Kieferorthopädie 10.11.2016

Effiziente und wirtschaftliche Behandlungsmöglichkeit



Effiziente und wirtschaftliche Behandlungsmöglichkeit

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Priv.-Doz. Dr. Dr. Marc Schätzle zeigt anhand eines klinischen Fallbeispiels die Kombination von OrthoPulse™ mit OrthoFolio® Alignern.

„Und wie lange wird es dauern?“ Ist dies nicht eine der Fragen, die Sie im Rahmen eines kieferorthopädischen Beratungsgesprächs – speziell bei erwachsenen Patienten – oft zu hören bekommen? Um eine KFO-Therapie möglichst rasch zu realisieren, wurden schon verschiedene, zum Teil auch invasive Methoden vorgeschlagen, damit Zahnbewegungen beschleunigt und damit Behandlungszeiten reduziert werden können. Eine für den Patienten angenehme und einfache Methode stellt in diesem Zusammenhang die Beschleunigung kieferorthopädischer Behandlungen mittels Photobiomodulation dar, umgesetzt mithilfe des OrthoPulse™-Gerätes (Fa. BIOLUX Research Ltd., Kanada). Im folgenden Artikel sollen Wirkungsweise und klinische Ergebnisse bei Einsatz dieser Apparatur dargestellt werden.

Was ist Photobiomodulation (PBM)?

Photobiomodulation (PBM), auch „Low-Level-Lichttherapie“ (LLLT) genannt, ist nicht invasiv und verwendet Licht im roten und nahe infrarotem Bereich zwischen 600 und 1.000 nm Wellenlänge. PBM erzeugt nicht thermische fotochemische Effekte in den bestrahlten Zellen, wobei besonders die Wirkung auf die Mitochondrien hervorzuheben ist. Schon in den 1930er-Jahren hat der deutsche Biochemiker und Nobelpreisträger Otto Wartburg die Wirkung spezifischer Lichtfrequenzen auf die Aktivität der Mitochondrien entdeckt. Diese Therapie findet in der Zahnmedizin beispielsweise zur Schmerzlinderung, bei Dentinüberempfindlichkeit, Behandlung craniomandibulärer Dysfunktion (CMD), Verbesserung der Implantatstabilität, Behandlung von Mukusitis und eben auch in der Beschleunigung kieferorthopädischer Therapien ihre Anwendung. Die PBM-Therapie ist schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen, wie auch die Anwendung in anderen medizinischen Disziplinen zeigt, wie zum Beispiel bei der Beschleunigung der Wundheilung, Arthritis-Behandlung oder auch der  Therapie von Haarausfall. Der Hersteller befasst sich seit 2003 mit der LLLT im zahnmedizinischen Bereich – genau genommen mit der Beschleunigung der Knochenregeneration. Auf Grundlage der über die Jahre gesammelten Erfahrungen im Bereich des Knochenan- und umbaus hat Biolux mit OrthoPulse™ (Abb. 2) nun ein Gerät auf dem Markt gebracht, welches zur Beschleunigung von kieferorthopädischen Behandlungen eingesetzt wird, durchgeführt mit sämtlichen am Markt verfügbaren Apparaturen wie z. B. bukkalen und lingualen Multibandapparaturen oder Alignern.

Nach der Einweisung des Patienten in der Praxis verwendet dieser das Gerät einmal täglich für fünf Minuten pro behandeltem Kiefer. Das Gerät emittiert dabei mittels LEDs mit einer Wellenlänge von 850 nm nahezu Infrarotlicht (NIR) auf die bukkale Oberfläche jedes Kiefers in Richtung des Parodonts, um so den Knochenumbau zu beschleunigen. Die Energiedichte beträgt 19,5 J/cm2. Eine Fehlbedienung durch den Patienten wird durch den automatischen Start beim Einsetzen in den Mund ausgeschlossen, ebenso beendet das Gerät die Behandlung selbsttätig. Zur Überwachung der regelmäßigen Anwendung steht dem Patienten eine Smartphone-App zur Verfügung, über die auch die Behandlungsdaten (Länge und Frequenz) vollautomatisch an den behandelnden Kieferorthopäden übermittelt werden. Dies gewährleistet eine lückenlose Überwachung der Behandlung durch den Kieferorthopäden in der Zeit zwischen den Kontrollterminen. Neben der Verkürzung der Behandlungsdauer von im Durchschnitt über 50 % durch die ergänzende Therapie mit OrthoPulseberichten Patienten zusätzlich von deutlich reduzierten Schmerzen in den ersten Tagen nach einem erfolgten Bogenwechsel bzw. Anpassung eines Bogens (Multiband) oder nach einem Alignerwechsel. Führende Forschungseinrichtungen wie das Forsyth Institute (Cambridge/USA), die Kyung Hee University (Seoul/Korea) oder das European University College (Dubai/UAE) befassen sich mittlerweile mit der Erforschung der Wirkung von Fotobiomodulation. In einer Studie von Chiari und Mitarbeitern (zur Veröffentlichung eingereicht) wurde die Wirkung von Fotobiomodulation auf die Zahnbewegung durch transkutane extraorale Fototherapie auf das Parodont von Ratten untersucht. Die Ergebnisse zeigten eine 2,8- bis 3,7-mal schnellere Zahnbewegung. Bei der Erforschung der Wirkung von Fotobiomodulation während der kieferorthopädischen Behandlung wurden erstaunliche Ergebnisse nachgewiesen.

