Endodontologie 08.09.2016
Laseraktivierte Spülung mit PIPS® – Die Macht der besseren Spülung
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Für eine effiziente endodontische Therapie einer bakteriellen Infektion des Wurzelkanalsystems und der daraus resultierenden Entzündung ist eine umfassende Entfernung der dort und in den Dentintubuli befindlichen Mikroorganismen sowie infizierter Gewebereste und Zahnhartsubstanz unerlässlich.
Eine revolutionäre Spülmethode stellt das lasergestützte PIPS®-Verfahren (Photon Induced Photoacoustic Streaming) dar, welches im vorliegenden Artikel erläutert wird. Durch die Energie eines Er:YAG-Lasers werden dabei nichtthermische photoakustische Schockwellen erzeugt, mit denen die Reinigungs- und Säuberungslösungen in den Kanal eingeführt werden.
Bakterielle Infektionen des Wurzelkanalsystems sind eine der Hauptursachen für die Etablierung einer apikalen Parodontitis.1 Dabei erfolgt die Infektion in der Regel über die Dentintubuli. Als Auslöser für eine Infektion des Kanalsystems können kariöse Läsionen, undichte Füllungen, undichte prothetische Versorgungen, Haarrisse, Traumata oder aber Erosionen in Betracht kommen.2
Sowohl bei Primärinfektionen als auch bei Sekundärinfektionen konnte intraradikulär das Vorliegen einer bakteriellen Mischflora nachgewiesen werden.3,4 Hierbei betrug die mittlere Bakterienzahl bei Primärinfektionen 4,6 x 107 Colony Forming Units (CFU) pro Apex.5 Bei persistierenden Infektionen konnten 5,4 x 104CFU pro Apex festgestellt werden.6 Die Bakterien können dabei sehr tief in die Dentintubuli und Ramifikationen des Wurzelkanalsystems vordringen.7 So konnten Kolonien des E. faecalis bis zu 500 µm entfernt vom Hauptkanal nachgewiesen werden (Abb. 1).8 Die Bakterien kommen innerhalb des infizierten Kanalsystems dabei entweder in planktonischer Form, das heißt in Gewebsflüssigkeit schwimmend9 , oder aber sozusagen „organisiert“ innerhalb des sogenannten „Biofilms“ vor.
Darunter ist ein Konglomerat unterschiedlicher Bakterienspezies zu verstehen, welche sich innerhalb einer stark auf Kanalwänden und bis in die Dentintubuli haftenden ExtrapolysaccharidMatrix organisiert haben (Abb. 2).10
Durch die quasi symbiotische Beziehung der Bakterien innerhalb des Biofilms ergibt sich eine weit höhere Resistenz der einzelnen Bakterienarten gegenüber antimikrobiellen Agentien.11 In fortgeschrittenen Stadien der apikalen Parodontitis kann deshalb immer von einer durch Biofilm ausgelösten Infektionserkrankung gesprochen werden.12 Hinsichtlich der möglichst vollständigen Entfernung von Bakterien aus den Kanalsystemen, aber auch den Dentintubuli stellt die erhöhte Resistenz der im Biofilm eingebetteten Bakterien in Verbindung mit den extrem hohen, durch die Extrapolysaccharid-Matrix bedingten Haftkräften eines der zentralen Probleme innerhalb der endodontischen Therapie dar. Zusammenfassend sind also Bakterien die Hauptursache für die Etablierung einer apikalen Parodontitis.13 Das Ziel einer jeden endodontischen Therapie muss daher in einer weitestgehenden Eradikation von im Kanalsystem und den Dentintubuli befindlichen Mikroorganismen, infizierten Gewebsresten und infizierter Zahnhartsubstanz liegen.14
Das antimikrobielle Behandlungskonzept
