Prophylaxe 22.10.2025
Der Einfluss von Parodontitis auf Schwangerschaft und künstliche Befruchtung
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Dieser Fall verdeutlicht die entscheidende Rolle einer interdisziplinären Betreuung und die Bedeutung einer umfassenden parodontalen Therapie für die Gesundheit von Müttern und ihren ungeborenen Kindern.
Der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Schwangerschaftskomplikationen wird seit Langem vermutet. Parodontitis kann das Risiko für ein vermindertes Geburtsgewicht undFrühgeburten erhöhen und bei schwangeren Frauen zu Bluthochdruck führen.1, 2 In diesem Fallbericht wird deutlich, dass auch bei der künstlichen Befruchtung negative Auswirkungen der Parodontitis zu beobachten sind.
Patientengeschichte und Diagnose
Eine 46-jährige Patientin stellte sich im Mai 2023 in unserer Praxis vor und klagte über Zahnfleischprobleme, insbesondere im Molarenbereich des Unterkiefers links. Ihre psychische Verfassung war instabil aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches, trotz mehrerer Embryonentransfers in den vergangenen Jahren. Die klinische Untersuchung ergab erhöhte Sondierungstiefen von 5 bis 8 mm an den Zähnen 36 und 37, einschließlich Pusaustritt. Der Parodontale Screening-Index (PSI) ergab die Werte 3-4-4-4-4-4. Die Vitalität aller Zähne, insbesondere von Zahn 36, war positiv. Eine anschließende Panoramaschichtaufnahme zeigte generalisierten horizontalen Knochenabbau im Ober- und Unterkiefer mit einer periradikulären Aufhellung an der distalen Wurzel von Zahn 36 sowie eine freiliegende Bifurkation an Zahn 46 (Abb. 1). Die Patientin wurde über die negativen Auswirkungen der Entzündung an Zahn 36 und der unbehandelten Parodontitis für den geplanten Embryonentransfer in naher Zukunft aufgeklärt.
Therapieempfehlungen und Verlauf
Die Patientin entschloss sich, eine Parodontitisbehandlung in Anspruch zu nehmen, auch wenn die Prognose für Zahn 36 eher schlecht war. Zunächst wurde eine antibiotische Behandlung mittels des „van Winkelhoff-Cocktails“ (3 × 500 mg/Tag Amoxicillin und 3 × 400 mg/Tag Metronidazol) empfohlen, um die Bakterienlast und das Entzündungsgeschehen zu reduzieren. Die Patientenanamnese zeigte keinen Zigarettenkonsum und keinen Diabetes mellitus. Aufgrund des bevorstehenden Embyonentransfers gab sie allerdings die Einnahme entsprechender Hormone an. Sie hatte in der Vergangenheit bereits einmal eine Parodontitisbehandlung ohne adjuvante Antibiotikatherapie erhalten, kam dann jedoch eher unregelmäßig zur Nachsorge. Bei der Befundung des PA-Antrages zeigten sich Sondierungstiefen von bis zu 8 mm, Furkationen bis Grad 2 und ein Lockerungsgrad 1 für Zahn 36 mit Blutung auf Sondierung (BOP) von 46 %. Auf Grundlage dieser Befunde stellte sich die Diagnose: generalisierte Parodontitis, Stadium 3, Grad C (Abb. 2).
Mundhygiene und Nachbetreuung
Im Anschluss an die Befundung erhielt die Patientin eine umfassende Mundhygieneunterweisung, da der Approximal-Plaque-Index (API) bei 57 % und der Sulkus-Blutungs-Index (SBI) bei 68 % lagen. Ich vermittelte ihr die richtige Anwendung von Interdentalraumbürsten und demonstrierte die Handhabung der Schallzahnbürste. Zusätzlich wurde der Zusammenhang zwischen Vitamin-D- und Omega-3-Mangel sowie Parodontitis thematisiert. Der Patientin wurde dringend empfohlen, diese Werte beim Hausarzt überprüfen zu lassen und gegebenenfalls Supplemente einzunehmen. Nach der Aufklärung folgte eine professionelle mechanische Plaquereduktion (PMPR) und ein Deep Scaling an Zahn 36. Der nächste Termin wird vereinbart, sobald der Antrag auf die Antiinfektiöse Parodontitistherapie (AIT) genehmigt wurde.
Retrospektive und Erfolgsgeschichte
Die Patientin erschien besser stabilisiert zum parodontologischen Aufklärungs- und Therapiegespräch (ATG), bei dem auch die Möglichkeit der Applikation von Schmelz-Matrix-Proteinen (Emdogain) bei tieferen Taschen ab 6 mm besprochen wurde. Die Patientin war einverstanden, dies im Rahmen der AIT durchzuführen. Die Extraktion von Zahn 36 erfolgte nach eingehender Beratung, da die Prognose für den Zahn sehr schlecht war, um mögliche Risiken für den nächsten Embryonentransfer zu minimieren. Im Rahmen der MHU und erfolgter PMPR mit subgingivalem Debridement war ersichtlich, dass sich die Mundhygiene bei der Patientin bereits verbesserte (API: 28 %, SBI: 11 %). Des Weiteren wurden die Interdentalräume erneut kalibriert, es erfolgte eine antientzündliche Ernährungsberatung und ihr wurde eine Probiotika-Kur empfohlen.
Ende Juni 2023 fand schließlich die AIT statt. Zwei Wochen später kam die Patientin zur Nachuntersuchung: Das Zahnfleisch zeigte keine Entzündungszeichen und die Patientin berichtete, dass ein weiterer Embryonentransfer anstand. Wir ermutigten sie aufgrund des positiven Zustands ihrer Parodontalsituation dazu. Fünf Monate später berichtete die Patientin, dass sie in der 15. Woche schwanger war! Die Befundevaluation (BEV) zeigte eine deutliche Reduzierung der Sondierungstiefen, und die Mundhygiene hatte sich erheblich verbessert.