Implantologie 22.04.2013

Minimalinvasive Implantologie – Ein Überblick und Erfahrungsbericht



Minimalinvasive Implantologie – Ein Überblick und Erfahrungsbericht

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Der Begriff „Minimalinvasive Implantologie“ impliziert neben dem Einsatz durchmesserreduzierter, einteiliger Schraubenimplantate mit selbstschneidendem Gewinde, eine Vielzahl von Methoden und chirurgischen Techniken, die das Ziel haben, ein optimales funktionelles und ästhetisches Ergebnis möglichst schonend, schmerzarm und mit wenig Einschränkungen für das tägliche Leben des Patienten zu erreichen. Der nachstehende Beitrag soll auf der Basis eigener Erfahrungen einen Überblick sowie eine Kommentierung unterschiedlicher Vorgehensweisen geben.

Patienten erwarten heute auch bei implantatgestützten Rekonstruktionen, insbesondere im Frontzahnbereich, ein Höchstmaß von Ästhetik und Funktion. Darüber hinaus soll die Behandlung möglichst schmerzfrei und ohne größere Einschränkungen für das beruf­liche sowie private Leben sein. Dies umso mehr, in dem Patienten über die Medien mit Termini wie Sofortimplantation, Sofortversorgung, Sofortbelastung oder auch minimalinvasiven Operationstechniken konfrontiert werden. Gerade die minimalinvasiven Operationstechniken werden auch im Bereich der allgemeinen Chirurgie, wie bei Gallenblasenoperationen, endoskopischen Operationen im HNO-Bereich oder der modernen Orthopädie und Sportmedizin mit Gelenkarthroskopien und -behandlungen propagiert. Diese Erwartungen sind je nach Ausgangslage für den Zahnarzt nicht immer ganz so einfach erfüllbar.

Nihil nocere

Jeder Arzt und Zahnarzt sollte sich auf den hippokratischen Eid besinnen, der als oberstes Gebot fordert: Primum nihil nocere (vor allem nicht schaden)! So muss ein Grundprinzip unserer Behandlungsweise darin bestehen, dem Patienten einen größtmöglichen medizinischen Nutzen zu bringen, ohne ihn jedoch unnötig zu verletzen oder seine bereits vorhandene Situation zu verschlechtern. Nicht nur für eine Sofortversorgung verbunden mit Sofortbelastung, sondern für alle unsere Behandlungen werden grundsätzliche diagnostische und therapeutische Standards vorausgesetzt. Neben Allgemeinerkrankungen, Medikationen und der Zahn-Mund-Hygiene des Patienten spielt bei Implantationen, neben der Beurteilung der parodontalen und ästhetischen Ausgangssituation, auch die Einschätzung des künftigen Implantatlagers als Grundlage für die Behandlungsentscheidung und damit für die Festlegung des Therapiekonzeptes, eine entscheidende Rolle. Ziel ist es, die implantatgetragene Restauration in Harmonie mit der benachbarten Restbezahnung herzustellen (van Steenberghe 1988). Bei richtiger und umfangreicher Beratung des Patienten kommt es außerdem zu einer realistischen Erwartungshaltung für das endgültige Ergebnis, die Zahl der dafür notwendigen Eingriffe und die Gesamtdauer der Behandlung. In diesem Kontext können auch Optionen zur Reduzierung der Behandlungszeit erörtert werden.

 

