Implantologie 28.01.2013

Primärstabilität von Mini-Implantaten ermöglicht Sofortbelastung



Primärstabilität von Mini-Implantaten ermöglicht Sofortbelastung

Eine immer älter werdende Bevölkerung stellt Zahnärzte vor neue Herausforderungen: Die Anzahl an zahnlosen Patienten steigt und es müssen neue Wege gefunden werden, diese erfolgreich sowie kostengünstig zu behandeln. Die Verwendung von Mini-Implantaten zur langfristigen Prothesenstabilisierung setzt sich dabei immer mehr durch. Folgender Beitrag zeigt anhand eines Patientenfalls die Fixierung von Zahnersatz mithilfe von Mini-Implantaten.

Schleimhautgetragene Vollprothesen bieten häufig einen eingeschränkten Tragekomfort, da sie nicht gegen sagittale und horizontale Bewegungen gesichert sind. Die Folgen sind ein unzureichender Halt sowie das Auftreten von Druckstellen, die das Wohlbefinden des Patienten beeinträchtigen. Zur Fixierung von Prothesen im zahnlosen Kiefer eignen sich enossale Implantate, die nach erfolgreicher Einheilung als Pfeiler zur Abstützung von Zahnersatz genutzt werden können. Seit einiger Zeit bewährt sich zudem die Verwendung von Mini-Implantaten (Durchmesser < 2,5 mm) zur langfristigen Prothesenstabilisierung. Hierbei handelt es sich um eine Methode, die je nach Patientenfall gegenüber der konventionellen Vorgehensweise einige Vorteile bietet. Der konventionelle Zahnersatz wird bei dieser Therapieform zu einem schleimhautgetragenen, aber implantatfixierten Zahnersatz umgewandelt.

Prothesenfixierung mit Mini-Implantaten

Im zahnlosen Unterkiefer werden zur Fixierung einer Vollprothese zwei Standard- oder vier Minimaldurchmesser-Implantate (z. B. 3MTM ESPETM MDI Mini-Dental-Implantate) verwendet. Obwohl eine größere Anzahl an Mini-Implantaten für diese Behandlung erforderlich ist, wird dank des reduzierten Durchmessers in der Regel eine minimalinvasivere Vorgehensweise bei der Implantation (meist ohne Lappenbildung) ermöglicht. Auch die Implantatbettaufbereitung ist weniger aufwendig, da die einteiligen Mini-Implantate ein selbstschneidendes und zugleich knochenverdichtendes Gewindedesign aufweisen. Besonders vorteilhaft ist ihre Verwendung bei Patienten mit reduziertem Knochenangebot oder medizinischen Einschränkungen, bei denen ein zusätzlicher augmentativer Aufwand entstehen würde und die Risiken eines konventionellen implantatchirurgischen Eingriffs groß wären. Denn selbst bei atrophierten Alveolarfortsätzen lassen sich Mini-Implantate im Unterkiefer meist ohne augmentative Maßnahmen primärstabil inserieren.
Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit, die Mini-Implantate im Unterkiefer sofort zu belasten. Patienten können in den meisten Fällen ihre „alte“, lediglich für die Aufnahme der Kugelköpfe mit Retentionseinsätzen umgearbeitete Prothese gleich nach dem Eingriff wieder einsetzen. Dies ist auf die hohe Primärstabilität zurückzuführen, die durch eine Kompression und Kondensation des periimplantären Knochens bei der Implantatinsertion entsteht. Diese reicht aus, um den auf das Implantat einwirkenden Kräften standzuhalten. Voraussetzung hierfür ist die exakte Einhaltung des durch den Hersteller empfohlenen Implantationsprotokolls. Die Vorgehensweise zur Insertion von MDI Mini-Dental-Implantaten sowie die Maßnahmen zur Umarbeitung der Prothesenbasis wird im Folgenden anhand eines Patientenfalls beschrieben.

Patientenfall
Der 60-jährige Patient wurde mit einem Restzahnbestand von zwei Zähnen im Unterkiefer in der Praxis vorstellig. Da beide Zähne parodontal geschädigt waren, war eine Extraktion unumgänglich. Abbildung 1 zeigt eine Ansicht des zahnlosen, athrophierten, schmalen Kiefers. Da der Patient betonte, dass ihm der feste Sitz seines zukünftigen Zahnersatzes wichtig sei, wurde beschlossen, eine Vollprothese zu fertigen und diese mit vier MDI Mini-Dental-Implantaten zu fixieren. Die präimplantologische Diagnostik ergab ein für Mini-Implantate ausreichendes Knochenangebot.

