Parodontologie 23.06.2016

Moderne Periimplantitistherapie



Moderne Periimplantitistherapie

Foto: © Autor

Bei vorhandener Periimplantitis kann derzeit mithilfe der parodontalen Sonde und des Röntgens nur ein bereits vorliegender destruktiver Prozess diagnostiziert werden, nicht jedoch dessen akute Aktivität. Einzig durch den Nachweis der aktivierten Matrix-Metalloproteinase-8 (aMMP-8) ist der Nachweis eines aktiven Knochenabbaus unmittelbar möglich. Die Bekämpfung eines solchen wird jedoch durch die fehlende Möglichkeit einer häuslichen Implantathygiene erschwert.

Grundsätzlich werden mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede in der infektiösen Ätiologie von Parodontitis und Periimplantitis gefunden. Insofern kann eine der Parodontitis ähnliche Entwicklung von entzündlichen Prozessen an Implantaten als wahrscheinlich angesehen werden. Die aktuell schwache Datenlage zu periimplantären Erkrankungen zeigt bereits eine Prävalenz der periimplantären Mukositis von bis zu 50 Prozent und der Periimplantitis von 12–40 Prozent1–5. Eine tatsächlich höhere Prävalenz entsprechend der Parodontalerkrankungen dürfte jedoch aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten zwischen Parodontitis und Periimplantitis wahrscheinlicher sein. Fundierte wissenschaftliche Ergebnisse hierzu liegen jedoch nicht vor.

In Anbetracht dieser alarmierenden Zahlen sollten alle Möglichkeiten zu einer modernen, effektiven und präventiv ­ausgerichteten als auch weiterführenden ­Periimplantitisbehandlung ausgeschöpft werden.

Diagnostik

In der zahnärztlichen Praxis kommen üblicherweise die parodontale Sonde zum Untersuchen auf Sondierungsbluten („Bleeding on Probing“) sowie dem Bestimmen der Sondierungstiefen und das Anfertigen von Röntgenaufnahmen der betroffenen parodontalen bzw. periimplantären Bereiche zum Einsatz.

Eine festgestellte erhöhte Sondierungstiefe dokumentiert jedoch nur, dass in der Historie ein knochenabbauender Prozess stattgefunden haben muss (sofern keine ­hyperplastischen Gingivaverhältnisse vorliegen). Es bleibt allerdings unklar, ob dieser knochenabbauende Prozess zum Untersuchungszeitpunkt noch immer aktiv ist. Im Röntgenbild können beginnende Knochendestruktionen zumeist nicht erkannt werden. Erst ab einem gewissen Grad des Knochenabbaus kann dieser röntgenologisch überhaupt sichtbar gemacht werden. Die Röntgenaufnahme dokumentiert somit ­bereits fortgeschrittene Knochenabbau­prozesse, welche sich in der Vorzeit ereigneten. Eine Aussage über den Schweregrad entzündlicher und destruierender parodontaler/periimplantärer Prozesse zum Untersuchungszeitpunkt ist jedoch nicht möglich.

Ein Bluten nach Sondieren wird gern zum behandlungsbedürftigen Entzündungszustand deklariert. Tatsächlich ist diese Aussage in den meisten Fällen falsch. In einer repräsentativen Studie konnte gezeigt werden, dass in nur 6 Prozent der Fälle nach einem positiven Sondierungsbluten gleichzeitig knochendestruierende Entzündungsvorgänge vorgefunden wurden.6 Dies zeigt deutlich, dass das Entzündungsgeschehen in seiner Komplexität nicht mithilfe der parodontalen Sonde im Sinne der Sondierungsblutung beurteilbar ist. Innerhalb der verschiedenen Entzündungsstadien sind offenbar nur einige, vergleichsweise wenige Zustände mit einem für das Parodont schädlichen Knochen­abbau assoziiert.

Mithilfe der parodontalen Sonde kann jedoch eine „belastbare“ Aussage zur gesunden Gingivasituation getroffen werden. Fällt das „Bleeding on Probing“ negativ aus, liegen in mehr als 98 Prozent der Fälle auch tatsächlich gesunde parodontale Verhältnisse ohne aktiven Knochen­abbau vor.6

Grundlegend kann festgehalten werden, dass sich der diagnostische Erkenntnisgewinn mit Sonde und Röntgen überwiegend auf die Dokumentation bereits in der Vorgeschichte entstandener Defekte beschränkt. Die entscheidende Frage, ob nämlich die betroffenen Oberflächen eine dekontaminierende sowie eine antimikrobielle Behandlung zum Untersuchungszeitpunkt benötigen oder nicht, bleibt ­jedoch letztlich unbeantwortet.

