Kieferhöhle. Im Anschluss an die Penetration der Kieferhöhle wird die Sinusmembran mit der Tiefenmesslehre um maximal 1mm angehoben. Hierfür wird der nächst längere Bohrerstopp verwendet. Um die Schneider’sche Membran auf die gewünschte Implantatlänge anzuheben, wird Kochsalzlösung mithilfe des hydraulischen Liftsystems über den Bohrstollen appliziert. Danach wird Knochenersatzmaterial mit dem Bonecarrier aufgenommen und in die Kieferhöhle eingebracht, mit dem Bonecondensor weiter nach kranial geschoben und abschließend mit dem Bonespreader innerhalb des Sinus horizontal verteilt. Letztendlich wird das gewählte Implantat in das vorbereitete Implantatbett eingedreht.
Vor- und Nachteile
Die Vorteile der Osteotom-Sinusbodenelevation (OSFE) sind vielfältig. Durch diese minimalinvasive Technik werden eine schnellere Chirurgie und eine kürzere Einheilzeit ermöglicht. Damit können auch Patienten mit eingeschränktem Allgemeinzustand behandelt werden. Die Knochenqualität wird verbessert, dadurch eine höhere Primärstabilität erreicht und überdies sind die Veränderungen der Sinusmorphologie geringer als beim lateralen Zugang. Nicht zuletzt muss oft kein Lappen gebildet werden, die Komplikationen sind damit weniger: bessere Blutversorgung, da keine Periostablösung, weniger Verletzung benachbarter Strukturen, geringere Blutungsgefahr.
Als größter Nachteil der OSFE-Technik erweist sich der Einsatz des Hammers. Das Vortreiben der Osteotome durch Hammerschläge wird von den Patienten als sehr unangenehm beschrieben. Der hierbei notwendige Kraftaufwand führt nicht selten zu postoperativen, reversiblen Kopfschmerzen. Weiterhin kann es zu unerkannten Perforationen kommen und die Elevationswerte der Sinusmembran sind im Vergleich zum offenen Sinuslift deutlich geringer.
Diese allgemeinen Vor- und Nachteile des internen Sinuslifts zeigen sich auch bei dem Verfahren der Sinusbodenelevation mit Bohrern und hydraulischem Lift. Weiterhin be-darf diese sensitive Methode einer gewissen „Lernkurve“. Die Sinusmembran wird durch die Applikation der Kochsalzlösung zwar schonend vom Kieferhöhlenboden gelöst, doch bedarf es aufgrund der fehlenden Taktilität etwas Übung, das hydraulische Liftsystem einzusetzen. Im Vergleich zum Einsatz der Osteotome weist dieses Verfahren weitere Vorteile auf: Hohe Patientenakzeptanz, da kein Hämmern notwendig ist, wodurch dieses Verfahren weniger traumatisierend ist. Durch den intuitiven Gebrauch von Bohrern und hydraulischem Liftsystem lässt sich ein spürbar schnelleres chirurgisches Protokoll erreichen. Die Bohrgeschwindigkeit ist flexibel wählbar. Liegt der Fokus auf zügigem Arbeiten, so wird eine hohe Geschwindigkeit eingesetzt. Sollen Knochenspäne gewonnen werden, so wird mit herabgesetzter Geschwindigkeit gearbeitet. Durch die spezielle Form des CAS-Bohrers, abgerundet und in der Mitte konisch nach innen laufend, wird die Sinusmembran selten verletzt. Darüber hinaus wird autologer Knochen durch die hierfür spezielle Gestaltung des Bohrers gesammelt. Letztendlich ist von Vorteil, dass das CAS-KIT unabhängig vom Implantatsystem verwendet werden kann.
Material und Methode
Im Folgenden wird exemplarisch anhand eines Patientenfalls der Einsatz des CAS-KIT Systems bei der internen Sinusbodenelevation beschrieben.