Behandlung mit 
festsitzenden Apparaturen

  • keine klinisch signifikante Wurzelresorption1
  • 46 % Steigerung der Rate bei Lückenschluss bei Erwachsenen und 28 % Steigerung bei Jugendlichen verglichen zur Kontrollgruppe2
  • 2,3-mal schnellere durchschnittliche Behandlungsdauer3
  • keine signifikanten Änderungen bei der Wurzelresorption größer als 0,32 mm4


Behandlung mit Alignern

  • 66 % Reduktion der durchschnittlichen Tragedauer pro Aligner während der Behandlung mit OrthoPulse™ vergleichend zur empfohlenen Tragedauer5
  • keine messbaren Wurzelresorptionen nach sechs Monaten6

Klinisches Fallbeispiel

Ein 20-jähriger männlicher Patient meldete sich zwecks Korrektur der störenden Oberkiefer-Frontzahnlücken. Nach eingehender Anamnese, Beratung und Aufklärung wurden die diagnostischen Unterlagen erstellt. Es imponierte eine leichte skelettale (ANB-Winkel: –2.1°) und dentale Klasse I bei hypodivergentem skelettalem Aufbau. Oberkiefer und Unterkiefer wiesen je eine lückige Zahnstellung auf. Die Oberkieferfrontzähne waren leicht protrudiert zu der Frankfurter Horizontalen und der Oberkieferbasis, während im Unterkiefer die Schneidezähne achsengerecht standen (Abb. 4). Es wurden mit dem Patienten zwei Behandlungsoptionen diskutiert: Ein Lückenschluss mittels bukkaler oder lingualer festsitzender Multibandapparatur im Oberkiefer und Unterkiefer. Die Behandlungszeit wurde dabei auf ca. 18 Monate geschätzt. Aufgrund des Alters und der zu erwartenden, für das rein ästhetische Problem relativ langen Behandlungsdauer sowie aufgrund des großen finanziellen Aufwandes beinhaltete der alternative Behandlungsplan lediglich einen Lückenschluss im Frontzahnbereich in beiden Kiefern mittels Alignern. Basierend auf einem intraoralen Scan beider Kiefer und der anschließenden digitalen Planung mit einer 3D-Software (OrthoAnalyzer®-Software) in Zusammenarbeit mit dem lokalen zahntechnischen Labor (OrthoFolio® von Bussmann Orthodontie-
Labor AG, Schweiz) wurde eine Reihe von neun transparenten, patientenspezifischen Alignern pro Kiefer geplant, die die Zähne effektiv in die gewünschte Position bewegen sollten (Abb. 5 bis 9). Zur zusätzlichen Kontrolle der Zahnbewegungen wurden zudem zwei vertikale Attachments auf die zentralen Inzisiven appliziert. Analog zu anderen Alignersystemen werden normalerweise die Schienen alle zwei Wochen vom Patienten selbstständig gewechselt. Nach drei Schienen (sechs Wochen) ist bei OrthoFolio® jedoch jeweils ein erneuter Alginatabdruck oder intraoraler Scan notwendig, wodurch allfällige Übertragungsfehler oder mangelnde Patienten-Compliance nicht „potenziert“ werden. Nach neun Schienen bzw. elf  Wochen aktiver kieferorthopädischer Behandlung (neun Schienen mit je einer Woche Tragezeit und zweimal eine Woche Herstellungszeit nach erneutem Abdruck) konnten die Retainer im Ober- und Unterkiefer geklebt werden (Abb. 10). Um ein ästhetisch perfektes Ergebnis zu realisieren, müsste noch durch Stripping das schwarze Dreieck im Bereich der zentralen Inzisiven beseitigt werden, um dann im Oberkiefer-Frontzahnbereich einen kompletten Lückenschluss zu erreichen.

Fazit

Das therapeutische Behandlungsziel konnte zur vollen Patientenzufriedenheit erfolgreich klinisch umgesetzt werden. Die zu Therapiebeginn prognostizierte Behandlungszeit betrug 20 Wochen. Durch die tägliche Anwendung von OrthoPulse™ für fünf Minuten je Kiefer war es jedoch möglich, die Behandlung bereits in weniger als elf  Wochen abzuschließen. Es konnte gezeigt werden, dass die Kombination von OrthoPulse™ mit OrthoFolio® Alignern eine effiziente und wirtschaftliche Behandlungsmöglichkeit darstellt.

Die Literaturliste kann hier heruntergeladen werden.

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