Implantologie 29.09.2015

Keramikimplantate als Ergänzung des Therapiespektrums



Keramikimplantate als Ergänzung des Therapiespektrums

Der folgende Artikel setzt sich mit der Notwendigkeit sowie den Vorteilen von Keramikimplantaten auseinander. Anhand eines Patientenfalles werden dafür Erfahrungen mit zylindrokonischen Keramikimplantaten dokumentiert. Im Fokus stehen dabei unter anderem die Art der prothetischen Versorgung und das daraus resultierende metallfreie Gesamtkonzept.

Keramikimplantate wurden lange Zeit mit Skepsis betrachtet und oft in die Schublade der „Naturheilkunde“ gesteckt. Heute sind sie akzeptierter denn je. Zunehmend etablieren sich moderne keramische Implantatsysteme und finden ihren berechtigten Platz neben Titan­implantaten. Die Akzeptanz seitens Wissenschaft und Praxis ist deutlich höher als noch vor wenigen Jahren. Zudem steigt die patientenseitige Nachfrage. In den meisten Fällen sind die Gründe hierfür weniger bei echten etwaigen Titanallergien zu suchen, sondern obliegen dem Wunsch nach einer metallfreien Versorgung. Um die Bedürfnisse der Patienten besser einschätzen zu können, haben wir in unserer Praxis eine Umfrage (nicht repräsentativ) vorgenommen und im Alter 40plus Patienten unter anderem gefragt: „Welches Material, aus dem Implantate gefertigt sind, würden Sie spontan bevorzugen?“ Von den 174 gefragten Patienten entschieden sich 55,7 Prozent für die Antwort „Keine Präferenz“. Sie vertrauen dem, was der Zahnarzt empfiehlt. ­Interessant ist, dass 37,4 Prozent ein Ke­ramikimplantat bevorzugen und nur 6,9 Prozent das Titanimplantat als erste Wahl sehen. Das Ergebnis dieser Umfrage entspricht vielleicht nicht der Meinung eines deutschen Durchschnittspatienten. Doch für unsere Praxis hat sich eine deutliche Präferenz hin zu Keramik­implantaten ergeben. Dank moderner Keramikimplantate kann die implantologisch orientierte Praxis dieser Nachfrage gerecht werden und sich von anderen Praxen differenzieren. Wir haben mit dieser Kenntnis über unsere Patienten die Beratung und Dokumentation umgestellt. Wir informieren explizit über die Materialvarianten. Das geschieht unter anderem aus forensischen Aspekten, denn die Selbstbestimmung des Patienten ist im Streitfall ein hohes Gut.

Das Keramikimplantat

Grundsätzlich versprechen wir uns von Keramikimplantaten ein gutes Weichgewebsmanagement und – basierend auf einer nachweislich reduzierten Plaque­anlagerung – geringe periimplantäre Entzündungszeichen.1,2 Aufgrund der hohen Biokompatibilität keramischer Werkstoffe etablieren sich immer mehr Implantatsysteme aus Zirkonoxid.3,4 Zirkonoxid ist ein bioinertes, gewebeverträgliches Material, das in der Lage ist, ohne Fremdkörperreaktionen mit dem Knochen und Weichgewebe zu interagieren. Um die gute Osseointegration von Keramikimplantaten zu unterstützen, wurde der Fokus der Entwicklungen in den vergangenen Jahren insbesondere auf die Modifikation der Oberfläche gelegt. Bei modernen Keramikimplantaten ist die Osseointegration respektive sind Überlebens- und Erfolgsraten vergleichbar mit modernen Titanimplantaten mit rauen Oberflächen – zumindest für kürzere Beobachtungszeiten liegen hierzu qualitativ gute Studien vor.5–7 Die wissenschaftlich dokumentierte Datenlage zu dem jeweiligen Implantatsystem ist für den Praktiker ebenso wichtig wie das einfache chirurgische sowie prothetische Handling. Wir verwenden seit einigen Jahren Zirkonoxidimplantate und arbeiten seit der Verfügbarkeit auf dem Markt mit ceramic.implant (vitaclinical, VITA Zahnfabrik).

