Kieferorthopädie 28.02.2011
Vielversprechende Bracketinnovation
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Im folgenden Beitrag stellt Dr. Jakob Karp anhand von Lingualfällen das neu entwickelte Swiss Nonligating Bracket (SNB) der Firma tröster applications* sowie dessen Vorteile bei der Zwei-Slot-Behandlung vor.
Die Idee zu diesem Bracket entstand aufgrund eines lösungsorientierten Ansatzes. Das Problem stellte sich hierbei wie folgt dar: Bei einem Patienten brach in der Retentionsphase beim Zahn 21 der Kleberetainer, woraufhin dieser Zahn extrudierte und zudem seine Achsenneigung änderte (Abb. 2). Um den Frontzahn zu intrudieren und dessen Achsenneigung zu korrigieren, wurde eine linguale Apparatur eingesetzt. Nun stellt die Ausübung von Torque bei Anwendung der lingualen Behandlungstechnik ein grundlegendes Problem dar, da man sich vom Kraftansatz her auf der falschen Seite befindet. Die Behandlung jedoch mithilfe einer dreidimensionalen Lingualapparatur durchzuführen, erschien zu aufwendig und teuer und hinsichtlich des Torqueausgleichs nicht unbedingt zum Ziel führend. Daher wurde in diesem Fall eine modifizierte zweidimensionale Apparatur gewählt, bei der die Möglichkeit des Einsatzes von zwei Bögen besteht. Mithilfe einer speziellen Konstruktion gelang es, über einen Hebelarm die isolierte Korrektur der Zahnachse ohne nennenswerte Nebenwirkungen zu realisieren (Abb. 3, 4).
Das neu entwickelte Swiss Nonligating Bracket (SNB) verwirklicht die Idee, bei Bedarf mit zwei Bögen arbeiten zu können. Es besteht aus einem teflonähnlichen Kunststoff und verfügt über zwei Slots, welche in einem vertikalen Abstand von 2mm zueinander angeordnet sind. Das Bracket selbst weist folgende Maße auf: 3,6mm in der Höhe, 2,4mm in der Breite sowie 1,7mm in der Tiefe (Abb. 5a, b).
Ein Slot ist rund und hat einen Durchmesser von 0.018''. Zusätzlich verfügt dieser runde Bracketslot über zwei seitliche Extensionen zur besseren Rotationskontrolle (Abb. 6). Der zweite Slot hat eine Dimension von 0.0175'' x 0.022''. Beide Slots werden mithilfe zweier Metallschieber verschlossen, die aufgrund kreisförmiger Aussparungen das leichte Öffnen und Schließen mittels Sonde ermöglichen.
Herkömmliche Ein-Slot-Systeme rufen speziell bei Bewegungen dritter Ordnung diverse Nebenwirkungen (z.B. Extrusionen) hervor, die aus physikalischer Sicht auch unvermeidbar sind. Um ein Drehmoment zu bewirken, bedarf es eines Hebelarms, welcher beim SNB aufgrund seines Zwei-Slot-Designs realisiert werden kann.
In den Abbildungen 7a–c ist eine mögliche Behandlungsvariante mit zwei Slots dargestellt. Hierbei handelt es sich um ein in sich geschlossenes Kräftesystem, welches folgendermaßen funktioniert: Ein 0.012'' starker Stahlbogen (Australian Wire) wird mit einer geringen Protrusionswirkung in den okklusalen Slot einligiert, wodurch die Kronen der Zähne 11 und 21 dazu tendieren, sich nach mesial zu neigen. Als Nebenwirkung ist an 16 und 26 eine Mesialrotation sowie Distalkippung erkennbar. Um entsprechend einen Drehmoment generieren zu können, wird ein elastischer Faden (wiederum mit geringer Kraft) vom gingivalen Slot beider zentralen Inzisivi in den gingivalen Slot der ersten Molaren gespannt. Dieser Faden bewirkt dann eine Distalrotation von 16 und 26 sowie eine Mesialkippung derselben. An den Zähnen 11 und 21 hingegen wirkt ein Drehmoment. Die eventuell auftretenden Extrusionskräfte können leicht durch die Okklusalkräfte aufgefangen werden. Abbildung 8 zeigt eine weitere Variante zur Torqueausübung, hier unter Zuhilfenahme eines Teilbogens mit Extensionen sowie zweier kieferorthopädischer Minischrauben.
Neben der beschriebenen Kontrolle des Torques mithilfe dieser Brackets ist auch die Stabilität im Seitenzahnbereich mit nur schwachen Rundbögen gewährleistet. Bei Betrachtung von Abbildung 9 ist für jeden gut vorstellbar, wie die zwei vertikal untereinander angeordneten Bögen in der transversalen und vertikalen Dimension eine besonders effiziente Kontrolle ausüben.
Ein weiteres herausragendes Merkmal des SNB stellt dessen extrem geringer Reibungskoeffizient dar, der aufgrund des teflonähnlichen Materials ermöglicht wird. Hierbei gleitet der Bogen im Slot gleich einem Schlittschuhläufer auf dem Eis. Mittels elastischer Ketten, Zugfedern, Druckfedern usw. können weitere Kräfte in den zweiten Slot eingebracht werden, wodurch zusätzliche Reibung von vornherein verhindert wird (Abb. 10).
Aufgrund dieser extrem reduzierten Reibung verkürzt sich deutlich die Behandlungszeit, was wiederum von den Patienten sehr geschätzt wird. Aufgrund der Einzigartigkeit und Festigkeit des Bracketmaterials ist zudem das Debonding problemlos und leicht realisierbar.
Fallbeispiele
Nachfolgend seien einige klinische Beispiele für den Einsatz des SNB aufgeführt. Die Abbildungen 11 bis 14 zeigen eine Rezidivbehandlung mit einer Verlaufskontrolle von dreieinhalb Wochen mit nur einem Bogen (0.012''). Ein zweites Beispiel zeigt die Auflösung eines Engstandes mit Lückenbildung nach ca. vier Wochen, ebenfalls mit einem 0.012''erBogen (Abb. 15, 16). In den Abbildungen 17a–c und 18a–f werden Behandlungsverläufe mit eingegliederte SNB-Brackets gezeigt, bei denen nur ein Bogen benötigt wurde. Die letzte Abbildung der jeweiligen Serie zeigt den Zustand nach vier Wochen Behandlungszeit.
Zusammenfassung
Auch wenn bislang noch nicht alle Eigenschaften erfahren wurden, kann resümierend von einem äußerst vielversprechendem Bracket berichtet werden. Zahlreiche klinische Fälle, die sich momentan noch in diversen Behandlungsphasen befinden, werden bei weiterem Therapiefortschritt und -abschluss in künftigen Beiträgen vorgestellt werden. Hierbei sind sicherlich die Extraktionsfälle von besonderem Interesse, da sich gerade in solch kritischen Situationen die ganze Stärke der Zwei-Slot-Behandlung erweisen wird.