Cosmetic Dentistry 28.02.2011
Zahnbleichmittel: Medizinprodukt oder Kosmetikum?
Strahlend weiße Zähne liegen seit Jahren im Trend. Sie stehen für Attraktivität und Erfolg, während verfärbte Zähne als unästhetisch und ungepflegt gelten. Immer mehr lassen sich die Zähne chemisch bleichen. Neben fachlichen Bedenken wirft das Bleachen auch juristische Fragen auf, die der Zahnarzt kennen sollte. Hierzu gehört die Einordnung von Zahnbleichmitteln zu den Kosmetika oder den Medizinprodukten. An Medizinprodukte werden höhere Anforderungen gestellt als an Kosmetika. Medizinprodukte bedürfen einer CE-Kennzeichnung, durch welche grundlegende Anforderungen zur Produktsicherheit gewährt werden sollen. Die Anwendung bedenklicher Medizinprodukte durch den Zahnarzt ist nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) verboten und mit Strafe bedroht.
Als Zahnbleichmittel werden Präparate eingesetzt, die Wasserstoffperoxid oder Carbamidperoxid enthalten. Durch diese Stoffe werden Sauerstoffradikale im Zahnschmelz freigesetzt, welche die Farbstoffe im Zahn chemisch verändern (oxidieren). Die Zähne erscheinen dadurch optisch heller. Hiervon zu unterscheiden sind „Zahnweißer“, das sind Produkte, deren Wasserstoffperoxidgehalt unter 0,1% liegt und die keine zahnaufhellende Wirkung haben. Ob es sich bei den Zahnbleichmitteln um Kosmetika oder Medizinprodukte handelt, wurde von den Gerichten in den letzten zehn Jahren immer wieder unterschiedlich entschieden. Während das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Frage zunächst offenließ (24.06.1999 – 13 B 96/99 –), kam es später zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Zahnbleichmittel Wasserstoffperoxid um ein Medizinprodukt handelt (14.08.2003 – 13 A 5022/00 –). Diese Ansicht vertritt auch das Landgericht Hannover (18.07.2001 – 22 O 1075/01 –).
Zu einem anderen Ergebnis kam das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg (27.07.2006 – 3 K 1409/04 –). Es ging dabei um drei Bleichprodukte, wovon das erste einen Wasserstoffperoxidgehalt von 30% enthielt. Die anderen beiden Produkte enthielten 10% bzw. 15% Carbamidperoxid, wodurch Wasserstoffperoxid in einer Konzentration von ca. 3,6% bzw. 5,4% freigesetzt wird. Gemäß § 2 Abs. 5 LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) sind kosmetische Mittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu angewendet werden, den Körpergeruch zu beeinflussen. Vor dem Hintergrund zweier EG-Richtlinien legte das VG Freiburg den Begriff „äußerlich“ dahingehend aus, dass dieser sich nur auf die Anwendung am Körper, nicht aber auf die Anwendung in der Mundhöhle beziehe. Die Tatsache, dass Zahnbleichmittel in den Zahn eindringen und innerlich wirken, stünde somit der Einordnung als Kosmetikum nicht entgegen. Darüber hinaus sah es die Zweckbestimmung des Produktes als überwiegend kosmetischer Art an.
Dieses Urteil wurde durch den Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in der Berufung abgeändert (02.01.2008 – 9 S 2089/06 –). Das Gericht ordnete die benannten Präparate als Medizinprodukte ein. Es betonte zunächst, dass das Medizinproduktegesetz nicht für kosmetische Mittel gelte, weshalb ein Erzeugnis nur entweder Kosmetikum oder Medizinprodukt sein könne. Die Abgrenzung nahm der VGH – wie das VG Freiburg auch – anhand des § 2 Abs. 5 LFGB vor. Die Frage, ob der Begriff „äußerlich“ sich lediglich auf den Körper des Menschen oder auch auf dessen Mundhöhle beziehe, hielt das Gericht jedoch nicht für erheblich. Entscheidend sei nämlich nicht die Wirkungsweise, sondern vielmehr die Art der Anwendung. Diese erfolge äußerlich durch Aufbringen auf den Zahn, weshalb die Tatsache, dass sich die Wirkung im Zahninneren entfalte, unerheblich sei. Im konkreten Fall fehlte nach Ansicht des VGH jedoch die überwiegende kosmetische Zweckbestimmung. Diese ergebe sich anhand eines abstrakt-objektiven Maßstabes. Ebenso wie für die Qualifizierung als Arzneimittel sei entscheidend, wie das Produkt einem durchschnittlich informierten Verbraucher gegenüber in Erscheinung trete. Nach Ansicht des Gerichts ist auf Merkmale der Erzeugnisse abzustellen. Hierzu zählten insbesondere die Zusammensetzung, die Eigenschaften, die Modalitäten des Gebrauchs, die äußere Form und Aufmachung, der Umfang der Verbreitung sowie die Risiken, welche die Verwendung mit sich bringen kann.
Für die Zweckbestimmung zog das Gericht die Gebrauchsanweisungen heran. In diesen waren als Anwendungsgebiete sowohl leichte Zahnverfärbungen durch Nahrungsmittel, Getränke und Tabak als auch Verfärbungen durch altersbedingte degenerative Veränderungen, Tetracyclinverfärbungen, Fluorosis, Pulpennekrose, endodontische Behandlungen, Maskierung von Schmelzflecken und genetisch bedingte dunkle Zähne aufgeführt. Nach Ansicht des Gerichts ließ sich kein Überwiegen der kosmetischen Zweckbestimmung entnehmen. Zahnverfärbungen von nicht unerheblichem Ausmaß könnten nicht von vornherein und grundsätzlich aus dem Bereich der medizinischen Indikation herausgenommen werden. Es handele sich bei den Produkten deshalb um Gegenstände, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionsfähigkeit zum Zwecke der Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt seien, und somit um Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nr. 1a MPG. Ergänzend stützte der VGH seine Entscheidung auf die Zusammensetzung der Präparate und die damit verbundenen Risiken.
Es verwies auf den Tagungsbericht des Bundesinstituts für Risikobewertung von 2003 und das Gutachten des von der Europäischen Kommission eingesetzten wissenschaftlichen Ausschusses „Konsumgüter“ von 2005. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass Wasserstoffperoxid in einer nicht unerheblichen Konzentration eine schwach kanzerogene Wirkung hat und ein genotoxisches Potenzial nicht ausgeschlossen werden kann. Weitere Risiken sind die Entzündungen der Zahnpulpa sowie eine Beschädigung des Zahnschmelzes, die zu Kerben und Kratzern an den Zähnen führen kann. Diese Risiken sprächen ebenfalls gegen die Einordnung als Kosmetikum. Der VGH hat keinen allgemeingültigen Grenzwert für die Differenzierung Medizinprodukt – Kosmetikum bei Bleachingpräparaten aufgestellt. Dennoch sind die der Entscheidung zu Grunde liegenden Werte als Anhaltspunkte zu sehen. Deshalb sind nach derzeitiger Rechtslage Zahnbleichmittel mit einem H2O2-Gehalt von mehr als 3,6 % (bzw. einem entsprechend umgerechneten Carbamidperoxid-Gehalt) im Zweifel als Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes anzusehen. Das bedeutet, dass die entsprechenden Produkte über ein CE-Kennzeichen verfügen müssen. Es ist Aufgabe des Zahnarztes, das vor ihrem Einsatz zu überprüfen.
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