Endodontologie 02.06.2014
Die wegweisende biokeramische Obturations-Technologie
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Seit Jahren wünschen sich Zahnärzte das ideale Wurzelkanalfüllungs- und Reparaturmaterial. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Zahnheilkunde verlangt die Endodontie Füllungen und Reparaturmaterial, die Feuchtigkeit vertragen, antibakteriell wirken und gleichzeitig hochgradig biokompatibel sind. In den USA ist mit der EndoSequence® Linie ein solches System bereits seit einigen Jahren auf dem Markt, dieses wird jetzt exklusiv von Henry Schein Dental auch in Deutschland vertrieben.
Der Begriff „Biokeramik“ bezieht sich auf biokompatible Keramikmaterialien für biomedizinische oder dentale Anwendungen. Bereits in den 1970er-Jahren begann die systematische Erforschung der Verwendung von Keramik in biomedizinischen Anwendungen. In den vergangenen 40 Jahren hat sich der Einsatz einer Vielzahl von keramischen Materialien in der Biomedizin deutlich erhöht (Kokubo, 2008). Das ursprünglich in der Endodontie verwendete biokeramische Material war Mineral Trioxid Aggregat (MTA) (Torabinejad, 1995). Das einzige, was das große Potenzial des Materials überschattete, waren jedoch seine mangelhaften klinischen Verarbeitungseigenschaften, die aus seiner großen Partikelgröße und der Pulver/Wasser-Mischformel resultierten. Dies begrenzte die Anwendung von MTA auf chirurgische Wurzelbehandlungen und Apektomien. Aus diesem Grund war das Aufsehen entsprechend groß, als die neuen auf Kalziumsilikat und Kalziumphosphat basierenden biokeramischen EndoSequence-Produkte für die Endodontie vorgestellt wurden: der EndoSequence® BC Sealer, das EndoSequence® Root Repair Material (Wurzelreparaturmaterial) und die EndoSequence® BC Guttapercha-Pellets (BUSA). Denn auch schon deren biokeramische Vorgänger-Materialien hatten im Laufe der Zeit bereits beachtliche klinische Erfolge feiern können. Dennoch ist man sich darüber einig, dass die Einschränkungen der frühen Biokeramik-Generation klar in ihren Handhabungseigenschaften und ihrer mangelnden Benutzerfreundlichkeit lagen. Mit dem neuen EndoSequence® BC Sealer und dem Wurzelreparaturmaterial (EndoSequence® RRM Paste & Knetmasse) ist man diesen Herausforderungen nun gerecht geworden.
Ein Artikel aus dem Jahr 2009 zeigt die vielen Vorteile des biokeramischen Sealers und Wurzelreparaturmaterials sowohl in der chirurgischen als auch in der nichtchirurgischen Endodontie klar auf (Koch, Brave, 2009). Die Vorteile sind derart signifikant, dass der EndoSequence® BC-Sealer heute ein wesentlicher Bestandteil des EndoSequence® Instrumenten- und Obturationssystems ist und sich gemeinsam mit dem neuen Wurzelreparaturmaterial zu einem festen Bestandteil der chirurgischen Endodontie entwickelt hat.
Dies ist eine natürliche Weiterentwicklung angesichts der außergewöhnlichen Biokompatibilität (Zhang et al. 2010, Jingzhi et al. 2011) und Formbeständigkeit dieser besonderen Biokeramik, die nach ihrem Einsatz nicht schrumpft und demzufolge nichtresorbierbar im Wurzelkanal und der retrograden Präparation verbleibt. Außerdem produziert das als Nebenerzeugnis bei der Aushärtungsreaktion entstehende Kalziumhydroxid einen sehr hohen pH-Wert (12,8) und verleiht dem Material so während seiner Abbindezeit eine antibak- terielle Wirkung (Levato et al. 2011) – der pH-Wert sinkt in den folgenden sieben Tagen wieder – (Zhan et al. 2009). Dies ist für einen Zement eine wichtige physikalische Eigenschaft, insbesondere, wenn er als Sealer in der Endodontie verwendet wird (Torabinejad, Hong, McDonald, Pitt Ford, 1995).
