Kieferorthopädie 07.02.2024
Der Distalizer – eine friktionsfreie Alternative zum Beneslider?
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Herkömmliche Geräte zur Distalisierung von Oberkiefermolaren sind in ihrer Effektivität oft begrenzt und teilweise von der Mitarbeit des Patienten abhängig.1, 2 Des Weiteren wird bei vielen NonCompliance-Geräten (wie zum Beispiel bei der Pendulum-Apparatur) ein Verankerungsverlust von über 50 Prozent im Sinne einer Mesialwanderung der Prämolaren beobachtet.3,4 Insbesondere die einseitige Molarendistalisierung stellt eine schwierige Behandlungsaufgabe dar. Einseitige Klasse II-Gummizüge sollten hier in den meisten Fällen unbedingt vermieden werden, um die Dentition im Unterkiefer nicht aus einer korrekten in eine asymmetrische Position zu bewegen. Die skelettale Verankerung hat sich in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen ihrer geringeren Anforderungen an die Patientencompliance durchgesetzt. Vor allem die Mini-Implantate haben aufgrund ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten, ihrer geringen Invasivität und der relativ geringen Kosten große Aufmerksamkeit gewonnen.5—11
Distalizer versus Beneslider
Zur Distalisierung von Molaren im Oberkiefer bietet sich insbesondere der anteriore Gaumen als Insertionsregion an.12 Diese Insertionsstelle weist nur eine dünne Weichgewebsschicht (ca. 1 mm) auf und liegt posterior der Gaumenfalten (T-Zone13). Der Beneslider14–16 hat sich als Distalisierungsapparatur auf Basis einer Sliding-Mechanik mittlerweile sehr bewährt.17 Als Alternative zum Beneslider wurde der Distalizer18 als Schraubmechanik zur Molaren-Distalisierung vorgestellt, welcher insbesondere als Hybrid Hyrax Distalizer19, 20 bei gewünschter zusätzlicher Gaumennahterweiterung zur Anwendung kommt. Der Distalizer wird wöchentlich durch die Patienten aktiviert (1/4 Umdrehung). Je nach eingesetzter Schraube entspricht dies einer Strecke von 0,2 mm pro Woche.
Aligner zur Distalisierung
Aligner zeigen nur eine begrenzte Wirksamkeit, wenn eine körperliche Zahnbewegung gewünscht ist, wie es bei einem Lückenschluss, einer transversalen Expansion oder einer Distalisierung der Molaren der Fall ist.21 In der Literatur lassen sich zwar vereinzelte Artikel finden, wo mit Alignern eine Molarendistalisation von bis zu 2,5 mm erzielt wurde, als nachteilig werden jedoch die eher kippenden Molarenbewegungen, die hohe Anforderung an die Mitarbeit des Patienten (Notwendigkeit von intermaxillären Gummizügen) sowie eine sehr lange Behandlungsdauer genannt.22–24 Um eine körperliche Distalisierung mit einer hohen Verlässlichkeit und Geschwindigkeit zu erreichen, wird heutzutage der Beneslider in die Alignertherapie integriert.25–27 Dabei wurde sowohl das zweizeitige Vorgehen (erst Distalisierung mit Slider, dann Finishing mit Alignern) als auch das simultane Vorgehen (gleichzeitig Distalisierung der Molaren und Nivellierung der Frontzähne mit Alignern) vorgestellt.
