Implantologie 01.11.2022

Exzision einer Epulis fibromatosa im Frontzahnbereich



Exzision einer Epulis fibromatosa im Frontzahnbereich

Foto: © Priv.-Doz. Dr. Kristian Kniha, Prof. Dr. Dr. Heinz

Als Epuliden werden Läsionen bezeichnet, die auf der Gingiva entstehen und zur Gruppe der tumorähnlichen Erkrankungen zählen.1 Dabei können Epuliden in die Untergruppen der Epulis granulomatosa, Epulis fibrosa/fibromatosa, Epulis fissurata und Epulis gigantocellularis eingeteilt werden. Eine Ausnahme stellt dabei die kongenitale Epulis („Epulis congenita“) dar, die einen echten gutartigen Tumor repräsentiert und dessen Ätiologie noch weitgehend unbekannt ist.2 Neben zahlreich diskutierter Ursprünge wurde in diesem Zusammenhang die Verwandtschaft der Epulis congenita mit Myofibroblasten diskutiert.3, 4

Berücksichtigung der Plastisch-Ästhetischen Parodontalchirurgie

Lokale intraorale Reizungen, Traumata, aber auch hormonelle Faktoren oder Medikamente werden oftmals mit der Epulis granulomatosa in Zusammenhang gebracht, wobei diesbezüglich reaktive benigne Bindegewebsproliferation und Granulationsgewebebildung auftreten.2 Dagegen imponiert bei der Epulis fibrosa histologisch hauptsächlich kollagenfaserreiches Gewebe, das häufig im Bereich der Interdentalpapillen anzutreffen ist. Bei beiden Epuliden ist eine chirurgische Resektion der Veränderung mit darunter liegendem Periost indiziert.1

Im Rahmen der Ätiopathogenese beim Reizfibrom („Epulis fissurata“) lässt sich in der Regel ein dauerhafter Reiz der Mundschleimhaut, z. B. durch insuffizient sitzende Prothesen, erkennen.1 Die Therapie der Epulis fibromatosa besteht in einer Abtragung der Hyperplasie sowie die Beseitigung der Reizursache. Dagegen entsteht die Epulis gigantocellularis, die auch Riesenzellepulis genannt wird, ausnahmslos im Bereich der Gingiva – vor allem im Seitenzahnbereich – und spiegelt makroskopisch eine weiche Konsistenz mit blauroter Farbe wider.1 Bei dieser Form tritt histologisch das Bild von ungleichmäßig verteilten Riesenzellen zutage. Im therapeutischen Konzept sollte eine Exzision sowie Kürettage auch des darunter liegenden Knochens erfolgen, um mögliche Rezidive zu verhindern. Rezidive sind bei der Epulis fibrosa und Epulis gigantocellularis häufig anzutreffen. So ist bei frustraner Resektion in seltenen Fällen sogar die Entfernung des verursachenden Zahnes zu erwägen.5 Neben der Resektion der Epuliden ist eine histologische Untersuchung aus differenzialdiagnostischen Gründen immer erforderlich.

Patientenfall und Ausgangssituation

Im Folgenden wird ein klinischer Fall einer 56-jährigen gesunden Patientin dokumentiert. Die Patientin stellte sich nach histologisch gesicherter, jedoch mehrfach frustran verlaufener Epulisresektionen alio loco in Regio 11 und 21 mit anhaltenden Rezidiven in unserer Praxis vor. Sie berichtete zudem, dass im Vorfeld bereits eine mögliche Zahnextraktion diskutiert wurde. Die Ausgangssituation bei der Erstvorstellung beinhaltete eine ca. 1,5 x 1,5 cm große Schleimhautwucherung in Regio der Zähne 11 und 21 (Abb. 1 und 2a). Aufgrund der hohen Lachlinie der Patientin war die exophytisch wachsende Veränderung vor allem beim Lachen ständig zu sehen, weshalb sich die Patientin das Lächeln in der Öffentlichkeit größtenteils abgewöhnt hatte. Die radiologischen präoperativen Bilder zeigten keinen Anhalt auf einen Fokus im Bereich der Zähne 11 und 21, welche zudem klinisch eine negative Perkussion und positive Vitalität aufwiesen (Abb. 2a und b). Nach ausführlicher Beratung wurde im Konsens mit der Patientin eine ausgedehnte Resektion der Veränderung mit simultaner Deckung mittels koronalen Verschiebelappen mit freiem Bindegewebstransplantat vom Gaumen geplant.

Chirurgisches Vorgehen

In Abbildung 3a wurde die herzförmige Resektionsgrenze der epuliden Veränderung in schwarzer Farbe eingezeichnet. Die Deckung mittels koronalen Verschiebelappen ermöglicht in diesem Fall unter anderem drei verschiedene Inzisionstechniken. Dabei spiegeln die Abbildungen 3b und c die Varianten mit vertikaler Entlastung wider, wobei in Abbildung 3b die Entlastung zwischen den mittleren und seitlichen Schneidezähnen und bei Abbildung 3c weiter lateral im interdentalen Bereich zwischen den seitlichen Schneidezähnen und dem Eckzahn zum Liegen kommen. In diesem speziellen Fall entschied sich der Operateur jedoch für die dritte Variante in Abbildung 3d ohne vertikale Entlastung, bei der die Inzision paramarginal begann und anschließend im Bereich der Eckzähne in eine sulkuläre Inzision überging.