Die momentan einzige diagnostische Möglichkeit, einen aktiven Knochen­abbau unmittelbar zu erkennen, besteht in dem Nachweis der aktivierten Matrix-­Metalloproteinase-8 (aMMP-8), einem ­kollagenabbauenden und damit das paro­dontale und periimplantäre Gewebe destruierenden Enzym. Das Enzym kann über die Sulkusflüssigkeit des betroffenen Zahnes oder Implantates nachgewiesen werden, indem diese mithilfe von sterilen ­Papierspitzen an ein fachkundiges mikrobiologisches Labor übersendet wird. Zeigt das Ergebnis eine aMMP-8-Konzentration > 20 ng/ml Sulkusflüssigkeit, so deutet dies auf akuten Gewebeabbau hin. Aktuell sind auch aMMP-8-Schnelltests erhältlich, welche direkt in der Untersuchungssitzung am Patienten zum Ergebnis führen.

In einer jüngeren Untersuchung zeigten Patienten mit chronischer Paro­dontitis im Mittel um 78 Prozent erhöhte aMMP-8-Werte, verglichen mit dem aMMP-8-­Niveau an den gesunden Parodontien dieser Probanden. Die von einer Periimplantitis betroffenen Bereiche offenbarten hingegen einen Anstieg an aMMP-8 um extreme 971 Prozent im Vergleich zu den gesunden Parodontien des Probanden!7 Die in etwa 12-fach höhere aMMP-8-Konzentration im periimplantären Gewebe verglichen mit den chronisch entzündeten parodontalen Strukturen führt zu einem wesentlich schnelleren und ausgeprägteren Gewebeabbau bei einer Periimplantitis.

Der Früherkennung einer periimplantären Entzündung sollte somit größte Aufmerksamkeit zu Teil werden. Der aMMP-8-Test stellt hierbei den momentan einzigen verfügbaren diagnostischen Frühmarker für parodontale und periimplantäre Gewebedestruktionen dar.

Prophylaxemaßnahmen

Für die erfolgreiche Prävention einer Parodontitis/Periimplantitis oder ihrem Wiederaufflammen dürfte eine effektive häusliche Mundhygiene „als entscheidende, sich stetig wiederholende Dekontaminationsmaßnahme – 365 Tage im Jahr“ von ausschlaggebender Bedeutung sein. Neben dem Zähneputzen mit der (elektrischen) Zahnbürste auf eine geeignete Art und Weise ist ebenso auf eine effektive Zahnzwischenraumpflege mit u. U. verschiedenen Zahnseiden, Interdentalbürsten oder hierfür optimierten Mundduschen zu achten.

Die Beläge auf dem Zungenrücken stellen ein erhebliches Keimreservoir dar und sollten deshalb im Rahmen der täglichen Mundhygiene so gut wie möglich reduziert werden. Bei regelmäßigen zahn­ärztlichen Kontrollen in Verbindung mit einem individuell abzustimmenden professionellen Zahnreinigungsintervall können außerdem die von der heimischen Mundhygiene nur selten erreichten „Putznischen“ gesäubert und Optimierungshinweise für die häusliche Mundhygiene gegeben werden.

Die Zahnzwischenraumpflege gestaltet sich jedoch in der Regel schwierig. Die Handhabung von Zahnseide oder Interdentalbürsten erfolgt gerade im Seitenzahnbereich meistens ohne direkte Sicht auf die zu reinigende Zahnfläche und ist somit recht kompliziert, zeitintensiv und im Ergebnis nicht kontrollierbar.

