Kieferorthopädie 09.09.2024
KFO-Behandlung von parodontal erkrankten Patienten (Teil 2)
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Im ersten Teil des Artikels wurden die Ätiologie und die Auswirkungen parodontaler Erkrankungen auf die kieferorthopädische Behandlung detailliert erläutert. Ebenso wurde die Notwendigkeit einer gründlichen parodontalen Diagnostik und Therapie vor Beginn kieferorthopädischer Maßnahmen hervorgehoben. Der Schwerpunkt lag auf der Bedeutung einer stabilen parodontalen Gesundheit für den Erfolg kieferorthopädischer Behandlungen und den spezifischen Anforderungen, die sich bei Patienten mit parodontalen Erkrankungen ergeben. Die praktischen Aspekte der kieferorthopädischen Behandlung bei Patienten mit leichten und mäßigen parodontalen Problemen wurden anhand von klinischen Fallbeispielen veranschaulicht. Im zweiten Teil des Artikels wird die Kieferorthopädische Behandlung von Patienten mit schwerer parodontaler Beteiligung behandelt.
Behandlung von Patienten mit schwerer parodontaler Beteiligung
Der allgemeine Behandlungsansatz für Patienten mit schwerer parodontaler Beteiligung ist derselbe wie zuvor beschrieben. Die Behandlung selbst muss jedoch in zweierlei Hinsicht modifiziert werden:
- Die parodontale Erhaltungstherapie sollte in kürzeren Abständen geplant werden, möglicherweise unter Berücksichtigung des Patienten, häufig zur parodontalen Erhaltung sowie zur Anpassung kieferorthopädischer Geräte (alle vier bis sechs Wochen).
- Ziele und Mechanismen der kieferorthopädischen Behandlung müssen geändert werden, um die kieferorthopädischen Kräfte auf ein absolutes Minimum zu beschränken, da die verringerte Fläche des Parodontalban- des (PDL) nach erheblichem Knochenverlust einen höheren Druck im PDL durch jede Krafteinwirkung bedeutet.
Ein massiver Knochenverlust ist manchmal eine Kontraindikation für eine kieferorthopädi- sche Behandlung.
Eine fortgeschrittene Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparats, die zu einer Zerstörung des Zahnfleischs und Kieferknochens führt. Sie ist die häufigste Ursache für den Verlust von Zähnen und des Kieferknochens bei Erwachsenen. Eine schwerwiegende Paradontitis kann ein Merkmal von bestimmten Syndromen wie beispielsweise des Peters-Hövels-Syndroms sein. In einem solchen Fall helfen womöglich nur chirurgische Eingriffe und Zahnersatz (Abb. 25a–c).
Die aggressive Parodontitis geht mit einem sehr schnellen Verlust von Zahnfleisch und Knochen einher.
Manchmal ist es hilfreich, einen parodontal hoffnungslos erkrankten Zahn vorübergehend zu erhalten, um ihn als Verankerung für eine kieferorthopädische Apparatur zu verwenden, die zur Rettung anderer Zähne beiträgt.
Es ist interessant, dass selbst nach der Entwicklung parodontaler Probleme eine kieferorthopädische Behandlung ohne weiteren Verlust von Alveolarknochen durchgeführt werden kann, wenn die parodontale Situation gut unter Kontrolle gehalten wird. Der Lückenschluss in Bereichen mit starkem Knochenverlust führt manchmal zu einer Verbesserung der Knochenhöhe (Abb. 27a–c), aber das ist nicht vorhersehbar.
Den Patienten kann gesagt werden, dass sie sich einer umfassenden kieferorthopädischen Behandlung unterziehen können, ohne dass die Gefahr besteht, dass sich ihre parodontale Situation verschlechtert, aber es sollte ihnen keine Verbesserung versprochen werden.
Die Abbildungen 26a–c zeigen die Röntgenaufnahmen einer Patientin mit fortgeschrittener Parodontitis und Okklusionsstörung mit Verlust von 36, 46. Behandlungsziele waren die Behebung der Zahnstellungsanomalien und der Lückenschluss im Unterkiefer bei 36, 46.
Klinisches Fallbeispiel 3
Eine 36-jährige Patientin stellte sich nach Überweisung eines Kollegen in meiner Praxis zur kieferorthopädischen Behandlung vor. Die Patientin befindet sich seit vielen Jahren in parodontaler Behandlung und leidet an chronischer Parodontitis. Die kieferorthopädische Diagnose ergab eine skelettale Klasse II/2 sowie den Verlust der Zähne 12, 35, 36, 44 und 47. Der Zahn 46 war nicht erhaltungswürdig. Zudem besteht ein leichter Engstand im Oberkiefer sowie ein Tiefbiss.
Behandlungsplan:
Die kieferorthopädische Behandlung umfasste eine Bisshebung und die Ausrichtung der seitlichen Zähne, um später einen Zahnersatz im Seitenzahngebiet einzusetzen. Auch hier wurden passive selbstligierende Brackets mit wenig Reibung und leichten Kräften eingesetzt, um den Zahnhalteapparat zu schonen. Die Beklebung erfolgte erst im Oberkiefer. Es wurde eine festsitzende Apparatur (Damon Q Clear) mit Low-Torque an die mittleren Schneidezähne angebracht. Für die Eckzähne und Zahn 12 wurden Brackets mit High-Torque verwendet.
Zu Beginn der Nivellierung wurde .013" CuNiTi einligiert. Im weiteren Verlauf der Behandlung wurden wie bei den anderen Patienten die Bögen nach der Damon Reihenfolge eingesetzt: 016" CuNiTi, .018" CuNiTi, .014" X .024" CuNiTi, .016" x .025" CuNiTi, ,018" x .025" CuNiTi. Zum Abschluss wurden .018" x .025" TMA eingesetzt.Im zweiten Behandlungsschritt wurde die Beklebung im Unterkiefer mit High-Torque auf die Zähne 33-43, und ein .013" CuNiTi Bogen einligiert (Abb. 31a–h).
Nach 18 Monaten wurde die aktive Behandlung abgeschlossen. Zur Stabilisierung wurden im Ober- und Unterkiefer Retainer angebracht. Zusätzlich trug die Patientin eine Schiene (Duran 2,0 x 125 mm) für den Unterkiefer, die bis zum Zahnersatz nachts und bei Bedarf auch tagsüber getragen werden soll (Abb. 34).
Take-Home Messages:
- Die parodontale Behandlung muss abgeschlossen sein, bevor eine KFO-Apparatur eingesetzt wird.
- Das Parodontium sollte während der KFO-Behandlung fortlaufend mittels genetischer und bakterieller Tests kontrolliert werden.
- Behandlungsmethoden, die nur leichte Kräfte auswirken, können zu einer Verbesserung des parodontalen Gewebes führen.
- Extraktion von Zähnen wenn möglich vermeiden.
- Beim Rückfall sollte die kieferorthopädische Therapie ausgesetzt werden, bis die parodontale Entzündung erfolgreich behandelt wurde.
Wenn diese Punkte beachtet werden, kann eine kieferorthopädische und parodontale Behandlung auch in verschiedenen Altersgruppen erfolgreich durchgeführt werden.
Dieser Artikel ist unter dem Titel „Kieferorthopädische Behandlung von parodontal erkrankten Patienten (Teil 2)“ in der KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.