Prophylaxe 20.02.2012
Neue Trends im Bereich der Pulverstrahltechnologie
Von der Belagsentfernung zur Therapie
Besitzen Sie ein Pulverstrahlgerät? Benutzen Sie es auch? Wenn dies nicht der Fall ist, dann stellen Sie sich bitte die Frage, warum Sie aufgehört haben, es einzusetzen. War der Pulver-Wasser-Strahl zu groß und führte zu Verschmutzungen? Oder war der Geschmack des Pulvers den Patienten zu salzig? Wurde die Gingiva in Mitleidenschaft gezogen oder war das Risiko, subkutane Emphyseme hervorzurufen, zu groß? Welche Gründe auch immer dazu geführt haben: die Methoden und Techniken der Pulverstrahlung haben sich gewandelt und es ist an der Zeit, diese Technologie wieder neu für den Behandlungsalltag zu entdecken.
1945 erfand Dr. Robert Black eine Art Vorgänger der heutigen Pulverstrahlgeräte. Diese wurden allerdings bis zu den Siebzigerjahren in der Zahnmedizin kaum eingesetzt.1 Den Ursprung bildete ein Gerät, welches Luft, Wasser und ein stark abrasives Pulver einsetzte, um die Schmerzen einer Kavitätenpräparation, ohne Gebrauch von Anästhetika, zu eliminieren.2
Die Pulverstrahl-Methodik
In den Achtzigerjahren wurde diese Anwendung zur Pulverstrahl-Methodik weiterentwickelt, diente zu diesem Zeitpunkt aber nur zur Entfernung von starken Verfärbungen an schwer zugänglichen Stellen. Das Pulver bestand aus Natriumbikarbonat, welches hauptsächlich zur Entfernung von starken Verfärbungen, verursacht durch Chlorhexidin, Rauchen, Kaffee oder Tee, verwendet wurde. Auch zur Reinigung von Brackets und vor der Versiegelung bot es bessere Möglichkeiten als die herkömmliche Methode mit Polierpaste und -bürstchen.3,4,5 Studien jedoch zeigten die Grenzen von Natriumbikarbonat deutlich auf.6,7,8 1986 belegte eine Studie von Galloway und Pashley, dass Pulverstrahlgeräte zu klinisch signifikanter Reduktion der Zahnstruktur führen können, wenn sie überdurchschnittlich oft benutzt werden. Deshalb sollte die Methode nicht auf freiliegendem Dentin angewendet werden.6 Weitere veröffentlichte Artikel besagen, dass die Anwendung von Pulverstrahlern dieser Art rund um die meisten restaurativen Materialien vermieden werden sollte, da ein hohes Risiko von Zerkratzen, Erosion, Substanzschädigung oder Randschlussverlust bestünde.7 An anderer Stelle schloss eine Studie, dass „Pulverstrahlung die Oberflächenrauigkeit bei allen getesteten Composite-Materialien erhöht. Composite-Restaurationen erfordern eine erneute Politur nach der Pulverstrahlbehandlung“.8 Folglich wurden in der Praxis keine restaurativen Materialien mehr mit Pulverstrahl behandelt.
Darüber hinaus wurde empfohlen, Patienten bei Vorliegen der folgenden Gegebenheiten nicht mit Pulverstrahl zu behandeln: Patienten mit Natriumdiäten, Patienten mit Atem-, Nieren- oder Stoffwechselerkrankungen, Patienten mit infektiösen Krankheiten, Kinder, Patienten mit Diuretika oder langfristigen Steroid-Therapie und Patienten mit Titan-Implantaten (Untersuchungen auf diesem Gebiet sind noch notwendig).9 Nicht zu vernachlässigen sind auch die Verschmutzungen und Gefahren, welche durch den Aerosol-Spray hervorgerufen werden, beispielsweise das erhöhte Risiko von subkutanen Emphysemen, der unangenehme Geschmack im Mund, die trockene Haut nach der Anwendung, verstopfte Handstücke und das aggressiv stechende Gefühl während der Behandlung. Aufgrund all dieser Studien und Erfahrungen in der praktischen Anwendung entschlossen sich viele Anwender, ihre Pulverstrahlgeräte beiseite zu legen und zurück zu traditionellen Methoden der manuellen Politur mit Polierpaste, -bürstchen und -kelchen zu gehen.