Um dieser Vorgabe möglichst nahezukommen, ist die Einhaltung eines strikten antimikrobiellen Behandlungskonzeptes erforderlich. Dieses beinhaltet zwingend die Verwendung von Kofferdam, die Entfernung potenziell infizierter Restaurationen mit penibel genauer Kariesexkavation sowie die Etablierung eines dentinadhäsiven dichten präendodontischen Aufbaus. Das Anlegen einer korrekten Zugangskavität erleichtert anschließend an den erfolgten präendodontischen Aufbau alle weiteren Arbeitsschritte. Dabei konnte ein direkter Zusammenhang zwischen einer korrekt angelegten endodontischen Zugangskavität und dem Erfolg der endodontischen Therapie nachgewiesen werden (Abb. 3).15 Nach Anlegen der Zugangskavität und Aufbereitung der koronalen Kanalanteile sollte eine endometrische Bestimmung der Kanallänge sowie die Festlegung der Arbeitslänge erfolgen. Aufgrund der Weiterentwicklungen der endometrischen Messsysteme in den letzten Jahren stellt eine endometrische Längenbestimmung hierzu das Mittel der Wahl dar.16
Die chemomechanische Aufbereitung
Wie bereits beschrieben, stellen bakterielle Infektionen des Wurzelkanalsystems die Hauptursache für die Etablierung einer apikalen Parodontitis dar.17 Die alleinige mechanische Bearbeitung der Wurzelkanäle führt nicht zu einer ausreichenden Keimreduktion. So konnte gezeigt werden, dass bei der mechanischen Präparation mittels rotierender Instrumente große Kanalanteile mechanisch überhaupt nicht bearbeitet wurden.18 Die Kombination von mechanischer Aufbereitung, aktivierter Spülung mittels antimikrobieller und gewebslösender Agentien sowie Applikation antimikrobieller Medikamente zwischen den Behandlungssitzungen kann die bakterielle Kontamination der Kanalsysteme deutlich verringern.19
Die mechanische Aufbereitung
Der mechanische Teil der Wurzelkanalaufbereitung kann, abhängig von der jeweiligen Kanalanatomie, sowohl mit Handinstrumenten als auch rotierend mithilfe von Nickel-Titan-Instrumenten erfolgen. Verglichen mit Handinstrumenten führt die Benutzung rotierender Instrumente zu deutlichen Verbesserungen hinsichtlich der Aufbereitungsgeometrie und dem Erhalt des ursprünglichen Kanalverlaufs.20 Die Einführung eines neuartigen Aufbereitungsmusters, der reziproken Aufbereitungsbewegung, ermöglicht eine nochmalige Verbesserung der mechanischen Aufbereitung. Neben einer Verringerung der Frakturgefahr21 scheint eine verbesserte Zentrierung der Feilen im Kanalsystem und daraus resultierend eine vorhersagbarere und wiederholbarere Aufbereitung einer der wesentlichen Vorteile der reziproken Bewegung zu sein. Ein weiterer Vorteil gegenüber vollrotierenden Systemen liegt in einer effektiveren und damit schnelleren Kanalaufbereitung.22 Aufgrund der verbesserten mechanischen Eigenschaften reziproker Feilensysteme kann die Aufbereitung, abhängig von der jeweiligen Kanalanatomie, auf wenige Feilengrößen begrenzt werden. Dies führt zu einer Vereinfachung des Handlings sowohl für den Behandler als auch sein Team.
Die chemische Aufbereitung – Spüllösungen
Die zur Bakterienreduktion verwendeten Spüllösungen müssen im komplexen Wurzelkanalsystem unterschiedliche Anforderungen erfüllen:23
- antibakterielle Wirksamkeit gegen ein großes Keimspektrum
- Zerstörung des Biofilms
- Auflösung potenziell infizierten Gewebes
- Entfernung des Smearlayers
Als Smearlayer wird ein durch die mechanische Aufbereitung entstehender Abrieb aus Dentinchips, Bakterien, infiziertem Gewebe, organischen Bestandteilen etc. bezeichnet.24 Gerade bei der rotierenden oder reziproken Aufbereitung wird dieser Abrieb infolge der Rotationsbewegung regelrecht in die Dentintubuli gepresst und kompaktiert. Dadurch verhindert der Smearlayer das Eindringen von intrakanalären antimikrobiellen Agentien und Medikamenten in die Dentintubuli und Seitenkanäle.25
