Endodontologie 30.01.2024

Hygienemanagement bei ungewöhnlicher Zahnstellung



Hygienemanagement bei ungewöhnlicher Zahnstellung

Foto: © Georg Benjamin

Als Synonym für höchste Behandlungsstandards schätzt der Autor dieses Beitrags und Endo-Experte Georg Benjamin seit jeher den Kofferdam als ersten Schritt zu einer effizienten, nachhaltigen Wurzelkanalbehandlung. Am folgenden Patientenfall demonstriert er, wie die neuesten Kofferdam-Varianten eine sorgfältige Infektionskontrolle ermöglichen und den Blick für besondere Details wie eine ungewöhnliche Zahnstellung schärfen.

Der Fokus auf Details sowie die höchstmögliche Kontrolle über ein reproduzierbares Ergebnis sind mir als Endo-Experte äußerst wichtig. Nicht zuletzt aus diesem Anspruch heraus inspirierte uns der klassische Kofferdam sogar zu unserem eigenen Praxisnamen. Von einigen Praxisteams oftmals gescheut, weil als umständlich und zeitaufwendig sowie wenig bequem für den betroffenen Patienten verschrien, leistet der Kofferdam doch eine wichtige Unterstützung bei der Schaffung eines trockenen und keimreduzierten Arbeitsfeldes.

Dank der Abschirmung des zu behandelnden Zahnes vom restlichen Mundraum ermöglicht die Kofferdam-Technik eine Konzentration auf den jeweils betroffenen Zahn. Insbesondere bei einer Wurzelkanalbehandlung ist das Einbringen zusätzlicher Keime und Bakterien unter allen Umständen zu vermeiden, um eine langfristig erfolgreiche Aufbereitung zu erzielen und das Risiko einer späteren Revision zu minimieren. Die aktuell auf dem Markt erhältlichen Kofferdam-Varianten schützen nicht nur den Patienten selbst vor dem Aspirieren und Verschlucken von Fremdkörpern, sondern schirmen auch das Weichgewebe vor dem Kontakt mit weiteren Instrumenten ab. Neben ihrer primären Funktion als Infektionsschutzbarriere bieten sie zudem einen guten Kontrast in der Arbeit mit der Lupenbrille und die spätere Fotodokumentation der Wurzelkanalbehandlung, wie auch der folgende Patientenfall zeigt.

Apikale Parodontitis an Zahn 16

Eine 38-jährige Patientin wurde vor Kurzem mit Beschwerden im rechten Oberkiefer an unsere Praxis überwiesen. Die Eingangsuntersuchung inklusive Röntgendiagnostik bestätigte eine apikale Parodontitis an Zahn 16 (Abb. 1a–c). Die digitale Volumentomografie zeigt unter anderem auch das Vorhandensein nur eines Kanals in der mesiobukkalen Wurzel statt der üblichen zwei Wurzelkanäle. Der Fall konnte aufgrund der effizienten Aufbereitungsmethode mittels „Tactile Controlled Activation“ (kurz: TCA) und dem Einsatz flexibler NiTi-Feilen in nur einer Sitzung behandelt werden.

Nach Anlegen des Kofferdams und Eröffnung des Pulpakavums erfolgte die eigentliche Aufbereitung mit vorbiegbaren Nickel-Titan-Feilen (COLTENE; Abb. 2). Bevor wir einen genaueren Blick auf den Einsatz des Kofferdams im vorliegenden Fall werfen, wird der Ablauf der Behandlung vorab im Überblick geschildert: Zu Beginn wurde mit einer Handfeile Größe 10 auf technische Durchgängigkeit geprüft, bevor ein anatomisch korrekter Gleitpfad mithilfe der passenden Spezialfeile geschaffen wurde (Abb. 3). In diesem Fall kam eine HyFlex EDM 15/.03 Glidepath-Feile zu Beginn der Aufbereitung zum Einsatz. Die Abkürzung „EDM“ steht dabei für ein besonderes Herstellungsverfahren namens „Electrical Discharge Machining“. Diesem verdanken die flexiblen Feilen ihre gute Schneidleistung und Bruchsicherheit. Durch den sogenannten „Controlled Memory“-Effekt (CM-Effekt) lassen sich HyFlex Feilen vorbiegen, was die taktile Aufbereitung des Kanals erleichtert. Im Gegensatz zu herkömmlichen NiTi-Feilen haben sie einen kontrollierten Rückstelleffekt, der Verblockungen im Kanal und einer Begradigung oder Verlagerung vorbeugt und dafür sorgt, dass die Feilen optimal im Kanalzentrum arbeiten. Nach Schaffung des Gleitpfades wurde mit einer HyFlex EDM Präparationsfeile (Größe 20/.05) weitergearbeitet. Die weitere Kanalausformung übernahmen zwei HyFlex CM-Feilen in den Größen 30 und anschließend 35, beide mit einer Konizität von .04. Unter Berücksichtigung des entsprechenden Spülprotokolls mit NaOCl wurde weiter mit den Finishing Files 40/.04 und 60/.02 final aufbereitet. In der bewährten TCA-Technik gelang somit eine sichere und reproduzierbare Instrumentierung des doch etwas engeren mesiobukkalen Kanals. Dabei wird die rotierende NiTi-Feile passiv in den Kanal eingeführt und erst dann aktiviert, wenn maximaler Widerstand spürbar wird. In tupfenden Bewegungen wird so das Vordringen Richtung Apex Stück für Stück mit dem nötigen Fingerspitzengefühl umgesetzt, bis zum Erreichen der erforderlichen Arbeitslänge. Bei Einprobe der Mastercones in situ zeigt die Röntgenaufnahme die entstandene natürliche, substanzschonende Formgebung (Abb. 4). Auch die postoperative Abschlusssituation spricht für eine erfolgreiche, zuverlässige Versiegelung des Wurzelkanals mit Guttapercha und somit eine solide Langzeitprognose (Abb. 5–7).

