Cosmetic Dentistry 15.11.2017
Aus Liebe zum Detail
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Die Einzelkrone im Frontzahngebiet stellt eine der größten Herausforderungen für das Team Zahnarzt–Zahntechniker dar, die in der ästhetischen Behandlung zu finden ist. Ein perfektes ästhetisches Ergebnis zu erzielen, erfordert eine sehr enge Zusammenarbeit sowie eine optimale Kommunikation. Viele Details sind zu berücksichtigen, um ans Ziel zu gelangen. Dafür müssen Verfahren zur Farbbestimmung standardisiert werden und ein Arbeiten unter Vergrößerung ist zur Ästhetikanalyse und zur Erzielung eines perfekten Randschlusses unabdingbar. Daher setzt der Verfasser seit 1,5 Jahren erfolgreich die ExamVision Lupenbrille der Firma Bajohr OPTECmed mit dem Leuchtkopf Bajohr LED Powerlight yellow ein. Diese Kombination hat sich aufgrund der variablen Vergrößerung sowie des zuschaltbaren Gelbfilters bewährt.
Abbildung 1 zeigt die Ausgangssituation des Patienten. Der Zahn 21 weist eine vierflächige Kunststofffüllung auf. Ursache war ein Unfall des Patienten im Alter von 16 Jahren, in dessen Folge eine endodontische Behandlung notwendig wurde. Zur Kommunikation der Zahnfarbe werden in unserer Praxis unterschiedliche Verfahren verwendet. Die einfache Bestimmung der Zahnfarbe mittels eines Farbringes reicht natürlich nicht aus, um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen. Notwendig ist stattdessen ein standardisiertes, reproduzierbares und kalibrierbares Verfahren. Daher erfolgt die Farbnahme entweder mittels des eLAB-Systems nach ZTM Sascha Hein (Abb. 2) oder mit dem von ZTM Arnold Drachenberg entwickelten „DragonShade“-System (Abb. 3).
Dieses System kann sowohl mit dem Vita classical Farbring als auch mit dem Vita 3D-Master Farbring verwendet werden. Es enthält eine Haltevorrichtung für die Farbmuster, eine Grauwertkarte mit einem Grauwert von 50 Prozent sowie ein Gingivaschild mit einem eingelegten Grauwertstreifen. Damit kann das Foto kalibriert werden, um Helligkeit, Chroma und Farbton exakt zu bestimmen. Außerdem wird durch das Gingivaschild der Einfluss der Gingiva auf die vorgenannten Werte simuliert. Zur Farbbestimmung werden zwei Fotos der Nachbarzähne mit dem „DragonShade-System“ genommen. Abbildung 4 zeigt das Foto ohne Einsatz eines Filters, in Abbildung 5 wird zusätzlich ein kreuzpolarisiertes Foto mittels des „Polar Eyes“-Filter genommen, um die Lichtreflexionen von der Oberfläche zu eliminieren, sodass die Details in der Zahnstruktur deutlicher hervortreten. Die korrekte Handhabung des „DragonShade“-Systems zeigt Abbildung 6. Um die Lippe aus dem Bild zu halten, sollten Refraktoren zum Einsatz kommen. Die Farbmuster werden Schneidekante auf Schneidekante mit den natürlichen Zähnen platziert, um unerwünschte Schattenbildung zu vermeiden. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass der Grauwertstreifen im Bild sichtbar ist, da sonst kein Weißabgleich möglich ist und damit das Foto nicht kalibriert werden kann.
Wenn die endgültige Restauration nicht mit einem Metallkern gefertigt wird, ist es notwendig, dem Techniker auch die Stumpffarbe zur Verfügung zu stellen (Abb. 7), da bei transluzenten Gerüststrukturen ein Teil der endgültigen Zahnfarbe der Restauration aus der Unterstruktur kommt. Arbeitet der Zahnarzt mit einem Zahntechniker zusammen, dessen Labor sich in größerer räumlicher Entfernung befindet, sodass keine Möglichkeit besteht, dass der Zahntechniker den Patienten live sieht, ist es von größter Wichtigkeit, dass der Behandler die Nachbarzähne und in diesem Fall den Zahn 11 genauestens analysiert. Sind dort Risse oder Sprünge vorhanden, muss diese Information dem Zahntechniker möglichst präzise kommuniziert werden. Zur Analyse der Zahnstruktur hat sich der Einsatz einer Lupenbrille bewährt. Abbildung 8 zeigt die vom Verfasser verwendete ExamVision Lupenbrille mit LED-Beleuchtung. Es handelt sich um ein Kepler-System, die Optik ist nach dem TTL-Prinzip in das Glas der Brille eingearbeitet. Bei Routinebehandlungen verwendet der Autor eine 3,5-fache Vergrößerung, während für komplexere Aufgabenstellungen, wie z. B. die Einprobe oder Eingliederung extrem dünner No-Prep Veneers, eine 5,7-fache Vergrößerung zum Einsatz kommt. Für die Untersuchung der Zahnstruktur auf Risse wird der LED-Leuchtkopf von der Brille abgenommen, die Lichtintensität zunächst auf ca. 50 Prozent gedämmt und der zu analysierende Zahn von palatinal damit beleuchtet.