Die Kombination von Natriumhypochlorid (NaOCl) und Etylendiamintetraacetat (EDTA) ist bis heute der in vielen Studien nachgewiesene Goldstandard zur chemischen Reduktion von intrakanalären Mikroorganismen. Die Kombination beider Spüllösungen mit mechanischer Aufbereitung war in der Lage, die Kontamination von Wurzelkanälen um den Faktor 100 bis 1.000 zu verringern.26 NaOCl hat dabei eine hervorragende antimikrobielle Wirksamkeit gegenüber den meisten endodontisch signifikanten Mikroorganismen.27 Hinsichtlich der gewebsauflösenden Wirkung ist NaOCl allen anderen bekannten Spüllösungen signifikant überlegen.28 Dieser gewebslytische Effekt, kombiniert mit der hervorragenden antimikrobiellen Wirksamkeit, ist der entscheidende Faktor für das Erreichen einer möglichst umfassenden Bakterienreduktion im Wurzelkanalsystem. Diskutiert werden Konzentrationen zwischen 1% und 5,25%. Je höher die Konzentration, umso schneller erfolgt die Lyse des Gewebes.29 Aufgrund der raschen Inaktivierung des NaOCl bei Kontakt mit organischem Gewebe ist ein großer Umsatz an Spülflüssigkeit von mindestens 10ml pro Kanal notwendig.30 Über eine Erwärmung des NaOCl kann die Effektivität der Spüllösung im Kanalsystem gesteigert werden.31 Zusätzlich kann die Effektivität über eine längere Einwirkzeit verbessert werden.32
EDTA dient der Entfernung des bereits oben erwähnten Smearlayers. Dabei führt das Spülen mit ca. 5ml EDTA pro Kanal in einer Konzentration von 17% innerhalb einer Minute bereits zu einer vollständigen Entfernung des Smearlayers.33 Dieser Effekt ist deswegen so bedeutend, da erst nach Entfernung des Smearlayers antimikrobielle Agentien wie etwa NaOCl ihre Effektivität auch tief in den Dentintubuli entfalten können. Erwähnt werden sollte auch, dass die Wirksamkeit von EDTA gegen Fungi wie z. B. Candidia albicans nachgewiesen werden konnte (Abb. 4a und b).34 Die antimikrobielle Wirkung von EDTA spielt eine eher untergeordnete Rolle.35 Die Kombination der beiden beschriebenen Spüllösungen stellt nach wie vor den Goldstandard dar. Für weitergehende Ausführungen soll an dieser Stelle auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden.
Laser in der Endodontie
In den letzten Jahrzehnten erfolgte die Einführung von Lasern in die Endodontie.36 Laser steht als Abkürzung für „Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation”. Dabei handelt es sich um elektromagnetische Wellen mit sehr hoher Energiedichte. In der Endodontie werden Laser unterschiedlicher Wellenlänge genutzt. Durch photothermische, zum Teil auch photomechanische Effekte kann die Laserstrahlung, abhängig von der Wellenlänge und der damit verbundenen Absorption im bestrahlten Gewebe, ihre bakterizide Wirkung entfalten. Meist kommt es durch Erhitzung mit anschließender Veränderung des osmotischen Gradienten innerhalb der Bakterienzellwand zu deren Zelltod.37 Die in der Endodontie bisher angewendeten Laser unterscheiden sich in ihren Wellenlängen, die wiederum entscheidenden Einfluss auf die Interaktion mit dem bestrahlten Gewebe haben.38 Nd:YAG-Laser arbeiten mit einer Wellenlänge von 1.064 nm, Diodenlaser im Bereich von 810 nm bis 980 nm und Erbiumlaser bei 2.780 nm (Er,Cr:YSGG) und 2.940 nm (Er:YAG).
Die ersten Berichte zum Einsatz von Nd:YAG-Lasern im Wurzelkanal wurden bereits 1984 veröffentlicht.39 Hierbei wurden spezielle endodontische Lichtleiter verwendet, welche das Laserlicht nur geradlinig emittieren konnten. Deshalb musste der Lichtleiter rotierend in Spiralbewegungen im Kanal bewegt werden, um möglichst viele Kanalbereiche zu erreichen. Bei 15Hz und 100mJ kann der antibakterielle Effekt dabei bis zu 1.000µm40 tief in die Dentintubuli reichen. Im Vergleich dazu konnte eine Reduktion von Bakterien mit NaOCl nur bis zu 100µm Tiefe nachgewiesen werden.41 Nachteilig wirken sich jedoch die geradlinige Abstrahlung sowie die hohen Energiedichten, verbunden mit dem Arbeiten im trockenen Kanal, aus. Aufgrund der geradlinigen Ausstrahlung der Laserstrahlung sinkt der antibakterielle