Patientenselektion
Die Patientin ist 60 Jahre alt und in gutem Allgemeinzustand. Die Zähne 24 und 27 dienten seit 15 Jahren als Brückenpfeiler und waren somit mit Kronen versorgt. Der röntgenologische Befund zeigt eine periapikale Aufhellung an den Zähnen 23 und 24. Die vertikale Knochenhöhe zwischen Kieferkamm und Kieferhöhlenboden im Bereich 26 wurde am OPG mit 6mm gemessen. Klinisch zeigte Zahn 24 eine Zahnbeweglichkeit Grad II. Präoperativ erfolgte die endodontische Behandlung des Zahnes 23. Die Brücke wurde mesial des Zahnes 27 getrennt. Zahn 24 musste extrahiert werden, hierbei offenbarte sich sowohl eine interne Fraktur des Zahnes als auch der vollständige Verlust der bukkalen Knochenlamelle. Als provisorische Versorgung erhielt die Patientin eine herausnehmbare Interimsprothese. Die Behandlungsplanung sieht die Versorgung der Schaltlücke zwischen 23 und 27 mit zwei Implantaten in Regio 24 und 26 vor, so-wie die anschließende Versorgung mit einer implantatgetragenen Brücke.
Chirurgisches Vorgehen
Der Zugang erfolgte über einen leicht nach palatinal versetzten Kieferkammschnitt. Der Kieferkamm weist im Bereich 26 eine Breite von 7,5mm und im Bereich von 24 eine Breite von 5,5mm auf.Im Bereich des ersten Prämolaren erfolgt die Implantatbettaufbereitung gemäß Herstellerangaben zur Aufnahme eines BioHorizons-Implantats (3,8 x 11mm), wobei zur Verbesserung der Primärstabilität der letzte Bohrer nicht zum Einsatz kommt. In Regio 26 wird mit dem Pilotbohrer und dem 4mm Bohrstopp (2mm unterhalb der röntgenologisch gemessenen Kieferhöhle) begonnen. Danach erfolgt die Verbreiterung der Formbohrung mit demselben Bohrerstopp bis zum CAS-Bohrer D 3.1. Mit dem identischen Bohrer wird in Millimeterschritten weiter nach kranial gearbeitet. Aufgrund des leicht nach medial ansteigenden Kieferhöhlenbodens dringt der Bohrer mit dem 6mm Bohrstopp nur teilweise, mit dem 7mm Bohrstopp vollständig in den Sinus maxillaris ein.
Der 7mm Bohrerstopp wird auf die Tiefenmesslehre gesetzt und mit dieser die Membran zirkulär um den Bohrstollen vorsichtig vom Kieferhöhlenboden gelöst. Danach wird der hydraulische Lifter fest auf die Öffnung der Formbohrung gepresst. Über eine Einmalspritze wird langsam (0,1ml/Sek.) Kochsalzlösung unter die Kieferhöhlenmembran appliziert. Um die Membran 3mm anzuheben, sind ca. 0,5ccm nötig. Zum weiteren Schutz der Membran dient die anschließende Applikation eines Kollagenvlieses. Dieser Schritt ist nicht obligatorisch.
Mit dem Bonecarrier wird dreimal Knochenersatzmaterial aufgenommen und in die Formbohrung eingebracht. Zum Transportieren des Knochenersatzmaterials in die Kieferhöhle wird der Bonecondenser verwendet. Um den entstandenen Hohlraum nach dem Anheben der Membran um 6mm aufzufüllen, werden 0,9ccm Knochenersatzmaterial benötigt. Abschließend wird das Implantat (BioHorizons 4,6 x 10,5mm) eingedreht. In Regio 24 wird ein weiteres Implantat inseriert. Aufgrund der fehlenden bukkalen Lamelle wird der Knochen mittels Sandwichbonetechnique15 augmentiert. Es erfolgt abschließend der Nahtverschluss.
Fazit
Das Ziel dieses Artikels ist es, dem Behandler ein alternatives Verfahren zur Durchführung des geschlossenen Sinuslifts aufzuzeigen. Die geschlossene Sinusbodenelevation mit speziell entwickelten Bohrern stellt eine Weiterentwicklung der klassischen mit Osteotomen durchgeführten Methode dar. Der oben dargestellte Patientenfall erläutert Schritt für Schritt die Vorgehensweise beim Einsatz des Crestal Approach Sinus-KITs (CAS-KIT). Die Anwendung des CAS-KITs eröffnet dem Implantologen die Möglichkeit, minimalinvasiv und patientenschonend zu arbeiten. Der Einsatz des Hammers entfällt. Neben den allgemeinen Nachteilen des internen Sinusliftes zeigt sich eine gewisse Lernkurve. Von Vorteil erweist sich vor allem die hohe Patientenakzeptanz durch die geringe Traumatisierung, das schnell ausführbare chirurgische Protokoll und nicht zuletzt die geringe Membranperforation. Das CAS-KIT ist Implantatsystem unabhängig einsetzbar.