Mithilfe optimierter Mundduschen kann durch die impulsartige Abgabe eines Wasserstrahls ebenfalls eine Säuberung des ­Interdentalraums bewirkt werden. Die Anwendung ist im Vergleich zur Zahnseide wesentlich einfacher, da nur der kleine rundliche Applikator des Geräts von außen, oberhalb der Zahnfleischpapille an den Zahnzwischenraum positioniert werden muss. Eine effektive häusliche Interdentalraumhygiene wird leider in vielen Fällen nach wie vor nicht zufriedenstellend erreicht. Kommt eine supra- oder gar infraalveoläre Taschensituation hinzu, ist eine ausreichende Plaqueentfernung aus solchen Bereichen im Rahmen der heimischen Mundhygiene hoffnungslos.

Nichtchirurgische Therapie­möglichkeiten der Periimplantitis

Die nichtchirurgische, minimalinvasive Behandlung der Periimplantitis beschränkt sich derzeit im Wesentlichen auf die Reinigung/Dekontamination der dem oralen Milieu zugänglichen, mit pathogenen ­Mikroorganismen besiedelten Implantat­oberflächen. Die biofilmzerstörende und -entfernende Wirkung ist bei allen verfügbaren Verfahren recht unterschiedlich und bedauerlicherweise grundsätzlich nur auf den Zeitpunkt der Anwendung begrenzt. Der begleitende und eventuell nachfolgende Einsatz von Antiseptika (beispielsweise Chlorhexidin-Spüllösungen) ermöglicht leider keine klinisch relevante Verlängerung der Kontaminationsfreiheit. Zahlreiche internationale Publikationen zur „Full Mouth Disinfection“ konnten zudem überhaupt keinen klinisch nützlichen Effekt bei der adjuvanten Anwendung von Chlorhexidin-Spüllösungen nachweisen.

Das praktisch Unvermeidbare nimmt seinen Lauf, wenn der Patient aus der Praxis entlassen wird. Da dieser in der Regel die betroffenen Implantatoberflächen im Rahmen der täglichen Mundhygiene nicht weiterführend reinigen geschweige denn kontaminationsfrei halten kann, findet in den meisten Fällen eine Neubesiedelung innerhalb kürzester Zeit statt und bereits nach wenigen Tagen werden oftmals die Ausgangswerte der Keimbelastung vor Therapiebeginn erreicht.12

Es kann daher offensichtlich nicht zielführend sein, wenn die periimplantären oder parodontalen Problemzonen am Patienten erst nach acht oder mehr Wochen (beispielsweise entsprechend den Richt­linien der gesetzlichen Krankenkassen) evaluiert und eventuell nachbehandelt werden. Da in einer neueren klinischen Studie bereits nach einer Woche eine mit der Ausgangssituation vor der Behandlung vergleichbare Bakterienbelastung für die bekannten parodontalpathogenen Keime an den betroffenen Parodontien gefunden wurde,12 sollte insbesondere bei einer aggressiven, gewebedestruierenden Entzündungssituation neben einer antibiotischen (womöglich systemischen) Therapie eine zeitnahe und sich intervall­artig wiederholende (in kurzen zeitlichen Abständen, beispielsweise wöchentlich oder 14-tägig), minimalinvasive unterstützende mechanische Therapie erfolgen. Nur auf diese Weise können ein rascherer Entzündungsrückgang und eine Stabilisierung des periimplantären Gewebes erreicht werden. Bei chronisch und geringgradig entzündeten periimplantären Gewebestrukturen zeigte sich im Praxisalltag die unterstützende mechanische Therapie in entsprechend zyklischer Anwendung in der Regel auch ohne zusätzliche Antibiotikagabe als hilfreich. Im ­Rahmen der Richtlinien der gesetzlichen Krankenkassen wird eine derartige „Mehrtherapie“ im Sinne des Patienten leider nicht honoriert, sodass eine solche in vergleichsweise kurzen Zeitintervallen wiederkehrende mechanische Periimplantitistherapie nur über eine Privatvereinbarung vergütet werden kann.

Die Wahl des zeitlichen Abstands zur (wiederholten) unterstützenden mechanischen Periimplantitistherapie sollte ­anhand des Rückgangs der für die Gewebedestruktionen ausschlaggebenden klinischen, individuellen Entzündungsparameter (über aMMP-8-Tests) des Patienten definiert werden. Daher müssen diese in jeder Folgesitzung evaluiert und die Erforderlichkeit der Therapie entsprechend ­angepasst werden. Weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen wären wünschenswert, um die möglichst optimalen Zeitpunkte sowie die damit ­verbundene Häufigkeit für die unterstützende mechanische Periimplantitistherapie zukünftig noch genauer eruieren zu können.