Dieses Implantat ist ein einteiliges zy­lindrokonisches Keramikimplantat mit guten publizierten Erfolgsraten bei Einzelzähnen und Brücken bis zu drei Gliedern.8 Laut aktuellen Studien bewirken das Design und die Oberfläche eine schnelle und sichere Einheilung.9,10 Durch den zylindrischen Teil wird im Bereich der Kortikalis eine hohe Primärfestigkeit forciert. Das Kopfdesign ist für eine mechanische und prothetische Beanspruchung optimiert.11 Bei allen elf Implantatlängen und -durchmessern ist der konische Bereich 7 mm lang. Nur der zylindrische Teil variiert in der Länge. Damit wird eine einfache Bohrsequenz mit nur jeweils einem Bohrer ermöglicht. Der hochglanzpolierte Anteil am Implantathals soll die gute Weichgewebsadaption unterstützen. Die sich daraus ergebende Weichgewebssituation zeigt in der klinischen Studie Daten, die vergleichbar mit natürlichen Zähnen sind.10 Dies deckt sich auch mit unseren bisherigen Erfahrungen. Die Implantatoberfläche induziert die Ausbreitung von Osteoblasten und bewirkt eine verbesserte Zellreifung.12,13 Durch die optimierte Oberfläche ergibt sich unter anderem ein hoher Bone Implant Contact (BIC).14 Neben den chirurgischen Überlegungen sind beim hier besprochenen Implantat die prothetischen Aspekte zu erwähnen. Die Anwendung ist wohl durchdacht und gewährt die problemlose Herstellung einer metallfreien Implantatversorgung.

Patientenfall

Die 53-jährige Patientin konsultierte unsere Praxis mit einer Schaltlücke in Re­gio 45 (Abb. 1). Ansonsten war sie vollbezahnt, prothetisch suffizient versorgt, kariesfrei und hatte ein ausgezeichnetes Mundhygieneverhalten. Der Zahn 45 musste aufgrund einer Wurzelfraktur vor drei Jahren extrahiert werden. Die Patientin wünschte die prothetische Versorgung der Lücke. Eine Brücke kam aufgrund des kariesfreien Nachbarzahnes 44 nicht infrage. Die Entscheidung fiel zugunsten eines Einzelzahnimplantates. Der Patientin wurden die Eigenschaften von Titan- und Keramikimplantat objektiv dargelegt. Sie entschied sich spontan für die metallfreie Lösung. Im Restgebiss trug sie bereits vollkeramische Restaurationen und wollte nun auch die implantatprothetische Versorgung metallfrei umgesetzt haben. Aus medizinischer Sicht lagen keine Kontraindikationen für eine Implantation vor.

Planung

Insbesondere bei einteiligen Implantatsystemen ist die Planungsphase entscheidend. Die virtuelle Implantatplanung und gegebenenfalls die navigierte Insertion sind unserer Ansicht nach maßgeblich am Therapieerfolg beteiligt. Im ersten Schritt wurde eine digitale Volumentomografie (DVT) angefertigt und am dreidimensionalen Bild die Situation beurteilt. Auf dem Situationsmodell modellierte der Zahntechniker in Regio 45 ein Wax-up in anzustrebender Situation und digitalisierte die Situation über den Laborscanner. Die DICOM-Daten des DVT und die STL-Daten des Modells wurden in die Planungssoftware (smop, Swissmeda) importiert und die Implantatposition festgelegt (Abb. 2).