Der große Wandel
Zu Beginn des neuen Jahrtausends erlebte die Pulverstrahl-Methode einen großen Wandel. Neue Pulverarten wurden eingeführt, um den bestehenden Schwierigkeiten Abhilfe zu schaffen. Eines dieser neuen Pulver war Kalziumkarbonat mit runden Kalziumkarbonat-Partikeln, welche die Reduktion von Aerosol unterstützten, da sie in einem besseren Winkel ausgebracht werden konnten. Studien bestätigten weniger Irritationen der Gingiva, unter Erzielung der gleichen Effektivität bei der Entfernung starker Verfärbungen, als mit Natriumbikarbonat. Das Pulver war mit seinem neutralen Geschmack angenehmer für die Patienten und konnte auch bei Personen mit angeordneter Natriumdiät verwendet werden.10, 11 So öffnete Kalziumkarbonat mit einer verringerten Anwendungseinschränkung die Tür für eine effektivere Pulverstrahlreinigung. Glycin ergänzte die Pulverstrahlanwendung mit zahlreichen Studien, welche effektive und sanfte Entfernung von Biofilm sowohl subgingival als auch um Implantate und Restaurationen belegten.12
Die Sylc-Therapie
Seit 2011 schließlich ist ein völlig neuartiges Pulver erhältlich: Sylc™ (Abb. 1). Dieses innovative Material enthält eine hohe Konzentration von Kalzium-Natrium-Phosphosilikat und wurde im Dental Institute des Kings College in London, Großbritannien, zur Anwendung mit Pulverstrahlgeräten entwickelt. Ursprünglich fand das von Professor Larry Hench, Universität Florida, in den späten Sechzigerjahren entwickelte Material Einsatz in der Remineralisierung und im Wiederaufbau von neuem Knochengewebe.13,14 Mitte der Neunzigerjahre wurde der Einsatz dann auf die Remineralisierung von Dentin erweitert. Dies führte letztendlich zum Markennamen NovaMin®.15 Mithilfe von Sylc kann eine moderne Pulverstrahl-Therapie durchgeführt werden, welche Hypersensitivitäten verringert, Zahnsubstanz repariert und die Zähne aufhellt (Abb. 2 bis 4).16 Während Natriumbikarbonat unter zahlreichen, vorangehend bereits genannten Gegebenheiten nicht verwendet werden kann, ist die Sylc-Therapie für nahezu alle Patienten geeignet. Sylc wird mithilfe eines herkömmlichen Pulverstrahlgeräts appliziert, z.B. KaVo ProphyFlex®, NSK Prophy-Mate neo®. Für EMS Air-Flow Handy 2 oder 2+ steht ein spezieller Sylc Keramik-Tip für optimales Sprayverhalten zur Verfügung (Abb. 5 und 6). Der Verschluss der Tubuli ist unter Anwendung von Sylc, mittels eines Pulverstrahlgeräts oder via Gummikelch, bedeutend höher als der Verschluss bei Anwendung anderer Pulver (Cavitron Prophy-Jet, EMS Air-Flow Perio) und Polierpasten (Tooth Mousse, Colgate Sensitive Pro-Relief und Nupro).17
Zusätzlich ist belegt, dass durch die Sylc-Therapie eine Remineralisation der Dentinoberfläche stattfindet. Der Mineralgehalt und die Mikrohärte innerhalb 24 Stunden sind mit einer einzigen Applikation wiedererlangt.18 So kann Sylc Verfärbungen, Plaque und Biofilm entfernen und gleichzeitig eine Desensibilisierung und Remineralisierung erzielen (Abb. 7 und 8). Für freiliegenden Wurzeloberflächen und Restaurationen eignet sich der auf den Turbinenschlauch zu steckende Sylc SmarTip (Abb. 9).
Fazit
Sowohl der Einsatz von Sylc in einem konventionellen Pulverstrahlgerät als auch von Sylc SmarTip ist äußerst effektiv und ermöglicht die Behandlung unterschiedlichster Ausprägungen von Hypersensitivität. Neueste Studien und Entwicklungen zeigen, dass nicht nur die gängige Pulverstrahlmethode ein unentbehrlicher Teil der Prophylaxe und Paro-Behandlung ist. Vielmehr kann sie jetzt als individuelle Therapie mit signifikanten Vorteilen für Anwender und Patienten zum Einsatz kommen.
Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.
Autor: Tracey Lennemann