Problematisch dürften auch in Zukunft insbesondere diejenigen Patienten bleiben, welche trotz einer guten Mundhy­giene eine (aggressive) Parodontitis aufgrund eines partiell kompromittierten Immunsystems entwickeln. Gerade diese Patienten werden, langfristig betrachtet, ihre Zähne im Vergleich zum immunologisch Gesunden schneller verlieren und dann den Wunsch nach festsitzendem Zahnersatz äußern! Implantate haben bei solchen Patienten jedoch ein vergleichsweise erhöhtes Periimplantitisrisiko und somit besteht die erhebliche Gefahr, dass die Implantate auf lange Sicht dem Schicksal der ursprünglich vorhandenen Zähne folgen.13

Mechanisches Biofilmmanagement

Für das Biofilmmanagement stehen derzeit neben den langjährig bekannten Metallküretten für die nichtchirurgische Parodontitisbehandlung auch Plastik- und Titanküretten, speziell modifizierte Arbeitsenden für Ultraschallsysteme, hochenergetische Laserlichtanwendungen, die antimikro­bielle Photodynamische und Phototermische Therapie sowie Pulverstrahlverfahren insbesondere auch für die Periimplantitisbehandlung zur Verfügung.

Mit Plastik- oder Titanküretten wird eine völlig unzureichende Biofilmentfernung/Dekontamination der mikroskopisch fein texturierten und durch die Schraubenwindungen schwierig zu erreichenden Implantatoberflächen bewirkt. Darüber hinaus wird das beteiligte, angrenzende Weichgewebe vergleichsweise stark traumatisiert.

Ultraschallsysteme, insbesondere mit modifizierten Ansätzen für die Periimplantitisbehandlung optimierte Systeme (z. B. das Vector-System, Dürr, Bietigheim-­Bissingen) können die bakteriellen Biofilme von den texturierten Implantatoberflächen wirkungsvoller entfernen.14

CO2-, Dioden- und Er:YAG-Laserlicht­systeme scheinen für die klinische Anwendung zur Dekontamination von Zahn- und Implantatoberflächen ebenfalls geeignet zu sein, da durch die Bestrahlung, in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer sowie den Energieeinstellungen, eine schonende Instrumentierung der ­Implantatoberfläche erreicht werden kann.15–17 Der Er:YAG-Laser entfernte bakterielle Biofilme von texturierten Implantat­oberflächen initial sehr effektiv.18 Zudem ­verbesserten sich mit Anwendung des Er:YAG-Lasers die klinischen Entzündungsparameter signifikant gegenüber der klassischen Handinstrumentierung.19

Die antimikrobielle Photodynamische Therapie (aPDT) erreicht ihre dekontaminierende Wirkung über die Lichtaktivierung einer an die Bakterienmembranen angelagerten Farbstofflösung, welche zu einer irreversiblen Schädigung der Bakterienmembranen führt. Bisher gibt es nur einige klinische Untersuchungen, in welchen die aPDT vorzugsweise als adjuvante Therapieoption zum klassischen Scaling und Root Planing angewendet wurde. In einer Studie wurden bei der gemeinsamen Anwendung von Scaling/Root Planing und aPDT zumindest bessere Kurzzeitergebnisse innerhalb einer Zeitspanne von 3 bzw. 6 Monaten im Vergleich zu alleinigem Scaling/Root Planing erreicht.20 In einer vor Kurzem publizierten Studie wurde die Wirksamkeit der aPDT bei zweimaliger Anwendung in Kombination mit Scaling/Root Planing im Vergleich zu Scaling/Root Planing und Amoxicillin/Metronidazol-Antibiotikagabe bei Probanden mit unbehandelter chronischer Parodontitis untersucht. Die Evaluation nach 6 Monaten zeigte deutlich, dass die aPDT keinen Ersatz für die antibiotische Therapie darstellte.21 Der tatsächliche und langfristige klinische Benefit scheint fraglich zu sein,22, 23 insofern bleiben aussagekräftige, prospektive Untersuchungen abzuwarten, bevor die Wirksamkeit der aPDT hinreichend beurteilt werden kann.

