Cosmetic Dentistry 25.11.2013

Das Zusammenspiel von Funktion und Ästhetik



Das Zusammenspiel von Funktion und Ästhetik

Ein schneller Spruch, der aus unserer Sicht jedoch die Dinge auf den Punkt bringt. Wenn die Funktion nicht stimmt, wird es auch keine Ästhetik geben und umgekehrt. Im Folgenden wird ein Weg dargestellt, wie wir Funktion und Ästhetik miteinander im Alltag vereinen.

Fallbeschreibung

Bei unserem Patienten entstanden funktionelle und ästhetische Probleme, welche mechanische, traumatische und stressbedingte Ursachen hatten. Chemische Ursachen konnten ausgeschlossen werden. Anamnestisch wurde Stress im Beruf angegeben, Verspannungen im Kopf-, Nacken-, Schulterbereich, ebenso nächtliches Knirschen mit den Zähnen. Stress aktiviert das Kausystem (besonders die Kaumuskulatur), hat eine Kaukraftvermehrung zur Folge, zum Knirschen benutzte Zähne sind unter dem Einfluss unnormal hoher Kaukräfte extremer Druck- und Biegebeanspruchung ausgesetzt und Aussprengungen an der Zahnhartsubstanz (Gefügeauflockerungen) sind sichtbar. Funktionsbedingte Zahnhartsubstanzdefekte sind im weitesten Sinne alle im Laufe eines Lebens auftretende Substanzverluste der Zähne. Durch Verlust der Eckzahnführung konnte der Patient die Schlüssel-Schloss-Position einnehmen. Die Zähne des Seitzahngebietes wurden in den Lateralbewegungen unphysiologisch belastet.

Auf Wunsch des Patienten führten wir zunächst eine symptombezogene Therapie durch, mit Mundhygieneinstruktionen, Versiegelungen – Komposit-Füllungstherapie und adjustierte Aufbiss-Schienen kamen zur Anwendung. Sehr hilfreich zeigte sich eine begleitende physiotherapeutische Behandlung mit manualtherapeutischen Methoden und Massagen. Immer mehr deutlich sichtbare Abrasionen, Überempfindlichkeitsreaktionen der Zähne, eine ungleichmäßige Okklusionsebene und sehr häufige Füllungsverluste erhöhten den Leidensdruck des Patienten und er wünschte sich eine andere Gesamtversorgung seines Kausystems. Nach umfassenden Beratungen und unter Einbeziehung des zahntechnischen Labors entschied sich der Patient für eine ursachenorientierte Behandlung.

Nach einer eingehenden klinischen Untersuchung und der Erstellung des klinischen Funktionsstatus wurde die instrumentelle Funktionsdiagnostik mittels Centric Guide® durchgeführt. Die gewonnenen Registrate dienten der Artikulation der Modelle. Auf Grundlage des Registrates wurde eine Therapieschiene gefertigt. Diese wurde vom Patienten sechs Monate getragen und während der Tragezeit monatlich auf ihre Funktion überprüft. Es wurde ein Behandlungskonzept erarbeitet, welches das Ziel hatte, die ästhetische und funktionelle Rehabilitation der Okklusion wiederherzustellen. Durch Bisserhöhung bzw. Bisslageveränderung sollte mittels komplexer Rekonstruktion die durch Erosion oder Abrasion entstandenen Hartsubstanzdefekte ausgeglichen werden.

Dabei wurde das vorliegende Messergebnis für die Erstellung eines Wax-ups genutzt. Parallel dazu wurde im Labor noch eine komplette Fotodokumentation erstellt. Diese dient als zusätzliche Planungsgrundlage bei der Erstellung des Wax-ups. Alle medizinischen Vorgaben der Behandlerin und individuelle Wünsche des Patienten fließen in die Erstellung des Wax-ups mit ein. Funktion und Ästhetik sind so bereits im Wax-up komplett umgesetzt. Anhand des Wax-ups konnte dem Patienten seine mögliche zukünftige Zahnversorgung detailliert erklärt und dargestellt werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung, damit der Patient eine visuelle Vorstellung erhält, auf deren Grundlage er eine Entscheidung treffen kann. Alle medizinischen Möglichkeiten wurden dem Patienten ausführlich durch die Behandlerin erklärt. Nach eingehender Beratung entschied sich der Patient für eine Komplettversorgung.

Im Vorfeld der prothetischen Umsetzung wurde noch ein Formteil auf Basis des Wax-ups und ein Biss-Jig für die Übertragung der vertikalen Dimension gefertigt. Nach der Präparation der Stützzonen wurde mithilfe des Biss-Jigs eine Bissregistrierung zur Übertragung der Schienenbisshöhe durchgeführt. Im Anschluss der kompletten Präparation erfolgten die Gesichtsbogenregistrierung und die Komplettabformung beider Kiefer.

Um den therapeutischen Erfolg dieser umfassenden Rehabilitation in der Fertigungsphase vorhersagbarer zu machen, kam eine Zwischenversorgung über ein Formteil zur Fertigung der Provisorien zum Einsatz. Damit konnte nochmals kontrolliert werden, ob der Patient die Vertikaldimension toleriert. Gleichzeitig konnte die Ästhetik und Phonetik überprüft werden. Die neuen Zahnproportionen und das angestrebte okklusale Konzept wurden im Alltag durch den Patienten erprobt.

