Endodontologie 28.02.2011
Nichtchirurgische Ultraschallinstrumente
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Vergrößerungshilfen wie Lupenbrille mit Licht und besonders der Einsatz von Dentalmikroskopen (DM) haben die Endodontie revolutioniert. Mit zunehmender Vergrößerung und Ausleuchtung des Operationsfeldes nahm auch die Notwendigkeit nach speziellem Mikroinstrumentarium zu (Mikrospiegel, Mikrobohrer, Micro Opener, MC Feilen etc.). Insbesondere die Entwicklung von Ultraschallinstrumenten als Präparationsinstrument in Ergänzung und/oder als Ersatz zu konventionellen „Bohrern“ hat den Zugang zu bisher schwer oder gar nicht erreichbaren Strukturen stark verbessert.
Da die endodontisch relevanten Strukturen fast ausschließlich nur indirekt über den Spiegel einsehbar sind, ermöglicht das Prinzip des „Gegenwinkel-Design“ die „scharfe“ Bearbeitung von Dentinstrukturen unter direkter optischer Kontrolle mittels Dentalmikroskop. Sichere Manipulationen sind dadurch nicht nur auf Höhe des Pulpakammerbodens, sondern teilweise auch bis zum mittleren und sogar bis zum unteren Wurzeldrittel möglich und zudem noch erheblich substanzschonender als mit konventionellen rotierenden Instrumenten.
Auch bei der Reinigung des Wurzelkanalsystems kommt der Ultraschallaktivierung der Spüllösung durch spezielle Instrumente eine maßgebliche Rolle zu. Die durch Ultraschallschwingungen erzeugte Mikroströmung löst Gewebe aus Arealen ab, die mit keinem Instrument zu erreichen sind: Seitenkanäle, apikale Ramifikationen, Isthmen. Ebenso werden Schmierschicht und Biofilm abgelöst. Die Ultraschallwirkung wird durch eine deutliche Trübung der Spülflüssigkeit sichtbar. Die Trübung zeigt, was bei Spülung ohne den durch Ultraschall erzeugten Effekt im Kanalsystem verbleiben würde.
Die Integration dieser hochtechnisierten, mikroendodontischen Werkzeuge in das alltägliche Behandlungskonzept führt mittlerweile vorhersagbar zur Beherrschung vieler, bisher als unlösbar eingeschätzter Fälle bei der Primärbehandlung (Obliterationen, Verkalkungen, Überhänge, nicht gefundene Kanaleingänge etc.). Des Weiteren hat sich eine deutliche Indikationserweiterung bei Revisionsbehandlungen (Entfernung von Stiften und frakturierten Instrumenten etc.) an Zähnen, die bisher als nicht revidierbar eingestuft wurden, etabliert (Abb. 1a–c).
Grundsätzliches zu Design und Anwendung
Zurzeit ist eine Vielzahl unterschiedlichster Ultraschallinstrumente auf dem Dentalmarkt erhältlich. Je nach Einsatz- und Indikationsbereich gibt es die verschiedensten Formen und Ausführungen. Wird mehr koronal gearbeitet, sind die Instrumente eher kurz und kräftig und werden mit höherer Intensität benutzt. Mit der Behandlung zunehmend apikal gelegener Strukturen werden die Instrumente tendenziell länger und schmaler bei reduzierter Ultraschallintensität.
Einige US Spitzen sind nur an der Seite (seitliche Kavitätenwände) oder nur am Ende (Pulpakammerboden) schneidend (Abb. 2a,b). Auch durch die Verwendung verschiedener
Materialien wird den unterschiedlichen Anwendungsbereichen Rechnung getragen. Reine Edelstahlinstrumente sind relativ kostengünstig und je nach Form sehr robust und tendenziell eher mit höherer Intensität zu benutzen (Abb. 3). Zusätzliche Oberflächenbeschichtungen mit Zirkoniumnitrid oder Diamantsplittern führen zu einer gesteigerten Abrasivität und somit Effektivität der Instrumente, allerdings verbunden mit einem höheren Preis und einer höheren Verschleißquote. Reine Titanspitzen sind gekennzeichnet durch eine hohe Flexibilität und sind üblicherweise indiziert in schwer zugänglichen Bereichen (mittleres und apikales Wurzeldrittel) mit eher geringen Intensitäten.
Da sowohl diamant- und zirkoniumoxidbeschichtete wie auch Titan und Titan-Niobium
US Spitzen relativ teuer sind, sollten sie den Herstellerangaben entsprechend mit der jeder Spitze zugeordneten Ultraschallintensität benutzt werden, um Frakturen zu vermeiden. Hierbei hat es sich als nützlich erwiesen, zunächst mit geringer Intensität zu beginnen und diese dann allmählich bis zur Herstellerempfehlung zu steigern. Dies gilt umso mehr für sehr lange und grazile Instrumente. Die Ultraschallaktivierung sollte erst nach Kontakt mit dem Dentin oder der zu bearbeitenden Oberfläche erfolgen. Schwingt das Instrument frei, ist die Frakturgefahr deutlich erhöht.