Zhang et al. zeigten 2009 auf, dass biokeramischer Sealer (iRoot SP) innerhalb eines zweiminütigen Kontakts alle Bakterien abtötete. Die Autoren erklärten weiterhin, dass seine starke antibakterielle Wirkung möglicherweise in der Kombination seines hohen pH-Werts, seiner hydrophilen Natur und seiner aktiven Calciumhydroxid-Diffusion begründet sei. Der biokeramische Sealer selbst härtet in drei bis vier Stunden aus (die Aushärtungsreaktion wird von der in den Dentinkanälchen vorhandenen Feuchtigkeit in Gang gesetzt) und bietet so genügend Zeit für die klinische Verwendung in chirurgischen oder nichtchirurgischen Anwendungen (Koch, Brave, 2009). Zusätzlich macht die direkte Anwendung dieses Materials im Wurzelkanal oder bei der vorherigen Vorbereitung per Spritze (unter Verwendung unterschiedlicher Spitzen verschiedener Durchmesser und Konfigurationen) es überaus effizient für die klinische Verwendung.
Die Falldarstellungen sollen die Verwendung dieses Materials in der klinischen Endodontie demonstrieren und zeigen dabei sowohl nichtchirurgische als auch chirurgische Fälle auf.
Fallbeispiele
Fall 1
Fallbeispiel 1 zeigt Zahn 14 mit irreversibler Pulpitis nach Kompositrestauration. In Abbildung 2 ist die unmittelbare postoperative Röntgenaufnahme unter Verwendung des EndoSequence®-Systems einschließlich BC-Sealer und einer 3 mm dicken Schicht festhaftendem Kernmaterial zur direkten Versiegelung der Wurzelkanalöffnungen dargestellt. In die Öffnung werden Watte und Cavit eingelegt.
Fall 2
Fallbeispiel 2 zeigt Zahn 3 mit einer irreversibler Pulpitis (Abb. 3). Die initiale Ermittlung der Arbeitslänge stellt eine starke mesiale Wurzelkrümmung dar (Abb. 4). In der Röntgenaufnahme während der Obturation finden wir .04-er EndoSequence® Guttapercha-Stifte mit BC-Sealer in allen vier Wurzelkanälen (Abb. 5). Nach der Obturation zeigt die Röntgenaufnahme aus distalem Winkel alle vier Kanäle nach Anwendung des Sealers und der Guttapercha-Stifte. Alle Kanäle sind vollständig gefüllt (Abb. 6).
Fall 3
Bei Fallbeispiel 3 haben wir einen nekrotischen Zahn 3 mit einer großen koronalen Restauration und apikalen Läsionen endodontischen Ursprungs (Abb. 7). Die Röntgenaufnahme der Arbeitslänge identifiziert alle vier Wurzelkanäle (Abb. 8). Abbildung 9 zeigt die Röntgenaufnahme während der Obturation mit (passenden) einzelnen Guttapercha-Stiften und BC-Sealer. Vier Monate nach der Operation haben wir eine Röntgenaufnahme mit Heilung der apikalen Radioluzenzen. Es wurde ein glasfaserverstärkter Wurzelstift eingesetzt (Abb. 10).
Fall 4
Der Patientenfall zeigt den kariösen Zahn 18 unter einer alten Kompositrestauration mit irreversibler Pulpitis und akuten Schmerzen (Abb. 11). Zahn 19 hat ebenfalls einen alten, schlecht behandelten Wurzelkanal mit einem chronischen, apikalen Abszess um die mesiale Wurzel. Es erfolgt die ordnungsgemäße Isolierung mittels Kofferdam und dem lichthärtenden Kunststoff OpalDam zur vollständigen Versiegelung der Risse und des Kofferdams, sodass weder Speichel in den Arbeitsbereich noch Natriumhypochlorit in den Mund gelangen kann (Abb. 12). Abbildung 13 stellt die Ermittlung der Arbeitslänge für alle drei Wurzelkanäle dar. Es folgt die röntgenologische Bestätigung der Wurzellängen (Abb. 14). Die komplette Instrumentierung der Wurzelkanäle endet in den beiden mesialen Wurzelkanälen mit 40/.04 und in dem distalen Wurzelkanal mit 50/.04 (Abb. 15). Nach der Entfernung der Schmierschicht und einer letzten Spülung mit Natriumhypochlorit werden die Kanäle mit Papierspitzen in der passenden Größe getrocknet (Abb. 16). Die Spitze der Sealer-Spritze wird in jeden Kanal eingeführt und eine kleine Menge des Sealers wird in jeden Kanal injiziert, sodass die Wurzelkanäle mit dem Sealer ausgekleidet und befüllt sind (Abb. 17). Abbildung 18 stellt die Injektion in den mesiobukkalen Kanal und Abbildung 19 die Injektion in den distalen Kanal dar.