Die Provisorien wurden mithilfe des im Vorfeld gefertigten Formteils gefertigt. Das Wax-up verwandelt sich jetzt in einen Prototyp. Der Patient erhält bereits in diesem frühen Stadium einen Eindruck seiner späteren definitiven Versorgung. Eventuelle Änderungswünsche im ästhetischen Bereich können so direkt in den Herstellungsprozess einfließen. Als zweiter Behandlungsschritt erfolgte die Bestimmung der zentrischen Kondylenposition mittels Centric Guide®. Für die Registrierung wurden entsprechende individuelle Messschablonen gefertigt. Die Schablonen sitzen auf den präparierten Zahnstümpfen. Die gewonnenen Registrate dienten der Artikulation der Modelle im Artikulator. Mithilfe des Biss-Jigs kann die Bisshöhe im Vollwertartikulator auf die neue Modellsituation übertragen werden. Nun begann die eigentliche zahntechnische Arbeit, die Herstellung der Kronen und Teilkronen. In der definitiven Versorgung verwendeten wir vollkeramische Kronen aus transluzentem Zirkonoxid, Teilkronen aus e.max® und setzten auch minimalinvasive Behandlungsmethoden mit Table Tops um. Die Zirkonkäppchen wurden mittels CAD/CAM-Technologie und die e.max-Teilkronen mittels Presstechnik hergestellt. Aufgrund der präzisen Abformungen wurde auf eine Käppcheneinprobe verzichtet. Alle Zirkonkäppchen wurden mehrflächig, nach der vorab durchgeführten Farb- und Formbestimmung, individuell verblendet. Alle Kauflächen wurden nach Okklusionskonzept gefertigt und in allen vier Bewegungsrichtungen auf ihre Funktion überprüft. In der Dynamik wurde eine Fronteckzahnführung eingestellt. Gerade durch die Dynamik erhalten die einzelnen Frontzähne ihre ganz individuelle Form im Bereich der Scheidekante. Die Okklusionsebene wurde parallel zur Camperschen Ebene gestaltet.

Als dritter Behandlungsschritt erfolgte die Rohbrandeinprobe. Alle Zahnversorgungen wurden auf Passung, Form, Okklusion und Kontaktpunktsituationen überprüft. Gleichzeitig konnte der Patient sein zukünftiges Lächeln testen und ggf. Änderungswünsche einbringen. Empfehlenswert ist es, den Patienten seine neue Zahnversorgung in einem großen Wandspiegel betrachten zu lassen. So erhält er einen kompletten Eindruck seiner Person und kann auch den Abstand zum Spiegel selbst besser einschätzen und bestimmen. Es ist immer wieder schön anzusehen, wenn Patienten zum ersten Mal ihr neues Lächeln betrachten. Erwähnenswert ist auch, dass der Patient die gemessene Position in der neu gestalteten Okklusion sofort gefunden und als angenehm empfunden hat. Eine derartige Komplexversorgung ist bei uns immer Teamwork von Praxis und Labor. Sowohl bei der instrumentellen Funktionsdiagnostik als auch bei der Rohbrandeinprobe ist der Techniker oder die Technikerin, die diese Zahnversorgung fertigt, in der Praxis mit anwesend. So können mögliche Änderungswünsche schnell und präzise in die Tat umgesetzt werden. Als letzter zahntechnischer Schritt erfolgte die Fertigstellung mittels Politur und Glanzbrand. Im Anschluss daran erfolgt die nochmalige und definitive Okklusionskontrolle in allen vier Bewegungsrichtungen, Protrusion, Retrusion und beiden Lateralbewegungen im Vollwertartikulator. Mögliche Hyperbalancen werden mittels Keramikpolierer gezielt entfernt. Die Statik und Dynamik der Okklusion wird nochmals mittels 8 μm dünner Artifolie Zahn für Zahn geprüft. Als vierter Behandlungsschritt erfolgte die Eingliederung der gesamten Versorgung.

Fazit aus zahntechnischer Sicht

Bei derartigen Komplexversorgungen schlägt das Herz eines Zahntechnikers höher. Alle medizinischen Notwendigkeiten und die individuellen Wünsche des Patienten können frühzeitig in die Planung einfließen. Die prothetische Umsetzung kann langfristig geplant werden. Kurz gesagt, die Planung ist Pflicht, die Umsetzung ist die Kür. Ein neues Lächeln zu gestalten und zu erschaffen, ist doch das Schönste an unserem Beruf. Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung ist aus unserer Sicht die gezielte Fallplanung, die Einbindung der präzisen und reproduzierbaren Funktionsdiagnostik, die heutigen technischen Möglichkeiten der Herstellung, das handwerkliche Geschick in Verbindung mit wenigstens einem Tropfen Herzblut und vor allem Freude und Begeisterung für seine Arbeit. Belohnt wird dieser Einsatz durch die Freude, Begeisterung und langfristige Zufriedenheit des Patienten.

Fazit aus zahnmedizinischer Sicht

Im Ergebnis dieser komplexen Behandlungsstrategie konnten wir für den Patienten eine adäquate statische und dynamische Okklusion mit einem sehr hohen Maß an Ästhetik und Funktionalität wiederherstellen. Der Patient hatte sich sehr schnell an seine Bisssituation gewöhnt, war und ist begeistert, ebenso wie Zahnarzt und Zahntechniker. Sehr deutlich muss man sagen, dass nur durch ein optimales Zusammenspiel von Patient, Zahnarzt und zahntechnischem Labor, einschließlich solcher exzellenter elektronischer Aufzeichnungssysteme (wie hier verwendet Centric Guide®), zur Festlegung der zentrischen Relation eine solche Gesamtrekonstruktion möglich machen.

Autoren: Dipl.-Stom. Sabine Pataki, ZTM Christian Wagner

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