Minimalinvasive Implantologie im engeren Sinne

Während bei der herkömmlichen Behandlung das Implantat durch einen Schnitt und eine Zugangslappenbildung mit Darstellung des Processus alveolaris eingesetzt wird, sieht die minimalinvasive Implantologie vor, das Implantat durch eine kleine, direkte Bohrung durch das Zahnfleisch oder durch eine Gingivaeröffnung mittels Schleimhautstanze einzubringen. Da hierbei der zu behandelnde Bereich nicht komplett freigelegt wird, ist für die minimalinvasive Implantologie in den meisten Fällen eine 3-D-Diagnostik notwendig, um exakte Kenntnisse über die subgingivalen anatomischen Verhältnisse zu erlangen und die optimale Implantatposition zu bestimmen (Jacobs et al. 1999). Eine Ausnahme wird oft für sogenannte Mini-Implantate angegeben, für die in der Regel ein offensichtlich ­gutes Knochenangebot ausreichend ist. Minimalinvasive Verfahren haben für den Patienten vor allem den Vorteil, dass die Behandlung schneller und schmerzfreier gestaltet werden kann. Entzündungen, postoperative Schwellungen und Wundschmerzen sind deutlich geringer als bei der herkömmlichen Behandlung (Fortin et al. 2006). Darüber hinaus ist eine deutlich schnellere Versorgung mit dem endgültigen Zahnersatz möglich. Allerdings sind auch einige Nachteile bzw. Einschränkungen zu nennen. Durch den technischen Aufwand und die 3-D-Diagnostik (Hämmerle et al. 2008, Jacobs 1999) ist die Behandlung in der Regel teurer als bei der herkömmlichen Methode und wird nicht von allen Implantologen angeboten. Auch die erhöhte Röntgenstrahlenbelastung der 3-D-Verfahren im Vergleich zu ­einem mit Digitaltechnik erzeugten Orthopantomogramm muss im Rahmen der „zu rechtfertigenden Indikation“ bedacht werden. Lediglich beim sogenannten MIMI-Verfahren, bei dem einteilige, durchmesserreduzierte Implantate eingesetzt werden, ist eine Kosten­reduktion möglich. Sclar beschrieb 2007 Vorgehen und Vorteile der sogenannten „Flapless Surgery“.

Da in vielen Veröffentlichungen und Fallbeschreibungen im Hinblick auf die minimalinvasiven Verfahren in der Implantologie vorzugsweise über patientenfreundliche Versorgungen mit einphasigen sofortbelastbaren Schrauben- oder Kugelkopfimplantaten berichtet wurde (Bauer-Küchle und Bauer 2004, Glauser et al. 2005), sollen an dieser Stelle die Überlegungen auch auf darüber hinausgehende minimalinvasive Behandlungstechniken ausdehnt werden. Dabei gilt es nicht dogmatisch zu handeln, sondern die für den jeweiligen Patientenfall möglichst optimale minimalinvasive Vorgehensweise auszuwählen. Prinzipiell kann die mini­malinvasive Implantologie im engeren Sinne nur bei ausreichendem ortsständigem Knochenangebot an­gewandt werden.

Minimalinvasive Implantologie im weiteren Sinne

Fast jeder Implantologe ist bestrebt, mit möglichst wenig chirurgischem Aufwand die anatomischen Strukturen zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Die Kunst des Implantierens beinhaltet dabei mehr als die reine Os­seointegration. Es geht auch um die ästhetische Gestaltung der implantatprothetischen Rekonstruktionen in einem gesunden Weich- und Hartgewebeumfeld sowie das effiziente und patientenorientierte Vorgehen. Werden chirurgische, prothetische und zahntechnische Leistungen gut koordiniert, wird das Ergebnis eine gelungene implantatprothetische Versorgung sein. Teamarbeit hat in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung. Grundlegendes Ziel ist die Patientenzufriedenheit und ein möglichst langer und gesunder Erhalt des inserierten Implantates (Adell et al. 1981). Eine präzise präoperative Planung im Sinne des prothetischen Ziels (Backward Planning) und ein geeignetes Implantat- und Chirurgiesystem bilden die Grundlage (Güthet al. 2012, Hahn 2013, Hopp und Biffar 2012, Schaefer et al. 2012). Die Interaktion der Behandlungspartner ist hierfür ein wichtiger Aspekt. Zudem bieten die digitalen Möglichkeiten hervorragende Grundlagen von der Vorplanung bis zur endgültigen Prothetik (Fangman 2012, Schäfer et al 2013).