In Abbildung 20 finden wir die mit dem biokeramischen Sealer aus der Spritze gefüllten Kanäle in erhöhter Vergrößerung. Eine Kontrollaufnahme (Abb. 21) zeigt, dass der Sealer den koronalen Kanalabschnitt zu 2/3 vollständig ausfüllt und das apikale Drittel frei vom Sealer lässt. Dieser Bereich wird gefüllt, indem die Masterfeile in den Apex geführt wird. Dies ist die sicherste Methode, um den Sealer einzubringen. Der Versuch, den Sealer bis zur Wurzelspitze zu injizieren, könnte zu einer Überpressung des Materials führen. Der passende Guttapercha-Stift wird vorsichtig in den jeweiligen Wurzelkanal eingesetzt (Abb. 22). Falls zusätzlicher Raum zur Verfügung steht (z. B. bei einem oval geformten Kanal), kann ein weiterer Stift dort platziert werden. Abbildung 23 zeigt alle Wurzelkanäle gefüllt sowie einen zusätzlichen Stift im ovalen distalen Kanal. Das erhitzte Instrument wird in der mesiobukkalen Kanalöffnung verwendet, um die Abtrennung des Griffs vorzubereiten. Die Guttapercha wird nun mittels Wärme auf Höhe der Kanalöffnung abgetrennt und mithilfe eines Pluggers auf dieser Höhe apikal kondensiert (Abb. 24). Verwenden Sie einen passenden Plugger, der dem Durchmesser der Guttapercha auf dieser speziellen Ebene entspricht und keinen Druck auf das Dentin ausübt. Apikaler Druck leitet die Kondensationskraft entlang des Guttapercha-Stifts (der eine höhere molekulare Dichte hat und sich daher nicht so leicht verformt). Diese Eigenschaft ermöglicht dem Guttapercha-Stift als Verlängerung des Pluggers zu dienen. Nach der Kondensation wird überflüssiger Sealer am besten zehn Sekunden lang mithilfe einer Ultraschallspitze mit Wasser aus der Kammer entfernt (Abb. 25). Im Anschluss an die Obturation werden die Kanalöffnungen am besten unverzüglich verschlossen (Abb. 26), gleichgültig welcher Sealer dazu verwendet wird (nicht Eugenol-basierte Sealer). Nach der Phosphorsäureätzung wird ein Bonding der neueren Generation verwendet. Eine 2–3 mm dicke Lage von doppelhärtendem, verstärkendem Kompositmaterial wird eingebracht und an Ort und Stelle ausgehärtet (Abb. 27). Anschließend werden Watte und Cavit in die Kammer eingeführt (Abb. 28). Die abschließende abgewinkelte Röntgenaufnahme zeigt adäquat vorbereitete und gefüllte Wurzelkanäle mit einer definitiven Versiegelung in der Kammer (Abb. 29). Später erhält der Patient vom behandelnden Zahnarzt die nachfolgende Füllung und Überkronung. Als nächstes erfordert Zahn 19 eine Nachbehandlung.
Fall 5
Der nächste Patientenfall zeigt einen nekrotischen Zahn 19 mit einer großen periapikalen Radioluzenz (Abb. 30). Die direkte postoperative Röntgenaufnahme des mit dem biokeramischen Sealer gefüllten Zahnes zeigt Abbildung 31. Die Nachuntersuchung des Zahnes nach sechs Monaten stellt die Restauration des Zugangs und die Heilung des Periapex dar (Abb. 32). Eine weitere Aufnahme (Abb.33) aus einem anderen Winkel zeigt die vollständige periapikale Heilung sechs Monate nach dem Eingriff.
Fall 6
Beim Patientenfall 6 finden wir eine präoperative Röntgenaufnahme der erfolglosen Wurzelkanalbehandlung (Abb.34). In die Retropräparationen wird biokeramisches Füllmaterial in Pastenform injiziert (Abb. 35). Die direkte postoperative Röntgenaufnahme zeigt die drei Wiederbefüllungen aus BC-Paste in den Wurzelspitzen (Abb.36). Die erneute Untersuchung des Falls findet nach vier Monaten und 21 Tagen statt und stellt eine weiter voranschreitende Heilung und keine gegenwärtigen klinischen Symptome fest (Abb. 37).
Schlussfolgerung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass biokeramische Materialien, insbesondere der EndoSequence® BC Sealer und das EndoSequence® Root Repair Material, über hervorragende Biokompatibilität und Materialeigenschaften verfügen, die sie ideal für endodontische Behandlungen machen. Durch die verbesserte Effizienz und Anwendungsweise, die dieses System bietet, ist es außerdem sowohl für chirurgische als auch für nichtchirurgische Anwendungen wesentlich einfacher zu verwenden als vorhergehende biokeramische Systeme.