Effekt in Kanälen mit Kurvatur.42 Daneben kommt es im Kanal zu starker Hitzeentwicklung von bis zu 38°C, was zu Verbrennungen der Zahnhartsubstanz führen kann (Abb. 5).43 Matusomo et al. führten aus, dass aufgrund der geradlinigen Emittierung des Laserstrahles einerseits kein gleichmäßiger Wandkontakt möglich sei und aufgrund der Hitzeentwicklung eine Emittierung über den Apex hinaus vermieden werden müsste, was ein Arbeiten im apikalen Drittel erheblich erschwert.44 DeMoore et al. kamen darum bei einem Vergleich der Desinfektionswirkung von Nd:YAG-Laser mit „traditioneller“ Desinfektion mittels NaOCl und Ultraschall zum Ergebnis, dass der Nd:YAG-Laser hier zu keinerlei Vorteil führte.45
Die für den Nd:YAG-Laser beschriebenen Effekte treffen ebenso für den Diodenlaser zu. Bei Erbiumlasern können zwei Wellenlängen unterschieden werden: 2.780 nm für den Er,Cr:YSGGund 2.940 nm für den Er:YAG-Laser. Diese Wellenlängen besitzen ihr Absorptionsmaximum in Wasser und Hydroxylapatit.46 Beim direkten Auftreffen von Erbiumlaserstrahlung auf die Zahnhartsubstanz kommt es zur sofortigen Verdampfung von im Gewebe enthaltenem Wasser und zur „sanften“ Ablation von Zahnhartsubstanz bei nur minimalen thermischen Effekten.47 Bezogen auf die Endodontie konnten mit Erbiumlasern in experimentellen Studien eine effektivere Entfernung des Smearlayers als bei anderen Lasertypen und bei endodontischen Spüllösungen nachgewiesen werden.48 Des Weiteren zeigten sich die Kanalwände frei von Debris/ Smearlayer und wiesen größtenteils offene Dentintubuli auf.49 Aufgrund der geradlinigen Emittierung des Laserstrahles durch den Lichtleiter kam es aber auch hier aufgrund des umständlichen Handlings nur zu einer unvollständigen Reinigung der Kanalwände.50
Um diese Limitationen zu beheben, wurden spezielle endodontische Spitzen, sogenannte „side firing tips“, entwickelt, welche Strahlung nach lateral emittieren sollten und apikal versiegelt waren:51 Leider war eine baubedingte Voraussetzung für die Anwendung eine Mindestaufbereitungsgröße von ISO 60, wodurch unnötig Zahnhartsubstanz geopfert werden musste. Aufgrund der apikalen Versiegelung konnte apikal auch nur eine geringe Reinigungswirkung erzielt werden.
Laser Activated Irrigation (LAI) – eine Revolution
Wie konnten nun die großen Vorteile der Erbiumlaserstrahlung beibehalten werden, ohne die anwendungsbedingten Nachteile in Kauf nehmen zu müssen?
Blanken et al. beschrieb 2007 erstmals die intrakanaläre Anwendung eines gepulsten Erbiumlasers im mit NaOCl gefüllten Kanallumen.52 Hierbei konnten einige interessante Effekte beobachtet werden: Jeder Laserimpuls führte zu einer starken Beschleunigung der Flüssigkeit im Wurzelkanal. Gleichzeitig konnte ein starker Kavitationseffekt im Wurzelkanal nachgewiesen werden.53 Beide Effekte gemeinsam führten in vitro zu einer Reinigungswirkung, die der passiven Ultraschallaktivierung von Spülflüssigkeit (PUI), welche den bisherigen Goldstandard der Reinigung darstellt, überlegen ist.54 Aber auch bei der LAI (Laser Activated Irrigation) im Wurzelkanal zeigten sich einige Nachteile. Unabhängig vom Design der Laserspitze kam es zu einer teilweise starken Extrusion von Spülflüssigkeit über die apikale Konstriktion hinaus. Diese Extrusion war signifikant grö ßer als bei konventionellen Spülsystemen.55 Daneben kann es durch das Entstehen von Gasblasen infolge des Laserimpulses zur vollständigen Entfernung der Spülflüssigkeit im betreffenden Kanalbereich kommen, was wiederum zur thermischen Schädigung der Zahnhartsubstanz führen kann.56
PIPS® – die Evolution der Revolution