Navigierte Implantologie und „Flappless Surgery“ – die Vorteile dieses Vorgehens sind hinlänglich bekannt (Sclar 2007, Hämmerle et al. 2008, Brodala 2009, Fangmann 2012, Hahn 2012, Schäfer et al. 2012). Aber findet man mit der Navigation immer auf effizienteste Weise das Ziel? Ist in einigen Indikationen der konventionelle Weg nicht doch die bessere oder zumindest eine gleichwertige, aber weniger aufwendige Alternative? Oder kann ein Teil des Weges navigiert und das letzte Stück auf herkömmliche Weise zurückgelegt werden?

Entgegen einiger, häufig wirtschaftlich geprägter Aussagen, ist die Navigationsschablone unserer Ansicht nach nicht immer das Mittel der Wahl, um ein besseres Gesamtergebnis zu erreichen. Werden Implantate „blind“ und ohne chirurgische Vorkenntnisse gesetzt, kann auch das „Bohren“ mit einer vorgefertigten Schablone fatal enden. Beim geschulten und erfahrenen Anwender hingegen, liegen in der richtigen Indikation die Vorteile auf der Hand. In der modernen Implantologie wird die Schablone zur „Kür“ – die freie Wahl für das patientenindividuell optimale Vorgehen ist ein relevantes sowie überzeugendes und am Ende auch effektives Kriterium (Schnutenhaus 2012). Dabei stellt sich allerdings wie bei der Präparation der Implantatkavität, die beim Einsatz der Bohrschablonentechnik ohne Lappenbildung schwierig zu realisieren und zu kontrollieren ist, die Frage nach der optimalen Kühlung des Knochens (Abb. 3).

Jeder Patientenfall ist anders, und so müssen die entsprechenden Therapiewege fallspezifisch und patientenindividuell entschieden werden, um sowohl während der Planungsphase als auch während der Behandlung flexibel bleiben zu können. Es kann relativ häufig vorkommen, dass man nach einer sparsamen Eröffnung und schonender Mukoperiostlappenbildung die Schnittführung erweitern muss, um sich die tatsächlich vorhandenen anatomischen Gegebenheiten darzustellen. Die Versorgung im atrophierten Oberkieferfrontzahngebiet wird bei der Planung oft falsch eingeschätzt oder die Schwierigkeiten unterschätzt, weshalb hier dringend zur Nutzung von Bohr- oder zumindest ­Orientierungsschablonen zur raten ist (Abb. 1–8). In der Literatur wird im Hinblick auf die Nutzung von Bohrschablonen auch häufig von größeren Abweichungen gegenüber der ­geplanten Implantatposition berichtet. Nur wenn die Schablone exakt von den Planungsdaten ausgehend die Modellsituation und CAD-Simulation auf die orale Patientensituation übertragen kann, ist es ein optimales Werkzeug, um schnell und sicher hochwertige Versorgungen zu realisieren (Hahn 2012, Schäfer et al.2013). Sollten die tatsächlich während der OP vorgefundenen anatomischen Verhältnisse von der Erwartung während der Planung abweichen, dann kann eine Bohrschablone lediglich noch als Orientierungsschablone gesehen und als solche genutzt werden.

Die Natur lässt sich nicht überlisten

Von einigen Herstellern, aber auch Anwendern, werden die einteiligen, schraubenförmigen Kugelkopfimplantate als sofortbelastbare Behandlungsmöglichkeit angesehen. Dies mag im Einzelfall auch so sein, aber grundsätzlich sollte vor jeder Therapie die exakte Beurteilung der Knochenqualität/-quantität erfolgen und ein Ausschluss bzw. eine Beseitigung von parafunktionellen Patientenaktivitäten erfolgen. Die natürliche Knochenheilung und Wundheilungskaskade, welche von Abrahamson et al. 2004 und Schüpbach et al. 2005 beschrieben wurden, benötigt ihre von der Natur vorgegebene Zeit und wird in den nachfolgend aufgeführten Schritten beschrieben:

