Kieferorthopädie 09.04.2022

Die neue BAT-Technik – effektive Erweiterung der Alignertherapie



Die neue BAT-Technik – effektive Erweiterung der Alignertherapie

Foto: PSM Medical Solutions (li.), TADMAN.de (re.)

Als ästhetische Alternative werden heutzutage in zunehmendem Maße Aligner verwendet. Neben der Ästhetik gilt als weiterer Vorteil die geringere Anzahl an Demineralisierungen nach Therapie mit Alignern verglichen mit bukkalen Brackets.Mittels Alignern können Zähne mit einer hohen Verlässlichkeit gekippt und je nach Form des Zahns auch derotiert werden.2 Eine begrenzte Wirksamkeit zeigen die Korrekturschienen jedoch, wenn eine körperliche Zahnbewegung gewünscht ist, wie es bei einem Lückenschluss, einer transversalen Expansion oder einer Distalisierung der Fall ist.3 In der Literatur lassen sich zwar vereinzelte Artikel finden, die über eine Molarendistalisation von bis zu 2,5 mm berichten, als nachteilig werden jedoch die eher kippenden Molarenbewegungen sowie eine sehr lange Behandlungsdauer genannt.4–6

Um eine körperliche Bewegung mit einer höheren Verlässlichkeit und Geschwindigkeit zu erreichen, gibt es die Möglichkeit, die Effektivität der Alignertherapie durch skelettal verankerte Geräte zu unterstützen.7–9 Insbesondere im Oberkiefer ergeben sich durch Mini-Implantate im Gaumen sehr interessante neue Möglichkeiten.

In diesem Artikel wird eine Übersicht über die häufigsten Kombinationen von Alignern mit Mini-Implantat-Apparaturen, die „BENEfit for Aligner Technique“ (BAT), dargestellt (Abb. 1). Ziele der Kombination von Alignern mit Mini-Implantaten sind, Lücken und Extraktionen möglichst zu vermeiden, die Behandlung schneller und effektiver zu gestalten, die Abhängigkeit von intermaxillären Gummizügen zu reduzieren sowie unerwünschte Bewegungen und Kippungen von Verankerungszähnen zu vermeiden. Im Rahmen einer Gaumennahterweiterung muss zudem die Verbesserung des nasalen Luftpassage erwähnt werden.

Mini-Implantate zur Verankerung

Unter den skelettalen Verankerungssystemen stehen heute die orthodontischen Mini-Implantate aufgrund ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten, ihrer geringen Invasivität und der relativ geringen Kosten im Vordergrund.10–15 In den ersten Jahren nach ihrer Einführung wurden die Mini-Implantate zunächst nur interradikulär eingesetzt.10 Der Alveolarfortsatz erweist sich jedoch oft als nur bedingt geeignet für die Insertion eines Mini-Implantates. Nachteilig sind die höhere Verlustraten im Alveolarfortsatz sowie die Gefahr der Wurzelschädigung.16 Werden Mini-Implantate im Alveolarfortsatz zwischen den Wurzeln inseriert, lassen sich zudem die benachbarten Zähne maximal 1 bis 1,5 mm bewegen, da es dann zum Kontakt von Mini-Implantat zur Wurzeloberfläche kommt und die weitere Bewegung somit verhindert wird. Von einer interradikulären Insertion ist also bei einer gewünschten Zahnbewegung abzuraten.

Aber auch die retromolare Region erweist sich aufgrund ungünstiger anatomischer Gegebenheiten (schlechte Knochenqualität / dicke Mukosa) als ungeeignet für die Insertion eines Mini-Implantates.17 Als Insertionsregion mit der besten Zuverlässigkeit hat sich hingegen der anteriore Gaumen erwiesen,18 die Verlustrate wird hier mit 1 bis 5 Prozent angegeben.

Mini-Implantate (zum Beispiel der Dimension 2 x 9 mm) werden idealerweise in die sogenannte T-Zone im Gaumen eingesetzt. Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, Insertionsguides für das Einbringen der Mini-Implantate zu verwenden (Abb. 2).21 Diese Guides sind hilfreich, da die Insertion der Mini-Implantate schon vorher in der optimalen Region anhand des Scans, oder auch mithilfe einer Fernröntgenseitenaufnahme (FRS) oder digitalen Volumentomografie (DVT) geplant werden kann.

