Implantologie 23.02.2015
Implantatsofortinsertion bei reduziertem Knochenangebot
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Anmerkung der Redaktion: Beitrag nur nach Absprache mit G.I. und erneuter Freigabe durch Prof. Weischer veröffentlichen!
Bei geeigneten Bedingungen ist eine
Sofortimplantation nach Zahnextraktion ein zeit- und kostensparendes
chirurgisches Konzept. Doch nicht immer sind die Voraussetzungen
für eine solche Behandlung gegeben. Dass sie in einigen Fällen
dennoch funktionieren kann, zeigt folgendes Beispiel einer
62-jährigen Patientin, bei der trotz diverser Beschwerden, u.a.
reduziertes Knochenangebot und apikale Osteolyse, eine
Sofortinsertion zweier Implantate im Oberkiefer möglich war.
Voraussetzung für den Behandlungserfolg ist die strikte Verfolgung
von Standardprotokollen, eine entsprechende Patientencompliance, eine
hinreichend sichere Implantatprimärstabilität, eine
knochenfreundliche Implantatoberfläche sowie eine adäquate
Dekontaminierung der Alveole.
Zahnentfernungen mit sofortiger Implantatinsertion haben u.a. das Ziel, den Knochen direkt nach der Zahnentfernung zu stimulieren und damit zu konservieren.5,6,10 Eine Implantatinsertion auch kurzzeitig nach Zahnextraktion bedeutet in der Regel eine individuell unterschiedlich ausgeprägte Kieferatrophie.5,6,9,10 Deshalb scheinen sich Implantatsofortinsertionen gerade bei Patienten anzubieten, bei denen aufgrund eines reduzierteren Knochenangebotes bei einem zweizeitigen Vorgehen eine Implantatinsertion nur in Kombination mit einer größeren und somit aufwendigeren Osteoplastik möglich wäre.1,6,8,10,14 Eine Kontraindikation für eine Implantatsofortinsertion schien bisher eine entzündliche Veränderung in der Regio apicalis zu sein.5 Zunehmend berichten jedoch Autoren von Implantatsofortinsertionen in Alveolen bei bestehender periapikaler Pathologie an den zu entfernenden Zähnen; einige mit Ergebnissen, die mit Sofortimplantatin-sertionen ohne periapikale Pathologie an den zu entfernenden Zähnen vergleichbar sind.7,9,12
Falldarstellung
Im vorliegenden Fall bestand an den nicht erhaltungswürdigen Zähnen 21 und 22 bei einer 69-jährigen Patientin eine deutliche apikale Osteolyse bei deutlich reduzierten, knöchernen Verhältnissen und Dentophobie, einem insulinpflichtigem Diabetes, einer Penicillinallergie und einer antikoagulativen Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern. Behandlungsziel sollte nach entsprechender Aufklärung über Risiken und Alternativen sein, zur Vermeidung ausgedehnter augmentativer Techniken trotz der apikalen Osteolysen und des reduzierten Knochenangebotes Zahnentfernung und Implantatinsertion in einer Sitzung in Lokalanästhesie unter Sedierung durchzuführen. Um das Risiko von infektiösen Keimen, die die Implantateinheilung und kleinere, lokale augmentative Maßnahmen gefährden würden, zu reduzieren, erfolgte die Intervention unter perioperativer, antibiotischer Abdeckung mit Clindamycin 3 x 300 mg. Zusätzlich wurde intraoperativ nach Exkochleation der Alveole eine Dekontamination der Alveolen mit dem Diodenlaser (HELBO Photodynamic Systems GmbH, Walldorf, Deutschland) im Sinne einer antimikrobiellen Photodynamischen Therapie (aPDT) durchgeführt. Durch die Verwendung des Photosensitizers HELBO® Blue (HELBO Photodynamic Systems GmbH, Walldorf, Deutschland) bestand die Möglichkeit, auch die Regionen in der Alveole zu dekontaminieren, die nicht oder schlecht durch die mechanische Exkochleation gereinigt werden konnten.2–4,13 Anschließend erfolgte primär stabil trotz sehr reduzierter, knöcherner Verhältnisse die Insertion von zwei XiVE-Implantaten (DENTSPLY Implants, Mannheim, Deutschland) sowie lokale, augmentative Maßnahmen.
Zusammenfassung
Im vorliegenden Fall gelang es, trotz schwierigster Ausgangslage (Dentophobie, insulinpflichtiger Diabetes, antikoagulative Therapie, reduziertes Knochenangebot, apikale Osteolyse) unter Verwendung eines Kompressionsimplantates und unter Hinzuziehung der aPDT in Kombination mit einer perioperativen Antibiose sowie lokalen augmentativen Maßnahmen, die Patientin hinreichend prothetisch im weicheren, knöchernen Lager des Oberkiefers zu versorgen. Voraussetzung für den Behandlungserfolg in solchen Fällen ist nach Einschätzung der Autoren bei Verfolgung von Standardprotokollen eine entsprechende Patientencompliance, eine hinreichend sichere Implantatprimärstabilität (eben auch bei reduzierten knöchernen Verhältnissen), eine knochenfreundliche Implantatoberfläche sowie eine adäquate Dekontaminierung der Alveole. Eine ausführliche Risikoaufklärung einschließlich der Darstellung möglicher Alternativen mit pro und kontra ist zwingend. Trotz des günstigen Behandlungsergebnisses muss bei Vorliegen deutlich reduzierter knöcherner Verhältnisse und einer apikalen Pathologie nach Auffassung der Autoren im individuellen Fall weiterhin individuell abgewogen werden, ob sich ein einzeitiges Vorgehen oder ein in der Regel sicheres zweizeitiges Vorgehen anbietet.10
Autoren: Prof. Dr. Thomas Weischer, Prof. Dr. Dr. Christopher Mohr
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