a) Ausbildung eines Blutkoagulums/Fibrinnetzes entlang der Wund-/Implantatoberfläche
b) Osteoklasten resorbieren nekrotische Gewebeanteile und bauen das Fibrinnetz ab
c) Prä-Osteoblasten besiedeln durch aktive Lokomotion die Implantatoberfläche sowie die Osteotomiefläche
d) Prä-Osteoblasten differenzieren in Osteoblasten und lagern unverkalkte Grundsubstanz (Osteoid) ab
e) Osteoid mineralisiert durch Einlagerung von Kalzium und Phosphat und wird zum Geflechtknochen (zunächst unreifer        Knochen, woven bone)
f) Geflechtknochen wird durch Umbauvorgänge und unter funktioneller Krafteinleitung im Implantatbereich in laminären Knochen umgewandelt

Diese zellbiologischen und mikrobiologischen Umbauvorgänge benötigen Zeit. Die Geschwindigkeit der Knochenneubildung am Implantat ist abhängig von den biophysiologischen Verhältnissen des Empfängers und den physikalischen Eigenschaften des Implantates. Durch das Trauma der Implantatpositionierung wird ­unmittelbar die oben beschriebene Wundheilungs­kaskade ausgelöst. Im Bereich des Knochens schließt das Stützgewebe im Idealfall jeglichen verbleibenden Spalt/Hohlraum zum Implantatkörper hin, was schließlich zu einer dichten Ummantelung und Stabilität des Implantates führt (Osseointegration). Auf Schleimhautniveau löst die Unterbrechung des Integumentes durch das Implantat respektive durch dessen transmukosale Verlängerung die Ausbildung einer Weichgewebebarriere (Weichgewebeintegration) aus (Glauser et al. 2005 und Schüpbach 2006).

In den letzten 40 Jahren haben wir viel über die Reaktionen der periimplantären Gewebestrukturen gelernt (Buser et al. 1990, Wennström et al. 1994, Warrer et al. 1995). Wir dürfen uns jedoch nicht in dem Glauben wiegen, dass wir für alle Befunde über ein Patentrezept verfügen. Das ist weder bei jungen Patienten mit einfachen Schaltlücken noch bei zahnlosen hochbetagten Patienten mit schweren Knochenresorptionen der Fall. In der klinischen Praxis gibt es keine Allheilmittel. ­Ungeachtet dieser kritischen Anmerkungen kann die ­Sofortbelastung eine vielversprechende Behandlungsform sein, wenn die chirurgischen und prothetischen Methoden entsprechend genau angewendet und Torsionskräfte an den einzelnen Primärteilen vermieden werden (Jaffin et al. 2004, Portmann und Glauser 2006). Auch ich habe in 20 Jahren nie ein Implantat ­verloren, welches in eine Stegversorgung mit vier interforaminal gesetzten Implantaten eingebunden war (Abb. 2–8). Hier kommen u.a. die Vorzüge eines hoch technisch ausgerüsteten Praxislabors zur Geltung. Denn nur so kann innerhalb ­eines Arbeitstages mit der Implantatinsertion am ­Morgen, der unmittelbar nachfolgenden Abformung und der laserunterstützten Stegherstellung bereits am Abend die Stegversorgung mit der entsprechenden Deckprothese eingegliedert werden (Abb. 6 und 8). Aber auch hier gilt das Grundprinzip: Je gewebeschonender der Eingriff, desto unkomplizierter die Wundheilung.

Implantation nach der Extraktion

Jeder Zahnarzt wird ab und zu mit der Situation konfrontiert, dass einzelne Zähne wegen parodontaler oder endodontischer Probleme, vertikaler Kronen-Wurzel-Frakturen oder ausgedehnter subgingivaler kariöser Läsionen extrahiert werden müssen. In diesen Fällen kann möglicherweise gleich nach der Extraktion die Implantation mit, besser jedoch ohne Sofortbelastung durchgeführt werden (Sclar 1999).

