Implantologie 06.11.2012

Mini-Implantate – die Lösung für ­anamnestisch vorbelastete Patienten



Mini-Implantate – die Lösung für ­anamnestisch vorbelastete Patienten

Die Insertion von Mini-Implantaten für die Prothesenfixierung ist eine alternative Behandlungsmethode für die Implantattherapie im zahnlosen Unterkiefer mit ungünstigen anatomischen Verhältnissen. Anhand eines Patientenfalles wird das klinische Vorgehen bei der Planung und Insertion der Implantate sowie Fixierung der Prothese beschrieben.

Im zahnlosen Unterkiefer mit ungünstigen anatomischen Verhältnissen, d.h. schwerem horizontalen oder vertikalen Knochenabbau, ist eine Implantattherapie in der Regel kontraindiziert oder würde eine ­umfangreiche Augmentation erfordern. Jedoch leiden auch diese Patienten häufig unter Problemen, die durch ihre Vollprothese verursacht werden, da z.B. kein ausreichender Halt gegeben ist. Dies kann zu Unannehmlichkeiten beispielsweise während des Sprechens oder der Nahrungsaufnahme führen. An der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Bern in der Schweiz wurden wir 2009 auf eine alternative Behandlungs­option aufmerksam: Die Insertion von Mini-Implantaten mit einem Durchmesser von 1,8 bis 2,4 mm für die Prothesenfixierung.

Fallbeschreibung

Eine 82-jährige Nichtraucherin mit einem guten allgemeinen Gesundheitszustand klagte über regelmäßige Druckstellen und unzureichenden Halt ihrer Unterkieferprothese während des Kauens. Zwei Versuche, Implantate mit konventionellem Durchmesser zu inserieren, waren bereits fehlgeschlagen. Deshalb wurde entschieden, vier 3M™ ESPE™ Mini-Dental-Implantate einzu­setzen. Zunächst wurde eine Röntgenaufnahme angefertigt, um die Platz­verhältnisse zu analysieren (Abb. 1). Auf Basis dieser Daten wur-den einteilige Implantate mit einem Durchmesser von 1,8mm und 15mm Länge sowie einem Kugelkopf für die Verankerung der Prothese ausgewählt. Anschließend wurden mit 1,1-mm-­Bohrern Pilotbohrungen vorgenommen. Dieser Bohrerdurchmesser ist ­ausreichend, da die Implantate ein selbstschneidendes Design aufweisen. Die Kondensation und Kompression des Knochens, die bei der Insertion entsteht, ist wichtig für die Primärstabilität der Implantate. Mit den Bohrern wurde anschließend die parallele Position der Bohrlöcher überprüft (Abb. 2). Es folgte die Insertion der Mini-Implantate und eine Abformung mit der bestehenden Prothese, um die Implantatpositionen auf deren Basis zu markieren (Abb. 3 und 4). Daraufhin wurde erneut eine Röntgenaufnahme angefertigt, um die Impantatpositionen zu überprüfen. Die Matrizen wurden zudem in die Prothesenbasis einpolymerisiert. Die Implantate wurden sofort belastet. Dies war dank einer ausreichenden Primärstabilität sowie der Tatsache möglich, dass die Prothese auch vom Weichgewebe getragen wird. In regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wurden gesunde Weichgewebeverhältnisse festgestellt (Abb. 5). Auf der Röntgenaufnahme nach zwölf Monaten zeigte sich keinerlei periimplantärer Knochenabbau (Abb. 6a und b).

Forschung mit MDI

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit Mini-Dental-Implantaten wurde 2011 eine Studie initiiert. Ziel war es, herauszufinden, wie die MDI sich im klinischen Einsatz bewähren. Zudem wurde das Verschleißverhalten der Kugelköpfe und Matrizen untersucht sowie Daten zum periimplantären Knochenabbau und der Zufriedenheit der Patienten erhoben. 80 MDI wurden zur Prothesen­fixierung im Unterkiefer von 20 Patienten (jeweils vier Implantate) inseriert. Entgegengesetzt dem ersten Eindruck, dass die kleinen Implantate durch Belastung brechen könnten, sind die vorläufigen Ergebnisse sehr überzeugend: Im letzten Jahr versagte keines. Einziger Zwischenfall während der beschriebenen Untersuchung – die Fraktur einer Prothese – lässt sich durch Einpolymerisieren eines Metallbandes in die Prothesenbasis leicht vermeiden. Die Studie wird erst 2013 abgeschlossen sein, sodass definitive Rückschlüsse noch nicht möglich sind. Jedoch zeichnet sich ab, dass MDI insbesondere bei anamnestisch vorbelasteten Patienten oder solchen mit anatomisch ungünstigen Kieferverhältnissen sinnvoll sind. Die Patienten sind in der Regel mit dem Ablauf und dem Ergebnis der Behandlung sehr ­zufrieden, da der Halt der Prothese und somit die Kaufunktion erheblich ­verbessert wurde. Aufgrund des meist minimalinvasiven Eingriffs wurde nur über sehr geringe postoperative Beschwerden berichtet.

Weitere Forschungsprojekte

Um weitere Informationen zum klinischen Einsatz von Mini-Dental-Implantaten zu erhalten, wäre es interessant, das erforderliche Eindrehmoment und seinen Einfluss auf die Sofortbelastung zu untersuchen. Derzeit empfiehlt 3M ESPE eine Sofortbelastung nur dann, wenn ein Eindrehmoment von 35Ncm erreicht wurde. Eine interessante Fragestellung wäre, ob ein niedrigeres Drehmoment – beispielsweise 25Ncm – ebenfalls zu einer ausreichenden Primärstabilität führen würde, um eine erfolgreiche Belastung direkt nach Implantatinsertion sicherzustellen.

Schlussfolgerung

Mini-Dental-Implantate werden in unserer Klinik erst seit kurzer Zeit bei zahnlosen Patienten eingesetzt. Obwohl bislang nur wenige Langzeit-Studienergebnisse verfügbar sind, zeigen erste Erfahrungen, dass die Implantate mit reduziertem Durchmesser in vielen Fällen eine geeignete Lösung darstellen. Anamnestisch vorbelastete Patienten sowie jene, die über ein ­unzureichendes Knochenangebot verfügen und mit einem umfangreichen Knochenaufbau nicht einverstanden sind bzw. bei denen ein zu großes Risiko mit diesem verbunden wäre, erhalten das Angebot einer alternativen Behandlungsoption zu interforaminalen Implantaten mit Standarddurchmesser.

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