Das Lappendesign entspricht der Technik des „Coronally Advanced Flap“ von Zuchelli et al.6 Zuerst erfolgte die subperiostale Resektion der Schleimhautveränderung (Abb. 4). Aufgrund der Faseransammlung im Bereich des Parodontalspalts des Zahnes 21 schien hier die mögliche Ursache für die Läsion zu liegen. Anschließend wurde die zuvor definierte Inzision (Abb. 5) sowie die epiperiostale Präparation (Abb. 6) des Verschiebelappens durchgeführt. Die Abbildung 6 verdeutlicht, dass das Periost lediglich im Bereich der Resektion entfernt wurde. Daraufhin erfolgte die Mobilisation und Durchtrennung der submukösen kollagenen und muskulösen Fasern des koronalen Verschiebelappens, um eine durchwegs spannungsfreie Deckung zu ermöglichen (Abb. 7). Der koronale und interdentale Bereich der Gingiva wurde mittels Skalpell bis in die Papillenspitzen entepithelisiert und im Zuge dessen leicht ausgedünnt (Abb. 8). Zudem wurde der freiliegende Knochen im Bereich der Zähne 11 und 21 mit einem Diamanten angefrischt und der Parodontalspalt intensiv kürettiert und auf diese Weise das Granulationsgewebe entfernt. Vor der Adaptation sowie dem Verschluss des Verschiebelappens erfolgte die Entnahme eines freien autologen Bindegewebetransplantats vom Gaumen, das nach Ausdünnung im Bereich der Resektion mit Nahtmaterial fixiert wurde (Abb. 9a und b). Zuletzt wurde der Nahtverband mit interdentaler Aufhängung durchgeführt (Abb. 10). Nach zehn Tagen erfolgte die Entfernung des Nahtmaterials und die Besprechung des histologischen Ergebnisses. Die Wunde am Gaumen zeigte eine regelgerechte beinahe abgeschlossene Heilung (Abb. 11a und b). Die Verlaufskontrolle nach 1,5 Jahren offenbarte reizfreie Schleimhautverhältnisse ohne radiologisch feststellbare pathologische Befunde in Regio 11 und 12 (Abb. 12a–c). Weiterhin zeigte sich eine erneute Keratinisierung der Gingiva im Bereich der mittleren Schneidezähne, wobei sich die befestigte Zone im Mittel von 13 bis zu 23 geringfügig durch den koronalen Verschiebelappen verringerte (Abb. 12b).

Histologie

Das pathologische Gutachten lieferte das Ergebnis einer Epulis fibromatosa ohne jeglichen Anhalt auf Malignität. Mikroskopisch zeigte sich ein mehrschichtiges Plattenepithel mit abschnittsweiser Epithelhyperplasie und fokaler Parakeratose. Interponiert wurden wiederholt unregelmäßig verlaufende Kollagenfasern, kleine Gefäßformationen, tiefe lymphozytäre Aggregate sowie knotige Bindegewebsvermehrungen mit spindelzelligen Zellen gesichtet (Abb. 13).

Diskussion

Grundsätzlich kann bezüglich plastisch-parodontalchirurgischer Defektdeckung die Epulisresektion des vorgestellten Patientenfalls inklusive Periost – ebenso wie die bei einer ausgedehnten gingivalen Rezession – als vergleichbare Ausgangssituation angesehen werden. Jedoch kann wie im erläuterten Fall erschwerend hinzukommen, dass es im Rahmen der Epulisresektion zu einer zusätzlichen Knochenanfrischung sowie intensiven Kürettage kommt. Die Behandlung einer gingivalen Rezession kann mit einer Vielzahl von Verfahren durchgeführt werden. Um diesen ausgedienten Defekt zu decken, stehen heutzutage vor allem zwei chirurgische Konzepte im Fokus: die Tunnelierung („Envelope Technik“) und der koronale Verschiebelappen. Hierbei sollten vor allem die Resektionsgröße und -lage, die Breite der Attached Gingiva, die Schleimhautdicke und die Distanz der zu deckenden Resektion berücksichtigt werden.7 Beide gegenüberstehenden chirurgischen Ansätze sind optional in Kombination mit beispielsweise einem autologen freien Bindegewebstransplantat durchzuführen. Dieses gilt als Goldstandard für die Verbreiterung oder Erneuerung der befestigten Zone, beinhaltet jedoch ein sekundäres Spenderareal und die damit verbundenen möglichen Komplikationen.8

Die Tunnelierung und der koronale Verschiebelappen sind beide als erfolgreiche Techniken im Rahmen der Rezessionsdeckung erfasst worden, wobei die Tunnelierung bei sehr dünnen Schleimhauttypen mit einer geringen Breite an Attached Gingiva Vorteile mit sich zu bringen scheint, wohingegen sich der koronale Verschiebelappen bei größeren Rezessionen (> 3 mm) und einer sehr breiten befestigten Zone positiv bewährt hat.9, 10 Nach den Ergebnissen einer Übersichtsarbeit von Kassa und Kollegen hatte die Kombination von Bindegewebstransplantationen mit einem koronal positionierten Lappen die höchste Erfolgsrate gezeigt.7 AllograftMaterialien und GTR-Techniken (Guided Tissue Regeneration) können ebenso zur Behandlung von Rezessionen eingesetzt werden, insbesondere, wenn Patienten eine Entnahmestelle für Schleimhauttransplantate verweigern.7

Schlussfolgerung

Die Kombination einer Bindegewebstransplantation mit einem koronal positionierten Lappen ermöglicht eine zuverlässige Defektdeckung mit vorhersagbaren Ergebnissen, die ebenso im Rahmen einer Epulisresektion angewendet werden kann. Epulisartige Läsionen sollten zur Diagnosesicherung und aufgrund verschiedenster Differenzialdiagnosen histologisch abgeklärt werden.

Ein Literaturverzeichnis finden Sie hier zum Download.

Dieser Beitrag ist in dem Implantologie Journal erschienen.

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