Bei der Photothermischen Therapie (PTT) wird anstelle des bei der aPDT ein­gesetzten photoaktiven Farbstoffs Methylenblau indessen Indocyaningrün eingesetzt. Die Hauptkomponente der Wirkung beruht nicht auf der Freisetzung bestimmter Sauerstoffradikale, sondern auf einem photothermischen Effekt, welcher durch eine Laserlichtaktivierung erreicht wird und zu einer Erwärmung der parodontalpathogenen Bakterien bis hin zu deren Absterben führen soll. Es liegen jedoch derzeit keine belastbaren wissenschaft­lichen Ergebnisse zur Wirksamkeit und ­Sicherheit dieses Verfahrens vor.

Pulverstrahlgeräte sind bereits seit vielen Jahren im Rahmen der supragingivalen Anwendung bei der professionellen Zahnreinigung erfolgreich im Einsatz. Die Indikationserweiterung auf subgingivale, mit Biofilmen belastete Implantatober­flächen wurde mithilfe eines nur wenig abrasiven und löslichen Glyzin-Pulvers (z. B. Air-Flow Powder Perio, EMS, Nyon, Schweiz) und speziellen Applikatoren realisiert (siehe Abb. 4, 5 und 7). Die Reinigungs- bzw. Dekontaminationswirkung an Implantatoberflächen dieser (ca. 20 µm großen) aus der Aminosäure Glyzin bestehenden Kristalle ist erheblich besser im Vergleich zu konventionellen Handinstrumenten und Ultraschallscalern.24–28 Seit jüngerer Zeit ist ein Erythritol-basierendes, ebenfalls sehr feinkörniges Pulver (ca. 14 µm Korngröße), welchem Chlorhexidin beigemengt wurde, erhältlich (Air-Flow Powder Perio Plus, EMS). Es bleibt jedoch abzuwarten, ob damit eine klinisch relevante Verbesserung der Dekontamina­tionsleistung im Vergleich zum Glyzin-­Pulver erzielt werden kann.

Unabhängig davon konnte gezeigt werden, dass das Glyzin-Pulver im Rahmen des Strahlverfahrens keine nachteiligen Effekte auf das umgebende Weichgewebe ausübte. Im Vergleich hierzu führten konventionelle Handinstrumente zu einer erheblichen Traumatisierung der angrenzenden Weichgewebe. 19, 28

Für die Parodontitis- und Periimplantitistherapie stehen relativ spezielle Instrumentenansätze zur Verfügung (Perio-Flow Handstück für Air-Flow Master, EMS), welche eine effektive und zugleich effiziente Biofilmentfernung auf den Zahn- oder ­Implantatoberflächen bei einer weitest­gehend atraumatischen, geschlossenen ­Vorgehensweise ermöglichen.12, 19, 28 Die Therapiemethode erlaubt eine 3–5 Mal kürzere Behandlungsdauer mit deutlich weniger Schmerzen für den Patienten, verglichen mit konventionellen Hand­instrumenten.12 Allerdings kann auch mit der niedrigabrasiven Pulverstrahltechnik keine dauerhafte Keimreduktion bewirkt werden, der erneute mikrobiologische Befund zeigte 7 Tage nach Therapie eine vergleichbare Keimbelastung bei den mit Handinstrumenten oder Pulverstrahltechnik behandelten Patienten.12

Chemisches Biofilmmanagement

In einer aktuellen Übersichtsarbeit zum Thema Periimplantitis wurden die verschiedenen, derzeit verfügbaren, zitier­fähigen Publikationen hinsichtlich der ­unmittelbar dekontaminierenden Wirksamkeit in Bezug auf die eingesetzten Verfahren und deren längerfristigen klinischen Benefits für den Patienten untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass mit den moderneren Verfahren eine erfolgreiche Dekontamination der betroffenen Oberflächen mit im Resultat positiven Behandlungsergebnissen bei den Probanden erreicht werden konnte. Die Untersuchungen unterschieden sich jedoch gravierend in Bezug auf die meisten im Studiendesign festgelegten Parameter, sodass momentan keine die Therapievarianten vergleichende Aussage möglich ist.29

Neben der rein physikalisch-mechanischen Bearbeitung der Implantatoberflächen werden auch chemische Verfahren (z. B. die Applikation von Chlorhexidin­spüllösungen, Zitronensäure, Wasserstoffperoxid, Natriumhypochlorit, Triclosan, Listerine u. a.) zur Desinfektion der biofilmbesiedelten Implantat- oder Zahnober­flächen eingesetzt.