Fester Sitz um denisolierten Behandlungsbereich

Abhängig von der klinischen Situation und den persönlichen Vorlieben in Bezug auf Elastizität, Retraktionsfähigkeit, Stärke und allergenem Potenzial wählt das Behandlungsteam heutzutage aus einer Vielzahl an Kofferdammaterialien. Während besonders dem Nachwuchs in unserem Berufsstand oftmals zu dünnen Kofferdamstärken geraten wird, weil diese vermeintlich besser durch die Zahnzwischenräume führbar sind, tendiere ich in der täglichen Arbeit zu den dickeren Kofferdamvarianten. Ein Latexkofferdam ermöglicht eine bessere Retraktion der Gingiva und sitzt damit fest um den isolierten Bereich. Zudem ist die Reißfestigkeit bei den stärkeren Varianten noch zusätzlich erhöht. Vor allem in der Endodontie ist dies ein entscheidender Faktor, da der Kofferdam vor allem beständig gegen aggressive Spüllösungen wie Natriumhypochlorit sein sollte, selbst in höheren Konzentrationen und bei mehrstufigem Spülprotokoll.

Am einfachsten lässt sich der Kofferdam anbringen, wenn er von Anfang an im Rahmen eingespannt und erst dann entsprechend gelocht wird. Dadurch werden die Lochabstände regelmäßiger und die Vorbereitung kann bei geübten Zahnärzten theoretisch sogar einhändig ohne Assistenz erfolgen. Ein weiterer Trick besteht darin, die verwendeten flügellosen, leichten Klammern gleich im Kofferdam einzuspannen. Im beschriebenen Patientenfall haben wir uns für HySolate Brinker Klammern der Größe B1 für Molaren entschieden. Beim Anblick der grazilen Klammern vermutet man gar nicht die Power, die sie mitbringen, um den Kofferdam in Position zu halten. Aufgrund der stark geneigten Klammerbacken erreichen diese Klammern eine maximale Retraktion, ohne dabei das Zahnfleisch zu verletzen.

Eine zusätzliche Arbeitserleichterung und Zeitersparnis bringt im Praxisalltag mitunter das aufgedruckte Zahnschema auf der schwarzen Variante des HySolate Kofferdams. Wir haben uns im vorliegenden Fall trotzdem für die individuelle Lochung entschieden, da die Zähne des Oberkiefers leicht versetzt angeordnet waren und nicht exakt in der Zahnreihe standen. Um einen unnötigen Spannungsaufbau zu vermeiden bzw. sicherzustellen, dass keine Gingiva durch den abgedeckten Bereich durchschaut, wurde die Markierung vor dem Stanzen per Hand vorgenommen. Interessanterweise zeigt die Fotodokumentation jedoch buchstäblich „Schwarz auf Weiß“, dass selbst bei leichten Abweichungen zum Standardfall die vorgedruckten Perforationen durchaus ihren Zweck erfüllt hätten (Abb. 9). Deshalb sind die vorgefertigten Markierungen in der Tat eine gute Orientierungshilfe im hektischen Praxisalltag.

Die schwarze Farbe des in diesem Fallbeispiel verwendeten Kofferdams (Black Edition des HySolate Latex Dental Dam, COLTENE) sorgt für einen besonders starken Kontrast zum Arbeitsfeld und ist deshalb sehr gut zum Fotografieren während der Diagnose sowie für die anschließende Dokumentation des Falles geeignet.

Insgesamt ist der Einsatz eines strapazierfähigen Kofferdams immer ein cleverer Schachzug, um mit Speichel und Blut kontaminierte Aerosole und Spritzer auf ein Minimum zu reduzieren und ein solides Hygienemanagement zu unterstützen.

Fazit

Der Einsatz des passenden Kofferdams ermöglicht eine Trockenlegung des Arbeitsfelds und ist in der Endodontie eine wichtige Voraussetzung für effektives, sauberes Arbeiten (in der Single-Visit-Behandlung). Während dickere Tuchstärken eine bessere Reißfestigkeit mitbringen, bieten dunkle Farbtöne einen guten Kontrast in der Fotodokumentation und beugen gleichzeitig einem Ermüden der Augen bei längeren Sitzungen vor. Aufgrund seiner hohen Zuverlässigkeit und flexiblen Einsatzmöglichkeiten bei unterschiedlichen Indikationen und Behandlungsmethoden steht der Kofferdam deshalb zurecht als Synonym für die professionelle Infektionskontrolle und für hochwertige Ergebnisse. Sein Einsatz zum Auftakt der Aufbereitung ist damit in jedem Fall stets ein cleverer Schachzug.

Dieser Beitrag ist im EJ Endodontie Journal 04/2023 erschienen.

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