Implantation
Die Insertion von vier Implantaten mit 1,8 mm Durchmesser erfolgte nach dem vorgegebenen Protokoll. Für die Eintrittsbohrung wurde ein Pilotbohrer mit einem Durchmesser von 1,1 mm gewählt, der damit schmaler als das Implantat ist (Abb. 2). Die Bohrung erfolgte ohne Lappenbildung durch die Schleimhaut und die Bohrtiefe betrug lediglich die Hälfte der Implantatlänge. Letzteres ist von Bedeutung, um die selbstschneidende Funktion des Implantates auszunutzen,die zu einer Kompression und Kondensation des Knochens führt. Hierdurch wird eine hohe Primärstabilität sichergestellt, die eine Sofortbelastung des Implantates in den meisten Fällen gewährleistet. Nach der Pilotbohrung wurde das Implantat aus der sterilen Packung entnommen und von Hand – unter leichtem Druck und im Uhrzeigersinn – mit der Verschlusskappe in den Knochen eingeschraubt (Abb. 3). Anschließend wurde die Verschlusskappe entfernt (Abb. 4) und durch einen Initialschraubendreher ersetzt, mit dem das weitere Eindrehen des Implantates möglich war (Abb. 5 und 6). Fortgesetzt wurde die Insertion mit einem Flügelschraubendreher (Abb. 7 und 8). Die Verwendung aller Instrumente erfolgte bis zum Auftreten eines leichten Widerstandes bei der Insertion. Zum Abschluss wurde das Implantat mit einer Drehmomentratsche (Abb. 9) bis zur endgültigen Position in den Knochen eingedreht (Abb. 10). Ab einem Drehmoment von 35 Ncm hat das Implantat eine ausreichende Primärstabilität erreicht. Übersteigt das Drehmoment den Schwellenwert von 45 Ncm, obwohl das Implantat noch nicht in die gewünschte Position gebracht wurde, so muss dieses herausgedreht und die Pilotbohrung erweitert werden. Insgesamt sollte das Eindrehen des Implantats möglichst langsam erfolgen, um Wärmebildung und somit eine thermische Schädigung des Knochens zu vermeiden. Die drei weiteren MDI-Implantate wurden in der gleichen Vorgehensweise inseriert. Abbildung 11 zeigt die vier Implantate in ihrer endgültigen Position.

Integration der Prothese
Nachfolgend wurde die Implantatposition mittels eines angefertigten Einzelzahnfilms überprüft (Abb. 12 und 13). Für die Integration der Retentionseinsätze in die Prothesenbasis wurden die Positionen der Mini-Implantate mithilfe eines dünnfließenden Silikonabformmaterials, welches auf die Prothesenbasis aufgetragen wird und in Okklusion gegen den Oberkiefer abbindet, auf der Prothesenbasis markiert. An den entsprechenden Stellen wurden Aussparungen in die Prothesenbasis gefräst, womit die Aufnahme der Retentionseinsätze ermöglicht wurde (Abb. 14). Die entstandenen Hohlräume wurden anschließend mit Autopolymerisat gefüllt (Abb. 15). Zum Ausblocken wurden Silikonschläuche (3MTM ESPETM MDI Block Out Shim) über die Implantate gezogen und die Retentionseinsätze danach auf den Kugelkopf des Implantates gesetzt. Wichtig ist es, den spannungsfreien Sitz der Retentionseinsätze zu überprüfen. Diese müssen trotz der Silikonschläuche leicht drehbar sein. Es folgte das vorsichtige Einsetzen der Prothese in den Mund des Patienten. Um die Prothese in die gewünschte Position zu bringen und dort zu halten, wurde der Patient gebeten, leicht zusammenzubeißen und einige Minuten im gewohnten Schlussbiss zu verweilen, bis das Polymerisat vollständig ausgehärtet war. Anschließend wurde die Prothese inklusive der eingebetteten Metallgehäuse entnommen (Abb. 16), die Block Out Shims entfernt und die Prothesenbasis im Bereich der einpolymerisierten Retentionseinsätze ausgearbeitet. Aufgrund der erreichten Primärstabilität der Implantate sowie der stoßdämpfenden Wirkung der O-Ringe, welche die mechanische Belastung reduzieren, konnte der Patient die Prothese gleich einsetzen (Abb. 17). Dies ist auch deshalb möglich, da die Prothese weiterhin auf dem Weichgewebe aufliegt, also schleimhautgetragen, aber implantatfixiert ist und intrusive axiale Kaukräfte nicht auf die Implantate geleitet werden (Abb. 18). Die fertiggestellte Prothese zeichnet sich
durch einen guten Sitz aus. Der Patient war mit seiner neuen Versorgung sehr zufrieden. Die Abbildungen 19 und 20 zeigen die Prothese und die intraorale Situation neun Monate nach dem Eingriff.

Fazit
Die Verbesserung des Haltes und der Lagestabilität von Vollprothesen ist ein Wunsch, der bei einer wachsenden Zahl von zahnlosen Patienten immer häufiger besteht. Während der Einsatz konventioneller Implantate für diesen Zweck insbesondere bei Patienten mit geringem Knochenvolumen und allgemeinmedizinischen Erkrankungen kontraindiziert bzw. mit hohem finanziellen Aufwand verbunden ist, können Mini-Implantate auch in diesen Fällen meist minimalinvasiv inseriert werden. Dadurch werden nicht nur die Kosten für die Behandlung reduziert, sondern auch der Stress des Patienten minimiert. Die Zufriedenheit des Patienten ist deshalb bei gleichwertigem Effekt – einer Prothese mit erheblich verbessertem Tragekomfort – in vielen Fällen sogar größer als bei der Insertion von Implantaten mit Standard-Durchmesser.

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