Patientenbeispiel
Der Behandlungsverlauf einer elfjährigen Patientin mit einer asymmetrischen Angle-Klasse II wird dargestellt. Auffällig war eine Aufwanderung der Seitenzähne im 2. Quadranten mit einem daraus resultierenden Platzmangel für den Zahn 23 sowie einer Frontmittenverschiebung nach rechts (Abb. 1). Die Patientin und die Eltern wünschten eine möglichst wenig sichtbare Behandlung und idealerweise keine Extraktion von Zähnen. Bei dieser Patientin wurde nach einem intraoralen Scan ein einseitiger Distalizer designt und im SLM-Verfahren gedruckt (TADMAN; Abb. 2). Um MiniImplantate und den Distalizer in einem Termin einsetzen zu können, wurde ein InsertionsGuide hergestellt (TADMAN; Abb. 2c). Nach dem Einsetzen zweier Mini-Implantate (Benefit, 2 x 9 mm) und des Distalizers (Abb. 3), wurde ein Scan zur Herstellung der Aligner (Abb. 4, Invisalign) angefertigt. Ziel bei dieser Patientin war die simultane Molaren-Distalisierung im 2. Quadranten mittels Distalizer und Einstellen aller Zähne mittels Aligner-Schienen (einphasiges Vorgehen). Im ClinCheck sollte eine Distalisierungsgeschwindigkeit (0,15 bis 0,2 mm pro Woche) eingestellt werden. Zudem durfte der Zahn, der mit dem Distalizer gekoppelt war (hier Zahn 26), nur eine körperliche Distalisierungsbewegung durchführen. Eine sequenzielle Distalisierung war nicht erforderlich. Aufgrund der verlässlichen Verankerung können alle Zähne gleichzeitig (en masse) distalisiert werden. Eine Derotation oder Torquebewegung des Zahnes 26 sollte erst am Ende der Behandlung nach Entfernung des Distalizers durchgeführt werden. Nach Eingliederung der Aligner wurde der Patientin die Aktivierung des Distalizers demonstriert (Abb. 5). Im Laufe der Behandlung wurden nun gleichzeitig die Zähne im 2. Quadranten distalisiert, Platz für den Zahn 23 geschaffen und die Frontmittenverschiebung korrigiert (Abb. 6–9). Die Röntgenbilder zeigen die Positionierung der Mini-Implantate in der T-Zone sowie die körperliche Distalisierung der Molaren (Abb. 7). Die Behandlung konnte nach insgesamt 15 Monaten mit einem hervorragenden Ergebnis beendet werden (Abb. 10).
Zusammenfassung und Diskussion
Der Einsatz von Mini-Implantat-getragenen Apparaturen und Alignern hat sich als eine ästhetisch ansprechende und sehr effektive Kombination herausgestellt. Eine sequenzielle Distalisierung oder das Einsetzen intermaxillärer Gummizüge ist somit nicht mehr notwendig, was die Behandlung weitaus effektiver gestaltet. Als Alternativen findet heutzutage der Beneslider als Gleitmechanik und der Distalizer als Schraubmechanik Anwendung. Folgende der Vor- und Nachteile dieser beiden Molaren-Distalisierungsapparaturen können diskutiert werden:
- Der Beneslider wird alle sechs Wochen in der Praxis aktiviert, während der Distalizer wöchentlich vom Patienten aktiviert wird. Manche Patienten bzw. Eltern tun sich etwas schwer mit der Aktivierung des Distalizers.
- Die Aktivierungsstrecke pro Zeiteinheit ist beim Distalizer eindeutig, was insbesondere die Synchronisation mit dem Aligner-Staging beim einphasigen Einsatz weiter vereinfacht.
- Der Distalizer erscheint als „One-Piece- Appliance“ manchen Behandlern etwas einfacher.
- Der Distalizer ist etwas großvolumiger als der Beneslider, was insbesondere bei erwachsenen Patienten berücksichtigt werden sollte.
Grundsätzlich ist bei jedem Fall mit einem Platzmangel die Frage zu diskutieren, ob extrahiert oder distalisiert werden sollte. Bei angelegten Weisheitszähnen tendieren viele Behandler eher zu einer Extraktion von Prämolaren. Laut Kang et al. ist jedoch auch nach erfolgter Molaren-Distalisierung nicht mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einer Weisheitszahn-Retention zu rechnen.28 Die Verwendung von Insertionsguides erscheint aus mehreren Gründen sinnvoll: Eine exakte intraorale Positionierung der Mini-Implantate ist möglich, und außerdem können Mini-Implantate und Apparatur in nur einem Termin eingesetzt werden. Last, but not least: Werden die Mini-Implantate extern eingesetzt (Zahnarzt oder Oral- bzw. MKG-Chirurg), können Missverständnisse bzgl. der Insertionsregion vermieden werden.
Eine Literaturliste steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Dieser beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.