Implantatinsertion

Im Falle des Einzelzahnimplantates haben wir uns gegen die schablonengeführte Insertion entschieden. Allerdings galt die Planung als strikte Vorgabe für die Insertion des hier verwendeten Implantats. Nach einer lokalen Infiltrationsanästhesie in Regio 45 wurden zwei Mukoperiostlappen präpariert und der Alveolarknochen dargestellt. Es folgte die Aufbereitung des Implantatbetts. Das zum Implantatsystem gehörende Chirurgieset (surgical.tray, vitaclinical) ist kompakt und auf das Wesentliche reduziert. Alle erforderlichen Instrumente und Bohrer sind enthalten und über eine farbliche Codierung gut zuordenbar. Entsprechend dem Bohrprotokoll erfolgte die Aufbereitung unter externer Kühlung mit Kochsalzlösung (Abb. 3a–c). Die Bohrer (pilot.drill, profile.drill, thread.cutter, alle vitaclinical) unterstützen mit gut sichtbaren Tiefenmarkierungen und einer hohen Schnittfreudigkeit das sichere Bohren. Nach der Aufbereitung wurde das Implantat (4,5 x 10 mm) mit dem Eindrehinstrument (insertion.mount) im Winkelstück arretiert und mit niedriger Drehzahl in den Knochen eingebracht (Abb. 4 und 5). Beim Erreichen der Endposition war die oberste Gewinderille des Implantats im Knochen versenkt. Das Implantat konnte primärstabil mit 25 Ncm inseriert werden (Abb. 6). Mit zwei Nähten erfolgte der Verschluss des Operationsgebietes (Abb. 7). Wenn erforderlich, kann das Implantat respektive der Implantatkopf mit Feinkorndiamanten und Wasserkühlung geringfügig in der Höhe reduziert werden. Das Abutment ist aber so dimensioniert, dass eine Formkorrektur nur in den seltensten Fällen notwendig ist. Es konnte direkt weitergearbeitet werden.

Provisorische Versorgung

Um das periimplantäre Weichgewebe während einer therapeutischen Phase optimal ausformen zu können, entschieden wir uns für eine provisorische Versorgung (Abb. 8). Die Krone Regio 45 wurde aus einem temporären Kronen- und Brückenmaterial (Protemp, 3M ESPE) über ein Formteil gefertigt. Für die Eingliederung bedurfte es nur wenig ­Befestigungszement (TempBond Clear, Kerr) im koronalen Anteil des Implantatkopfes. Somit konnten Zementüberschüsse weitestgehend reduziert und der periimplantäre Bereich geschont werden. Das Befestigungsmaterial ­fungierte „nur“ als eine zusätzliche Fixierung. Aufgrund der durchdachten Geometrie des Implantatkopfes – im Querschnitt hat es die Form eines ausgerundeten Kleeblatts – ist eine hervorragende Friktion gegeben. Abschließend wurde die Krone außer Okklusion und Artikulation geschliffen sowie die approximalen Kontakte entfernt.

Herstellen der definitiven Versorgung

Nach einer zweimonatigen Einheilzeit erfolgte die Herstellung der definitiven Krone. Nach der Abnahme des Proviso­riums präsentierte sich eine sehr gute Weichgewebssituation. Die Anlagerung der periimplantären Gingiva am Zirkonoxid ist ausgesprochen gut und im Vergleich zu einem Titanimplantat besser. Für die Reinigung des Implantatpfostens verwendeten wir eine herkömmliche Polierpaste. Um die Überabformung nehmen zu können, wurde auf den Implantatkopf die Übertragungskappe (impression.transfer CI, vitaclinical) aufgesetzt (Abb. 9a). Ein kleiner Klick signalisierte die korrekte Passung. Es folgte eine geschlossene Abformung (Imprint 4, 3M ESPE) mit einem individuellen Löffel (Abb. 9b). Nach der Bissregistrierung und der Zahnfarbbestimmung (VITA Easyshade Advance 4.0, VITA Zahnfabrik) wurde das Provisorium zurückgesetzt und die Abformung an das Labor übergeben.

Der Zahntechniker stellte ein Meistermodell mit entsprechendem Laborimplantat (lab.replica, vitaclinical) her (Abb. 10). Die Herstellung der Krone sollte CAD/CAM-gestützt erfolgen. Daher wurden ein Scanpuder aufgetragen, das Modell im Laborscanner (inEOS Blue, Sirona) ­digitalisiert, die Daten in die Software (CEREC-Software, Sirona) geladen und die Krone konstruiert (Abb. 11a–c). Als Material der Wahl für die definitive Krone kam die Hybridkeramik VITA ENAMIC (VITA Zahnfabrik) zur Anwendung. Das Material vereint die positiven Eigenschaften einer Keramik mit denen eines Komposits. Der Elastizitätsmodul liegt bei 30 GPa (Gigapascal) und kommt damit dem natürlichen Dentin nahe. Das Material weist elastische Eigenschaften auf und ist somit für die Implantatprothetik interessant, da Kaubelastungen bis zu einem gewissen Maße absorbiert werden. Dies lässt erwarten, dass eine physiologischere Belastung des Implantats im Knochen erfolgt. Nach der Konstruktion wurde die Krone aus dem Rohling herausgeschliffen (inLab MC XL, Sirona) und entsprechend den Herstellerangaben individuell charakterisiert sowie fertiggestellt (Abb. 12 und 13).