DeVito stellte 2010 erstmalig ein neuartiges Tip-Design vor, welches alle Vorteile der Erbiumlaserstrahlung, der LAI mit einer Minimierung des Risikos einer Extrusion von Spülflüssigkeit, vereint (Abb. 6).57
PIPS® ist die Abkürzung für Photon-initiated Photoacoustic Streaming. Hierbei wird der PIPS®-Tip lediglich ins mit Spülflüssigkeit geflutete Pulpenkavum eingebracht. Die gepulste Laserstrahlung erzeugt in der Spülflüssigkeit Schockwellen und Kavitationseffekte im gesamten Wurzelkanalsystem, die einen allen bisherigen Techniken überlegenen Reinigungseffekt im gesamten Kanalsystem einschließ lich Isthmen, lateralen Kanälen und bis weit in die Dentintubuli erzeugen sollen. Sowohl mit NaOCl als auch EDTA konnte eine fast vollständige Elimination von Bakterien und Smearlayer sowie Biofilm im In-vitro-Experiment nachgewiesen werden.58 Dabei kam es zu keinerlei Hinweis der Extrusion von Spülflüssigkeiten.59
Wie kann man sich den Mechanismus, der zu dieser überlegenen Reinigungswirkung führt, vorstellen? Zu Beginn des Laserimpulses kommt es durch die rapide Erhitzung der Spülflüssigkeit zur Entstehung einer sich ausdehnenden Dampfblase. Je weiter sich diese Dampfblase ausdehnt, desto mehr kühlt sie sich ab, was letztlich zu ihrer Implosion führt. Dies führt zu folgenden Effekten im Wurzelkanal:
- Die Volumenänderungen der Dampfblase führen zu einer starken Flüssigkeitsbewegung im Wurzelkanal.60
- Die Implosion der „Bubble“ ist ein sehr energiereicher Prozess. Es kommt zur Ausbildung von Schockwellen mit großer Amplitude und zur Ausbildung von „Micro-jets“. Nahe von Oberflächen kommt es zum Aufbau von Scherspannungen (primäre Kavitation).61
- Neben der primären Kavitation kommt es durch Ausbildung nachfolgender, kleinerer „Bubbles“ zu sekundären Kavitationsprozessen (Abb. 7).62
Diese durch Laser induzierten Effekte sind vom Absorptionsspektrum des endodontischen Spülmediums abhängig; das bedeutet, je besser die Absorption der Laserstrahlung durch ein bestimmtes Medium, desto höher der primäre und sekundäre Kavitationseffekt. NaOCl 5,3%, EDTA 17% und Wasser haben annähernd dasselbe Absorptionsspektrum.63
Wellenlängen, die schlecht von Spülflüssigkeit absorbiert werden, können zu Schäden an den Wurzelkanalwänden, in den Dentintubuli oder sogar im parodontalen Ligament führen. Hier liegt einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Erbium-Wellenlängen. So ist der Absorptionskoeffizient von Er:YAG bei 2.940 nm fast doppelt so hoch wie von Er,Cr:YSGG. Das PIPS®-System arbeitet ausschließ lich mit der Er:YAG-Wellenlänge von 2.940 nm. Das Design des PIPS®-Tip beeinflusst ebenfalls entscheidend die Effektivität der Reinigung: Es handelt sich um einen 9mm langen Tip mit einem Durchmesser von 600 µm, dessen apikale 3mm nicht mit Polyamid ummantelt sind und ein getapertes Ende aufweisen (Abb. 8). Das Fehlen der Ummantelung auf den apikalen 3mm führt zu einer verbesserten lateralen Abstrahlung.
Der Tip ist über ein spezielles Endodontie-Handstück mit der Laserquelle (Fotona LightWalker®) verbunden. Die freie Beweglichkeit über alle Achsen ermöglicht dabei eine Anwendung auch in schwierigen anatomischen Situationen (Abb. 9). Folgende Einstellungen sind für PIPS® vom Hersteller empfohlen: 50 µs Pulsdauer, 10 bis 20Hz und 0,15 bis 0,5W, das heißt bei jedem Puls werden durch Interaktion mit Spülflüssigkeit Spitzenleistungen von 400W bis zu 1.000W erzielt. Es wird weder Luft noch Wasserspray benötigt. Durch diese Einstellungen kommt es zur Auslösung der oben beschriebenen Schockwellen und der starken Strömung der Spülflüssigkeiten.64 Die Temperaturerhöhung an der Wurzeloberfläche bei einer PIPS®-Aktivierung von 20 bis 40 s betrug dabei lediglich 1,5 °C.65 Die klinische Anwendung sollte nach Herstellerangabe erfolgen.