Chemische Verfahren allein haben aufgrund der zum Teil nur geringen Durchdringungstiefe des Biofilms und der nur kurzen Effektdauer eine klinisch nicht ausreichend desinfizierende Wirkung. In der Regel wurden und werden deshalb die rein mechanischen Dekontaminationsverfahren mit einer chemischen Komponente kombiniert (z. B. üblicherweise Chlorhexidin-Spüllösungen und die Anwendung von Lasern oder Kürettage).

Einen erwähnenswerten, ganzheitlichen Therapieansatz stellt die Behandlung mithilfe von Nahrungsergänzungsmitteln dar. Hierbei werden verschiedene Vitalstoffe, Vitamine, Mineralien, Darmbakterien und andere Nahrungsergänzungspräparate über einen Zeitraum von insgesamt vier Monaten in unterschiedlichen Kombinationen substituiert. Dabei soll eine Kräftigung bzw. Rehabilitation des Verdauungssystems erreicht und somit eine Stärkung des Immunsystems, verbunden mit einer Abnahme des vorhandenen allgemeinen Entzündungsniveaus (sowie einer damit einhergehenden Verringerung der aMMP-8-Konzentrationen in den betreffenden Parodontien), ­bewirkt werden. Die komplexe und viel­fältige Zusammensetzung dieser Nahrungsergänzungspräparate dürfte wissenschaftliche Untersuchungen entsprechend schwierig gestalten. Aktuell liegen noch keine zitierfähigen Studien zur Wirksamkeit dieser durchaus interessanten Behandlungsalternative vor.

Fazit

Für die parodontale Diagnostik stellt aktuell der aMMP-8-Test das einzige „Frühwarnsystem“ für Destruktionen in periimplantären Gewebestrukturen dar. Die verfügbaren Therapieverfahren unterscheiden sich zum Teil erheblich in Bezug auf die Effizienz der Anwendung, die mitunter schmerzvollen Nebenwirkungen für den Patienten und den zumindest initial erreichbaren Dekontaminationsgrad. Mit überschaubarem apparativen Aufwand kann beispielsweise mithilfe des niedrigabrasiven Pulverstrahlverfahrens eine wirkungsvoll dekontaminierende, in der Regel kaum schmerzhafte und effiziente Behandlung erzielt werden. Im Kontext zur aktuellen Datenlage/Literatur führen technisch wesentlich kostspieligere Verfahren zu keiner wirkungsvolleren Therapie bzw. entsprechenden Ergebnissen bei den Patienten.

Eine initial bessere Dekontaminationsleistung mithilfe geeigneten Equipments (insbesondere im Rahmen der niedrigabrasiven Pulverstrahl- und Laserlichtverfahren) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass bereits unmittelbar nach der Therapie eine bakterielle Neubesiedelung der gereinigten Implantatoberflächen beginnt und ein Reattachment der periimplantären Gewebe in nur sehr eingeschränktem Maße stattfindet, da eine weiterführende, effektive häusliche Prophylaxe in den betroffenen Bereichen nicht realisiert werden kann.

Insofern sollte insbesondere bei aggressiven, gewebedestruierenden Entzündungszuständen neben der antibiotischen Therapie eine am Heilungsverlauf orientierte bzw. evaluierte, minimalinvasive unterstützende mechanische Therapie zur Anwendung kommen. Nur auf diese Weise werden ein schnellerer Entzündungsrückgang und eine Stabilisierung der betroffenen periimplantären Strukturen wahrscheinlich. Hierbei sollten die patientenindividuellen gewebede­struierenden Entzündungsparameter den Abstand zwischen den Sitzungen der ­unterstützenden mechanischen Therapie definieren.

Nach wie vor stehen leider noch keine weiterentwickelten Therapieverfahren mit einer deutlich verlängerten Wirkdauer zur Verfügung, um den langfristigen Therapieerfolg zu verbessern.

Die vollständige Literaturliste gibt es hier.

Mehr Fachartikel aus Parodontologie

ePaper