Folgendes Prozedere hat sich klinisch bewährt: Im Sulkusbereich des zu extrahierenden Zahns erfolgt eine Inzision mit Mikroskalpell. Danach werden die Sharpey’schen Fasern mittels graziler Desmotome gelöst. Bei der Extraktion selbst ist Sorgfalt geboten. Am besten sollte sie noch vor der Lappenbildung erfolgen, um das Risiko einer bukkalen Kortikalisfraktur zu reduzieren. Nach erfolgter Extraktion und Darstellung des Alveolarfortsatzes wird die Alveole sorgfältig kürettiert. Dabei müssen alle Geweberückstände, die sonst die Osseointegration gefährden und zu Infektionen führen könnten, restlos beseitigt werden.

Anstelle von scharfen Löffeln eignet sich auch ein Er:YAG-Laser zum Säubern der leeren Alveole und für die Vorbereitung des Implantatbettes. Wir erreichen dadurch selbst bei akuten Entzündungen im Vorfeld eine überdurchschnittlich gute Knochenregeneration (Abb. 10). Wenn eine angemessene Primärstabilität des Implantats mit Erhaltung der Kortikalis und minimalem Knochenverlust erreicht werden kann, ist die Prognose auch bei Sofortbelastung günstig. Wenn hingegen ein Defekt entlang der Kortikalis besteht oder der trabekuläre Knochen von einem großen Defekt betroffen ist, kann sich eine Implantation mit Sofortbelastung schwieriger gestalten. In diesem Fall können komplexe Eingriffe erforderlich sein, oder eine einseitige Regeneration und Implantation ist überhaupt kontraindiziert. Dann müssen unbedingt die anerkannten Verfahren von Socket oder Ridge Preservation zur ­Anwendung kommen (Liebaug 2012).

Die Wahl zwischen einer gedeckten und offenen Implantateinheilung

Die Entscheidung, eine offene oder gedeckte Implan­tatinsertion durchzuführen, kann auch anhand der bislang veröffentlichten Studienresultate nicht eindeutig getroffen werden. Daher sollte der Behandler die klinischen und „theoretischen“ biologischen Vor- oder Nachteile, die jeder Therapieansatz mit sich bringen könnte, in seiner spezifischen Patientensituation berücksichtigen (Sclar 2004).

Die Evolution des Implantatdesigns von einem zweiteiligen System mit separatem intraossären und transmukösen Anteil zu einem einteiligen System, in dem intraossäre und transmuköse Komponenten eine einzige Einheit darstellen, hat das Interesse zur Anwendung der offenen Implantateinheilung geweckt (Buser et al. 1990, Nkenke et al. 2007). Der bedeutends­te Vorteil einer offenen Implantateinheilung ist, dass dieser Ansatz ausreichend Zeit für die Reifung der Weichgewebeintegration vor Beginn der prothetischen Arbeit bietet. Das ermöglicht eine Stabilisierung des Saumepithels und der Abmessung des Sulkus während der Integrationsphasen des Hart- und Weichgewebes.

Darüber hinaus macht es die offene Einheilung un­nötig, bei der Implantatfreilegung oder bei gelegentlichen weichteilverbessernden Maßnahmen erneut die ausgereiften periimplantären Weichgewebe zu zertrennen, und bietet damit eine prothetikfreundliche Umgebung und verbessert die Langzeitprognose der Restauration (Sclar 2004). Weil die offene Implantateinheilung weniger operative Eingriffe erfordert, bleibt die Blutversorgung des Gebiets erhalten, ­Behandlungszeit und Unannehmlichkeiten für den Patienten werden reduziert und die Akzeptanz des ­Patienten ist verbessert.