Nach Ende der Aufbereitung wird mit 17% EDTA zur Entfernung des Smearlayers gespült. Das Pulpenkavum sollte dabei mit EDTA geflutet sein. Es erfolgt das Einbringen des PIPS®-Tip ins Orificium und die Aktivierung für 30 Sekunden (Abb. 8). Nach Zwischenspülung mit Kochsalzlösung wird mit NaOCl gespült. Darauf folgt eine zweimalige Aktivierung des NaOCl für jeweils 30 Sekunden mit 30 Sekunden Pause zwischen den Intervallen. Wichtig hierbei ist, immer eine ausreichende Flüssigkeitsmenge im Orificium. Falls notwendig muss die Assistenz hier kontinuierlich Spüllösung zugeben.
Studienlage
Die bisherige Studienlage zu PIPS® sieht sehr vielversprechend aus. So verglich eine Studie sowohl die Bakterienreduktion mit PUI und PIPS® als auch die Entfernung von Biofilm in vitro. Hierbei kam es bei Anwendung von PIPS® zu einer Bakterienreduktion von 99,5%, einer signifikant verbesserten Reduktion von Biofilm und einer signifikant größeren Anzahl bakterienfreier Proben.66 Jaramillo et al. verglichen in einer weiteren Studie die Entfernbarkeit von Biofilm bei der Anwendung verschiedener Techniken zur Aktivierung von Spülflüssigkeit. Neben PIPS® (Fotona LightWalker®) waren dies die passive Ultraschallaktivierung (PUI) und schallgestützte Aktivierung (EndoActivator®). Die laseraktivierte Spülung mit PIPS® war hinsichtlich der Entfernung des Biofilms allen anderen Techniken signifikant überlegen (Abb. 10).67 Eine weitere Studie beschäftigte sich mit der Entfernbarkeit von Kalziumhydroxid aus Wurzelkanälen. Die Autoren verglichen hier ebenfalls PIPS®, PUI und Schallaktivierung von Spülflüssigkeiten. Nach laseraktivierter Spülung mit PIPS® konnte in keiner der Proben mehr Kalziumhydroxid nachgewiesen werden, bei PUI waren in 24% der Proben noch Rückstände nachweisbar.68 Die Entfernung von künstlich mit E. faecalis infizierten Wurzelkanälen mit PIPS® beziehungsweise alleiniger Spülung mit Kochsalzlösung ohne Aktivierung war Gegenstand einer weiteren Studie. Bemerkenswert an dieser Studie war eine vollständige Entfernung des E. faecalis aus allen Kanälen in der PIPS®-Gruppe, wobei die Aufbereitung hier nur bis zur Pro-Taper® F1 Feile erfolgte.69 Diese Studie könnte ein Hinweis darauf sein, dass aufgrund der guten Reinigungswirkung von PIPS® eine minimalinvasivere Kanalaufbereitung, natürlich immer in Abhängigkeit von der anatomischen Situation, möglich sein könnte.
PIPS® – das Erwachen der Macht
Die Eradikation von Mikroorganismen und Gewebe aus dem Wurzelkanalsystem muss das Ziel jeder endodontischen Therapie darstellen. Aufgrund komplexer Kanalanatomien sowie technisch bedingten Limitationen gelingt eine vollständige Bakterienentfernung bisher nur sehr selten. Die Entwicklung von PIPS® zur Bakterienreduktion mittels laserinduzierter Aktivierung der Spülflüssigkeit könnte hier einen entscheidenden Vorteil gegenüber allen bisher bekannten Therapieverfahren erzielen. Die bisherige Studienlage ist sehr vielversprechend, allerdings sollten und werden hier noch weitere Studien, insbesondere In-vivo-Studien, erfolgen, um die bisherige positive Tendenz zu verfestigen. Alle bisherigen endodontischen Behandlungsschritte müssen auch bei der Therapie mit PIPS® umgesetzt werden, jedoch scheint die verbesserte Reinigungswirkung von PIPS® für den endodontisch tätigen Zahnarzt zwei entscheidende Vorteile zu realisieren:
- Eine verbesserte Reinigungswirkung der Kanalsysteme, was eine Verbesserung der Erfolgsquote der endodontischen Therapie zur Folge haben wird.
- Eine tendenziell substanzschonendere Aufbereitung aufgrund der verbesserten Reinigungswirkung. Hierdurch wird Zahnsubstanz geschont, was wiederum einen direkten Einfluss auf das Frakturverhalten endodontisch behandelter Zähne haben wird.
Die Integration von PIPS® in ein strikt antibakterielles endodontisches Behandlungkonzept könnte den Therapierfolg endodontischer Behandlungen damit nochmals erheblich verbessern.
Eine vollständige Literaturliste finden Sie hier.