US Spitzen können nass und/oder trocken angewendet werden. Beim „Lockervibrieren“ von Stiftaufbauten ist die permanente Kühlung mit Wasserspray durch die Mitarbeiterin ein absolutes Muss, um Hitzeschädigungen des Parodonts zu vermeiden. Ansonsten ist der trockenen Anwendung der Vorzug zu geben. Gerade das permanente Verblasen und gleichzeitige Absaugen des Dentinspans durch die Assistenz ermöglicht das kontinuierliche Präparieren unter visueller Kontrolle mittels Dentalmikroskop oder Lupenbrille.
Auch wenn die Anwendungsbereiche für die Ultraschallanwendung sehr vielfältig sind, sollte dennoch solange wie möglich mit rotierenden Instrumenten präpariert werden. Hierfür stehen diverse Trepanationssets zur Verfügung. Rotierende Schleifkörper sind kostengünstiger, bei vielen Indikationen auch effizienter und zeitsparender als Ultraschallinstrumente. Rosenbohrer unterschiedlicher Größen und Längen sind besonders geeignet, weil sie bei allen Angulationen des Winkelstücks gleichermaßen schneiden. Zur Darstellung von obliterierten Kanälen haben sich extralange Rosenbohrer mit einem Querschnitt von 0,5mm, 0,8mm und 1,0mm bewährt (Abb. 4a,b). In schwer zugänglichen Situationen, z.B. Molaren, kann die Verwendung besonders kleiner Mundspiegel, die zwischen Zahn und Winkelstückkopf platziert werden, sehr hilfreich sein (Abb. 5). Erst wenn aus anatomisch topografischen Gründen (Zahngruppe, Torsionen, Kippungen, eingeschränkte Mundöffnung etc.), also allgemein erschwertem Zugang zum Behandlungsgebiet die Sicht im Spiegel auf die zu bearbeitende Fläche durch den Kopf des Winkelstücks verdeckt wird, sollten die Ultraschallansätze zum Einsatz kommen. Das Gleiche gilt für sehr weit apikal gelegene Strukturen mit immer spitzer werdendem Betrachtungswinkel gerade bei Zähnen mit zierlicher Zugangskavität wie Frontzähne und Prämolaren (Abb. 6a–f).
Indikationsbereiche und technische Durchführung
– Beseitigung von Pulpasteinen
– Lokalisieren von verkalkten oder versteckten Kanälen (Abb. 6a–f)
– Durchbrechen von Stegen und Isthmen (Abb. 7 a, b)
– Entfernen von Pulpakammerkernen (sofern nicht rotierend erreichbar)
• Amalgam
• Komposite
• Zemente
– Entfernung von Stiften (Abb. 8a–g)
Stellten Stiftaufbauten bisher ein fast unüberwindliches Hindernis für die orthograde Revision dar, ist durch die Einführung entsprechender Ultraschalltechniken die Stiftentfernung zu einer routinemäßigen und vorhersagbaren Behandlungsalternative geworden.
Sowohl konfektionierte wie auch gegossene Stiftsysteme lassen sich entfernen. Hierbei muss der Kern des Stiftes rotierend mindestens bis auf den Querschnitt des Stiftes am Kanaleingang reduziert werden. Danach wird mit schmalen Ultraschallinstrumenten eine feine ca. 3–4mm tiefe Furche zwischen Stift und Dentin angelegt. Mit speziellen Ultraschallspitzen wird dann unter permanenter Wasserkühlung der Stift mit hoher Intensität locker vibriert.
– Beseitigung von Obturationsmaterial
– Entfernen von frakturierten Instrumenten (Abb. 9a–e)
Auch abgebrochene Aufbereitungsinstrumente lassen sich in vielen Fällen vorhersagbar bei geringer Schwächung der Wurzeln entfernen. Entscheidend für die Prognose sind:
– Länge und Lage (mittleres/unteres Wurzeldrittel) des Fragments im Wurzelkanal
– Lage in Bezug zur Wurzelkrümmung
– Instrumentenquerschnitt (große oder kleine Kontaktfläche zum Dentin)
– Material (Stahl oder Nickel-Titan)
– Querschnitt des Wurzelkanals (rundes Fragment im runden oder ovalen Kanal)
Voraussetzung für das Entfernen ist ein absolut geradliniger koronaler Wurzelzugang. Die Stirnfläche des Fragments wird mit modifizierten Gates Bohrern freigelegt. Nun wird es mit sehr feinen Ultraschallinstrumenten zirkulär umfahren bis es herausspringt.
– Hineinvibrieren von MTA in Wurzeldefekte
– Aktivierung der Spüllösung (Abb. 10)
Fazit
Moderne Ultraschalltechniken in Verbindung mit optisch vergrößernden Systemen haben die Endodontie zu einer Disziplin innerhalb der Zahnheilkunde mit hoher vorhersagbarer Erfolgsprognose gemacht. So ist das Auffinden von verborgenen bisher als exotisch eingestuften Wurzelkanalstrukturen bei der Primärbehandlung Routine geworden. Besonders bei der Revisionsbehandlung hat sich eine Vielzahl von Behandlungsalternativen zur Vermeidung von Wurzelspitzenresektionen und Zahnverlust durch Ultraschallinstrumente (Abb. 11) fest etabliert.