Kriterien für ein optimales Lappendesign

Wenn man mukoperiostale Lappen für den Einsatz in der Implantologie entwirft, müssen verschieden wichtige Kriterien beachtet werden: Der Lappen sollte so entworfen werden, dass sowohl die Blutzirkulation zur Implantat­region als auch die umgebende Topografie des Alveolarkamms und der Umschlagfalte erhalten werden. Wenn das nicht gelingt, kann und wird eine erhöhte Rate an Wunddehiszenzen wegen eingeschränkter Blutzirkulation zu den Lappenrändern auftreten. Das Lappendesign sollte wichtige anatomische Details (z.B. Knochenkonkavitäten), die Position und Winkelstellung benachbarter Zahnwurzeln und den Ort der Kieferhöhle und des Nervus mentalis darstellen, während er gleichzeitig genug Zugang für das Implantationsinstrumentarium und die Benutzung von Bohrschablonen lässt. Wann immer es möglich ist, sollte ein Lappen entworfen werden, welcher bei Bedarf erweiterungsfähig ist und einen gleichzeitigen Zugang zur Gewinnung von lokalen Knochentransplantaten bietet. Damit kann die Eröffnung eines zweiten Operationsgebietes vermieden werden, falls autologer Knochen gebraucht wird, um z.B. unerwartete Knochendefekte zu versorgen. Zur Minimierung bakterieller Kontaminationen, sollte zusätzlich das Lappendesign den Wundverschluss in angemessenem Abstand von den augmentierten Arealen ermöglichen. Bei der Freilegung eines geschlossen einheilenden Implantats oder bei der Insertion eines offen einheilenden Implantats sollte der Lappen so entworfen werden, dass eine umfassende Adaptation der befestigten Weichgewebe um die transmukosalen Implantatstrukturen erleichtert wird. Dieses Vorgehen wird die anatomischen Komponenten (Epithel und Binde­gewebe) für die Bildung einer stabilen periimplantären Weichgewebeumgebung während der Weichteilintegrationsperiode bereitstellen und den darunter liegenden Alveolarknochen schützen. Für praktische Zwecke sollte ein Lappen zum Gebrauch in der Implantologie immer so entworfen werden, dass er die Präparation, das Halten mit dem Wundhaken, die Reposition und einen spannungsfreien Wundverschluss am Operationsort erleichtert.

Richtlinien für das Design mukoperiostaler Lappen in der Implantatbehandlung:

  • Erhaltung der Blutversorgung
  • Erhaltung der Topografie des Alveolarfortsatzes und der Umschlagfalte
  • Identifikation wichtiger anatomischer Strukturen erleichtern
  • Ausreichender Zugang für die Implantationsinstrumente und die chirurgischen Bohrschablonen
  • Erweiterungsmöglichkeiten der Schnittführung, um Zugang zur Hebung lokaler Knochentransplantate zu ermöglichen
  • Der Wundverschluss sollte nicht direkt über den Implantaten oder Gewebeaugmentationen liegen
  • Minimieren der bakteriellen Kontamination schon vor oder während der Lappenbildung unter Umständen durch Lasereinsatz
  • Zirkumferenter und spannungsfreier Wundverschluss um die transmukösen Implantatanteile

