Implantologie 17.01.2024
Implantate bei Parodontitispatienten – Dürfen wir das?
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Parodontitis ist der Hauptgrund für Zahnverlust im Erwachsenenalter.1 Entsprechend oft steht man im Praxisalltag vor der Frage, welche Behandlungsoptionen mit einem entsprechenden Zahnersatz nach parodontal bedingtem Zahnverlust und parodontal vorgeschädigter Restbezahnung möglich sind. Konkreter gefragt: Implantate bei Parodontitispatienten – Dürfen wir das?
Zahnverlust heißt in den meisten Fällen, dass dem Patienten ein entsprechender Zahnersatz angefertigt wird. Gerade bei Patienten mit parodontalen Vorerkrankungen oder auch nach einem parodontal bedingten Zahnverlust ist das aber nicht immer einfach. Einerseits erscheinen Implantate bei nicht selten unversehrter Hartsubstanz der Nachbarzähne verlockend, andererseits ist die Problematik der hohen Misserfolgsrate aufgrund biologischer Komplikationen (oder eben Periimplantitis) wirklich kein Geheimwissen mehr: Übersichtsarbeiten zeigen übereinstimmend, dass bei Parodontitispatienten das Risiko, eine Periimplantitis zu entwickeln, viel höher, der Verlust des marginalen Knochenniveaus entsprechend größer und schließlich die Verlustrate der Implantate vergleichsweise hoch ist (Abb. 1 und 2).2–4
Implantat-Therapieoptionen abwägen
Können oder müssen wir deswegen auf Implantate als Therapieoption verzichten? Zwei Studien aus der Praxis mit bemerkenswert langen Nachuntersuchungszeiten beleuchten diese Fragestellungen eingehend: Über zehn Jahre untersuchten Roberto Guarnieri und seine Kollegen retrospektiv an knapp 60 Patienten mit parodontaler Vorerkrankung mögliche Risikofaktoren für eine Periimplantitis. Alle Patienten wurden dafür in Abständen zwischen drei bis sechs Monaten regelmäßig untersucht. Insgesamt gingen über den Untersuchungszeitraum 78 Zähne und zwölf Implantate verloren. Während sich das interdentale Attachmentniveau sowie die parodontalen Sondierungswerte insgesamt verbesserten, wiesen zehn Prozent der Implantate über den gesamten Untersuchungszeitraum Entzündungen auf. Über 80 Prozent dieser Fälle traten bei Patienten auf, bei denen sich gleichzeitig die parodontale Situation verschlechterte. Insbesondere war das bei Rauchern der Fall sowie bei Patienten, die zuvor innerhalb kurzer Zeit bereits sehr viel Attachment verloren hatten oder tiefere Resttaschen aufwiesen. Außerdem verschlechterte sich die Situation bei Patienten, bei denen die Kronen zementiert und nicht verschraubt worden waren.5
Untersuchung der Inzidenzrate
In einer prospektiven Studie aus einer Turiner Praxis wurde an 87 Patienten mit und ohne Parodontitis über 20 Jahre die Inzidenzrate von Periimplantitis untersucht.6 Auch hier war ein umfassendes Recall-System etabliert. Von 172 Implantaten gingen zwölf verloren – elf davon aufgrund von Periimplantitis. Während in der Gruppe der Patienten ohne Parodontitis, die das Recall-Intervall strikt einhielten, kein Implantat verloren ging, lag das Risiko für einen Implantatverlust bei den Patienten mit schlechter Compliance im Recall und parodontaler Vorerkrankung mit zehn Prozent fast 15-fach höher. Aus dieser Gruppe wiesen tatsächlich alle Patienten während des Untersuchungszeitraums Periimplantitis auf.
Take-Home Message: Risiken reduzieren
Zusammengefasst sind Periimplantitis und Implantatverlust also bei Parodontitispatienten deutlich häufiger. Besonders problematisch ist es, wenn eine vorbestehende Parodonti-tis nicht komplett unter Kontrolle ist und damit verbundene Risikofaktoren (z. B. Rauchen) fortbestehen. Zementierte Kronen stellen in diesem Kontext oft ein unnötiges Zusatzrisiko dar. Um gute Behandlungsergebnisse zu ermöglichen, sollte eine optimale Mitarbeit von Patientenseite genauso garantiert sein, wie entsprechend auch von Praxisseite eine optimale parodontale Unterstützungstherapie erwartbar sein muss.Implantate bleiben zwar trotzdem einem höheren Risiko für marginale Entzündungen ausgesetzt, aber wenn der Patient vor der Implantation und auch das parodontologisch betreuende Praxisteam beweisen, dass sie die erhöhte Entzündungsneigung von Parodontitispatienten durch ein Mehr an Mundhygiene und Verhaltensänderungen ausgleichen und kontrollieren können, lässt sich die Inzidenzrate für marginale Entzündungen entscheidend absenken. Insbesondere für die relativ kleine Gruppe, die trotzdem periimplantäre Entzündungen entwickelt, ist das straffe Recall-Management zur schnellen und sicheren Diagnosestellung bei der vergleichsweise rasch voranschreitenden Periimplantitis und der prognostisch schwierigen Therapie unverzichtbar. So kann rasch nachgebessert und interveniert werden (Abb. 3).
Die Frage ist also nicht, ob wir generell bei Parodontitispatienten implantieren dürfen, sondern es besteht vielmehr die Notwendigkeit, im Sinne der Patienten und schließlich auch der Praxis diese Gruppe von besonders anfälligen Patienten ganz gezielt vorzubereiten, vorausschauend zu versorgen und danach optimal zu betreuen, um so den gemeinsamen Implantaterfolg bestmöglich zu sichern.
Eine Literaturliste steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Dieser Beitrag ist im Implantologie Journal erschienen.