Einsetzen der Implantatkrone

Die Eingliederung der Krone erfolgte nach einem klar definierten Zementierungsprotokoll. Es bedurfte nur eines geringen Aufwands (Abb. 14a und b). Nach dem Reinigen des Implantatkopfes mit CHX-Gel und dem Vorbereiten der Kroneninnenfläche (Ätzen und Silanisieren) wurde das Befestigungsmaterial (RelyX Unicem Automix, 3M ESPE) aufgetragen, die Krone aufgesetzt und das Befestigungskomposit kurz angehärtet. Im zähplastischen Zustand konnte überschüssiges Zementierungsmaterial entfernt werden. Idealerweise liegt der Kronenrand im sichtbaren Bereich, sodass die Gefahr von potenziellen Zementresten im periimplantären Bereich eliminiert werden kann. Die inklinierte Krone präsentierte sich in Form, Farbe und Funktion mit einer sehr guten Passung (Abb. 15 und 16). Bei einer Kontrolle vier Wochen nach der Insertion sah der Sulkus im Bereich der Krone Regio 45 gesund aus. Das Weichgewebe schmiegte sich natürlich an die Restauration an (Abb. 17a und b).

Zusammenfassung

Wir verwenden seit einigen Jahren Keramikimplantate und haben die Vorteile zu schätzen gelernt. Hierzu gehört unter anderem die positive Reaktion des Weichgewebes auf die Keramik. Sicherlich ist das Implantatmaterial nicht allein für die ästhetische Morphologie der Gingiva verantwortlich. Es spielen auch andere Faktoren, wie beispielsweise der Abstand zum benachbarten Zahn, eine wichtige Rolle. Allerdings sehen wir in unserem Praxisalltag, dass das Weichgewebe auf Zirkonoxid tatsächlich besser reagiert als auf Titan. Den oft kritisierten Aspekt der Einteiligkeit von Keramikimplantaten erachten wir als Vorteil. So wird beispielsweise kein Abutment benötigt und dadurch der nachteilige Effekt des Implantat-Abutment-Interfaces vermieden. Dieser Spaltraum kann durch biologische und mechanische Ursachen über den Weg der Knochenresorption zur Ausbildung einer biologischen Breite von circa 2 mm apikal (Microgap) führen.15–17 Zudem sind Frakturen, wie sie bei zweiteiligen Systemen auftreten können, ausgeschlossen. Zu beachten ist die exakte prothetisch orientierte Planung der Implantatposition. Bei größeren Restaurationen ist eine schablonengeführte Umsetzung angeraten.

Fazit

Keramische Implantate sind für uns eine wichtige Ergänzung des implantologischen Arbeitsalltags geworden. Häufig wird nach der Notwendigkeit gefragt. Für uns liegt diese hauptsächlich beim Patienten. Wir erachten es als wichtig, die Patientenbedürfnisse zu eruieren und – sofern möglich – darauf einzugehen. Für uns ist es heute kein Selbstverständnis mehr, generell auf Titanimplantate zurückzugreifen. Mit dem hier verwendeten Keramikimplantat ceramic.implant und dem Restaurationsmaterial VITA ENAMIC haben wir für uns ein plausibles Gesamtkonzept für die metallfreie implantatprothetische Versorgung gefunden.

Die Literaturliste finden Sie hier.

CEREC und Feldspatkeramik: Höchste Ästhetik in nur einer Sitzung
Mehr Fachartikel aus Implantologie

ePaper