Implantatbettvorbereitung und Pilotbohrung mit Er:YAG-Laser

Anhand klinischer Fälle berichteten wir bereits in vorangegangenen Veröffentlichungen (Liebaug, Wu 2012), dass die Beherrschung der Infektion in der Alveole unmittelbar nach der Zahnentfernung entscheidend für den weiteren Behandlungsverlauf ist. Hier bietet die klinische Anwendung des Erbium:YAG-Lasers sowohl zur Entfernung von Granulationsgewebe als auch von infiziertem Knochengewebe eine nicht zu unterschätzende Unterstützung und hilft, eine therapeutische Lücke zu schließen (Abb. 16–21). Da Bohr- oder Kratzgeräusche sowie Vibrationen, welche von den betroffenen Patienten über die Knochenleitung oft als äußerst unangenehm beschrieben werden, fehlen, wird dieses alternative Procedere vom Patienten beinah als angenehm empfunden. Zusätzlich wird für den Erfolg ein speicheldichter primärer Wundverschluss der augmentierten Extraktionsalveole empfohlen (Stimmelmayr et al. 2009 und Terheyden und Iglhaut et al. 2006). Obwohl wir in unserer Praxis auch vor der laserunterstützten Therapievariante nur eine minimale Misserfolgsrate bei der Guided Bone Regeneration-Technik (GBR) bzw. klinisch verzögerte Wundheilung hatten, waren wir bestrebt die klinischen Ergebnisse weiter zu optimieren. Aufgrund der guten Erfahrungen der knöchernen Wundheilung nach Verwendung des Erbium:YAG-Lasers bei Osteotomien oder Wurzelspitzenresektionen mit stark infizierten Knochenarealen und noch während der Operation auftretender Pusentleerungen erschien der Einsatz des Erbium:YAG-Lasers als sinnvolle und Erfolg versprechende Erweiterung der konventionellen Therapie (Liebaug 2013). Die bisher klinisch dokumentierten Ergebnisse der laserunterstützten Socket oder Ridge Preservation-Technik sind für uns überzeugend und verbessern die ohnehin günstigen Erfolgsaussichten nochmals zusätzlich (Abb. 22–25).

Modifiziertes Implantatdesign für abgeschrägte Kieferkammregionen

Insbesondere für ästhetische Versorgungen im anterioren Oberkiefer werden wurzelförmige Implantate mit möglichst zahnanalogen Durchmessern benötigt, da das apikale Platzangebot oft reduziert ist. Durch einen ausreichend weiten Durchmesser im krestalen Bereich wird ein zahnanaloges Profil ermöglicht. So wird das vorhandene Knochenangebot optimal ausgenutzt. Allerdings zeigt sich gerade nach parodontalen Vorerkrankungen oder lange zurückliegenden Zahnextraktionen für den Behandler immer wieder das Bild eines nach vestibulär abgeschrägten Processus alveolaris. Für eine ästhetische, zahnanaloge Rekonstruktion mit Implantaten ist ein Erhalt des periimplantären Knochenniveaus extrem wichtig. Nur so kann das periimplantäre Weichgewebe eine ausreichende knöcherne Abstützung erhalten und ein Kollabieren der Gingiva in den durch fehlenden Knochen entstandenen Defekt verhindert werden. Nach dem Vorbild der Natur anatomisch geformte Implantate wie z.B. das OsseoSpeed TX Profile Implantat (Abb. 26) sollen gerade bei einem schräg atrophierten Kieferkamm den marginalen Knochen sowohl vestibulär als auch oral, d.h. zirkulär um das Implantat erhalten (Abb. 27 und 33). Zusätzliche Augmentationen oder autologe Knochentransplantationen, welche für den Patienten einen invasiven Zweiteingriff darstellen, können so vermieden werden (Liebaug und Wu 2012).

Fazit

Die minimalinvasive Implantologie verdient ihren Platz im gegenwärtigen Behandlungsalltag. Sie zählt zu den elementaren Wünschen unserer aufgeklärten Patienten. Allerdings ist es beinahe eine philosophische Betrachtungsweise, ob es sich bei der jeweiligen Behandlung, die man dem Patienten angedeihen lässt, um eine für diesen individuellen Einzelfall schonende und nicht über das gebotene Maß hinausgehende Therapie- oder Operationsmethode handelt. Die in diesem Übersichtsartikel genannten und teilweise beschriebenen Verfahren können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, tragen aber nach meiner über zwanzigjährigen Berufserfahrung zu einem klinisch günstigen Behandlungsergebnis mit guter Langzeitprognose bei. Wir dürfen nicht vergessen: Der Patient möchte per se keine Implantate, sondern schöne Zähne, mit denen er bis ins hohe Alter unbeschwert lächeln und essen kann. Unsere Aufgabe besteht darin, das Behandlungsziel und die subjektiven Wünsche der Patienten so minimalinvasiv wie nur möglich zu realisieren.

Die vollständige Literaturliste finden Sie hier.

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