Als weiterer Vorteil gilt, dass Mini-Implantate und Gerät in nur einem Termin eingesetzt werden können, da die Geräte schon im Vorfeld angefertigt werden können. Ein mögliches Szenario ist also auch: morgens Mini-Implantate durch den Zahnarzt oder Oral-/Kiefer-Chirurgen einsetzen, nachmittags dann das Gerät durch den Kieferorthopäden.

Neben der konventionellen Herstellung der Mini-Implantat-getragenen Apparaturen mit Anpassen der Bänder, Abformung, Herstellung eines Arbeitsmodells und folgender Fertigung der Apparatur unter Verwendung konfektionierter Bauteile22 gibt es heutzutage auch die Möglichkeit, die Slider/Expander zunächst am Computer zu designen und anschließend im SLM-Verfahren (Selective Laser Melting) zu drucken. Auf diese Weise können die Drahtdimensionen und Bänder (Shells) an die individuellen Erfordernisse angepasst werden.23

Kombination von Aligner und Slider/Expander – simultan oder konsekutiv?

Sowohl für die Distalisierung als auch die Mesialisierung ist das zweiphasige Vorgehen (erst Slider, dann Finishing mit Alignern) sowie simultane Vorgehen (gleichzeitig Slider und Nivellierung mittels Alignern) möglich. Bei gewünschter Expansion empfiehlt sich hingegen grundsätzlich das zweiphasige Vorgehen (erst Expansion, dann Finishing mit Alignern). Der Expander kann und sollte dann während der Alignerphase für mehrere Monate zur transversalen Retention verbleiben.

Um die gleichzeitige Verwendung von Alignern und Beneslider/Mesialslider zu ermöglichen, wird als Alternative zu einem konventionellen Molarenband entweder palatinal ein Tube (Abb. 3) oder eine mit tels CAD/CAM designte Shell (Abb. 4) geklebt. An diese Shell kann ein Attachment für die optimale Retention von Alignern designt werden. Die Aligner können an der Kopplungsstelle von Zahn und Slider ausgeschnitten sein („Button Cut Out“) oder ähnlich einem Attachment diese Kopplungsstelle bedecken (Abb. 5). Beim einphasigen Vorgehen müssen Aligner und Slider in vielen Fällen synchronisiert werden: Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Zahnbewegung mit einem Slider liegt bei 0,6 mm/Monat.

Distalisierung

Herkömmliche Geräte zur Distalisierung von Oberkiefermolaren sind in ihrer Effektivität oft begrenzt und teilweise von der Mitarbeit des Patienten abhängig. Des Weiteren wird bei vielen Non-Compliance-Geräten (wie beispielsweise der Pendulum-Apparatur) ein Verankerungsverlust von über 50 Prozent im Sinne der Mesialwanderung der Prämolaren beobachtet. Die Verankerung mit Mini-Implantaten im anterioren Gaumen, wie zum Beispiel mit dem Beneslider, hat sich daher mittlerweile sehr bewährt und als eine Standardtherapie herausgestellt30 (Abb. 6).

Mesialisierung/Lückenschluss

Bei fehlenden Zähnen stellt sich die grundsätzliche Frage der langfristigen Versorgung dieser Lücken. Eine Option besteht darin, die Lücke mit einer prothetischen Versorgung mittels eines dentalen Implantates bzw. einer Brücke anzustreben.33–35 Ein Vorteil des Lückenschlusses ist, dass durch die Zahnbewegung neuer Knochen im Bereich der Lücke generiert werden kann. So können knöcherne Atrophien, die in zahnlosen Alveolarfortsatzregionen entstanden sind, korrigiert werden.36–42

Weiterhin können vorhandene Weisheitszähne nach Mesialisierung der Molaren aufgrund der interdentalen Fasern mit nach mesial driften und auf diese Weise ausreichend Platz im Zahnbogen finden. Im Vergleich zur Lückenöffnung stellt der Lückenschluss jedoch weitaus höhere Anforderungen an die Verankerung.43 Im Oberkiefer ergibt sich durch Mechaniken auf Mini-Implantaten im Gaumen die Möglichkeit, die Alignerbehandlung mit einem Mesialslider zu kombinieren und dadurch einen körperlichen Lückenschluss ohne Kippungen zu erreichen8 (Abb. 7).