Abbildung 9 zeigt die Risse und Frakturlinien im Zahn 11, die in der Analyse festgestellt wurden. Durch entsprechende Steuerung des R1C1-Blitzsystems der Firma Nikon ist es möglich, diese Information im Foto festzuhalten und so dem Zahntechniker eine präzise Vorlage an die Hand zu geben. Die Versorgung des Patienten erfolgte im Rahmen eines „Live-Patient-Kurses“ mit IPS e.max Ceram, die Effekte wurden mit den neuen IPS e.max Ceram Selection Effektmassen (Ivoclar Vivadent) erzielt. Überraschenderweise wurden von den teilnehmenden Zahntechnikern völlig unterschiedliche Lösungswege beschritten. Von der Zirkonkrone über die Presskeramik, die Galvanokrone bis zur klassischen VMK-Krone kam die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten zum Einsatz. Auch die prothetischen Lösungen waren unterschiedlich. Die meisten Teilnehmer entschieden sich für eine Einzelkrone und den Erhalt des Diastemas, während einige Teilnehmer das Diastema mittels einer Einzelkrone und eines partiellen No-Prep Veneers geschlossen haben.
Ohne herausragenden Zahntechniker kann eine so komplexe Aufgabenstellung natürlich nicht gelöst werden. Die besten Grundlagen helfen nicht, wenn der Zahntechniker nicht in der Lage ist, die Keramik entsprechend den ästhetischen Anforderungen zu schichten. Hier ist in der Tat der Künstler gefragt. Abbildung 10 zeigt die von ZTM Jan-Holger Bellmann geplante Schichtung der Keramik. Die Auswahl der Keramikmassen erfolgte, nachdem die Kalibrierung der Fotos durch einen Weißabgleich durchgeführt wurde, via Photoshop oder Lightroom (Abbildung 11). Mittels Brennproben (Abb. 12) wurden die Effektmassen getestet, um die feinsten Details der Zahnstrukturen wiedergeben zu können. Die Abbildung 13 zeigt sechs der insgesamt acht finalen Ergebnisse. Es wird deutlich, dass völlig unterschiedliche Lösungsansätze zu herausragenden Ergebnissen führen können.
Bis zu diesem Kurs war der Verfasser der Meinung, dass ausschließlich vollkeramische Restaurationen in einem so komplexen ästhetischen Fall zu einem optimalen Endergebnis führen können. Der Patient war mit der Entscheidung, welche Version final eingegliedert werden soll, völlig überfordert. Selbst die Entscheidung, ob das Diastema geschlossen werden soll oder nicht, war für ihn nicht möglich. Deshalb wurde zunächst mittels eines Mock-ups das Diastema geschlossen. Die Ausarbeitung des Mock-ups muss intraoral erfolgen, da es ansonsten aufgrund der extrem dünnen Schichtstärken im Bereich des additiven Teilveneers beschädigt werden würde. Um einen perfekten Randschluss und Übergang des Mock-ups zu erzielen, ist der Einsatz einer Lupenbrille erforderlich. Nach einwöchigem Probetragen hat sich der Patient dann entschieden, die Lücke nicht zu schließen. Der Verfasser hätte sich auf alle Fälle für einen Lückenschluss mittels Krone und partiellem No-Prep Veneer entschieden. Abbildung 14 zeigt die Krone sowie das extrem grazile No-Prep Veneer. Die Schichtstärke beträgt an der dünnsten Stelle lediglich 0,05 mm. Sowohl die Einprobe als auch das Einsetzen einer so dünnen Restauration sind ohne Lupenkontrolle nicht möglich. In solchen Fällen ist die Anwendung einer möglichst hohen Vergrößerung sowohl zur Kontrolle des Randschlusses als auch zum Zementieren und der mangels Präparationsgrenze schwierigeren Nachbearbeitung gegenüber einer präparierten Veneerversorgung zwingend erforderlich. Mit einer 5,7-fachen Vergrößerung bietet die ExamVision Lupenbrille eine optimale Kontrolle. Abbildung 15 zeigt den Verfasser bei der Einprobe der Restauration. Die verwendete Leuchte Bajohr LED Powerlight yellow bietet nicht nur eine perfekte, dimmbare Ausleuchtung des Behandlungsbereiches, sondern es kann darüber hinaus auch per Knopfdruck ein Gelblichtfilter zugeschaltet werden, sodass eine vorzeitige Aushärtung des Zementes vermieden wird. Ein Feature, das man auch in der Füllungstherapie sehr schnell schätzen lernt. Das Gewicht der LED-Einheit beträgt nur 12 g und hält durch den Akku je nach gewählter Lichtstärke bis zu sechs Stunden. Dank des mitgelieferten zweiten Akkus können ohne Probleme auch lange Behandlungen durchgeführt werden.
Die Abbildung 16 zeigt das Endergebnis der Versorgung. Es wird deutlich, dass es dem Zahntechniker gelungen ist, die natürliche Zahnstruktur in allen Details perfekt zu imitieren. Auch hochkomplexe ästhetische Probleme im Frontzahnbereich können unter Verwendung standardisierter, kalibrierter Verfahren durch den Einsatz digitaler Fotografie und eine präzise Analyse der Zahnstruktur unter Lupenkontrolle sicher und vorhersehbar gelöst werden.
Der Dank des Verfassers geht an die beteiligten Zahntechniker Jan-Holger Bellmann, Matthias Birkner, Jürgen Dieterich, Andreas Kunz, Oliver Morhofer, Simon Schömer, Joachim Werner und Carola Wohlgenannt für ihre hervorragenden Arbeiten sowie an Michael Donhauser (Ivoclar Vivadent) für die tolle Organisation des Kurses.
Der Beitrag ist in der cosmetic dentistry 4/2017 erschienen.