Distalisierung und kontralaterale Mesialisierung

Der Erhalt der korrekten dentalen Mitte sowie des sagittalen Überbisses erfordern insbesondere bei Vorliegen einer asymmetrischen Therapieplanung eine differenzierte Verankerungsplanung. Daher empfiehlt sich bei asymmetrisch gewünschter Verankerung im Oberkiefer der Mesial-Distal-Slider, mit welchem auf der einen Seite distalisiert und auf der kontralateralen Seite für den Lückenschluss mesialisiert werden kann44 (Abb. 8).

Expansion des oberen Zahnbogens

In mehreren Studien wurde festgestellt, dass es bei einer geplanten Expansion des Oberkiefers bei Verwendung von Alignern primär zu bukkalen Kippungen der Seitenzähne kommt. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass die oft gewünschte Vergrößerung der Nasenluftpassage nur mittels einer Gaumennahterweiterung (GNE) erreicht werden kann. Die GNE hat einen signifikanten Effekt auf die physiologische Atmung bei Kindern und reduziert das Risiko einer Apnoe bei Erwachsenen.47–49 Zahnärzten und Kieferorthopäden kommt hier eine besonders wichtige Stellung hinsichtlich der Prophylaxe und Therapie einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA) zu.50 Aufgrund der Limitationen der Aligner bezüglich körperlicher Expansion und einer gewünschten Vergrößerung der Nasenluftpassage wird daher in manchen Fällen eine zahngetragene GNE der Alignertherapie vorgeschaltet. Jedoch ergibt sich nach einer Gaumennahterweiterung immer die Notwendigkeit der Retention, die gewünschte Alignertherapie kann also erst nach sechs bis neun Monaten gestartet werden. Zudem muss eine Überkorrektur erfolgen, da zahngetragene GNE-Apparaturen in der Regel mit Kippungen der Verankerungszähne assoziiert sind.

Um eine transversale Erweiterung mit einer höheren Effektivität auch bezüglich einer Verbesserung der Nasenluftpassage zu erreichen, gibt es heutzutage die Möglichkeit, auch in diesem Bereich die Effektivität der Alignertherapie durch skelettal verankerte Geräte zu unterstützen. Während bei Kindern die Verwendung von zwei Mini-Implantaten ausreichend ist (BMX-Expander, Abb. 9), empfiehlt sich bei Jugendlichen und Erwachsenen die Verwendung von vier Mini-Implantaten (Quad-Expander, Abb. 10). Inwieweit skelettal verankerte Expander eine chirurgische Schwächung bei Erwachsenen überflüssig machen, bedarf allerdings noch weitergehender klinischer Studien.

11. Benefit User Meeting

Die Kombination von Alignern und Slidern ist Schwerpunkt beim diesjährigen BENEfit User Meeting am 17. und 18. Juni 2022. Da viele Kollegen den persönlichen Austausch und Kontakt stark vermissen, wird dieses wieder als Präsenzveranstaltung im Hotel Kö59 (ehemals Intercontinental) auf der Königsallee in Düsseldorf stattfinden. Einer der weltweit bekanntesten Aligneranwender, Dr. Kenji Ojima (Tokio/Japan), referiert dabei über seine Empfehlungen zu der Kombination von Beneslider und Invisalign®-Schienen. Zum Thema Aligner wird es anschließend eine interessante Diskussionsrunde zu den Fragestellungen der Grenzen von Alignern und zum optimalen Timing der Kombination von Aligner und Slider (simultan versus konsekutiv) geben. Weitere Informationen unter www.benefit-user-meeting.de

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Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

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