Oralchirurgie 29.09.2014

Ultraschallverfahren in der zahnärztlich-oralchirurgischen Diagnostik



Ultraschallverfahren in der zahnärztlich-oralchirurgischen Diagnostik

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Nicht auf ionisierender Strahlung fußende bildgebende Verfahren nehmen in der zahnärztlich-oralchirurgischen Bilddiagnostik eine klare Außenseiterrolle ein. Während sich bei den Röntgenverfahren in unserem Fachgebiet eine überaus bemerkenswerte Entwicklung hin zu dreidimensionalen bildgebenden Verfahren und somit auch eine wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten zahnärztlich-oralchirurgischer, bildgebender Verfahren abzeichnet, finden Ultraschalluntersuchungen in den Praxen eher selten statt. Zu Unrecht, wie wir finden.

Nach zahnärztlich-oralchirurgischen Eingriffen imponieren mitunter starke Schwellungszustände, deren Einordnung für den Therapeuten oftmals nicht einfach ist. Es kann sich hierbei um eine lediglich kontrollbedürftige, ödematöse Schwellung handeln, aber auch um eine echte Komplikation, ein abszedierendes Geschehnis. Die Frage einer Inzisions- und Drainagebedürftigkeit ist in solchen Fällen oftmals nicht leicht zu beantworten. Hier hat sich die B-Scan-Sonografie als ein nicht auf ionisierender Strahlung fußendes, bildgebendes Verfahren etabliert.

Ein weiteres in der Zahnmedizin und Oralchirurgie zur Anwendung kommendes Verfahren ist der sogenannte A-Scan, der sich seit den Arbeiten von Mann et al. in den 1970er-Jahren zur Erkennung und Kontrolle von Erkrankungen der Nasennebenhöhlen (vor allem der Kiefer- und Stirnhöhlen) etabliert hat. Beide sonografischen Verfahren sind aus der zahnärztlich-oralchirurgischen Diagnostik nicht mehr wegzudenken.

Die A- und B-Scan-Sonografie

Der A-Scan (A = Amplitudenmoduliertes Verfahren) ist ein recht einfaches, eindimensionales Ultraschallverfahren, dessen Funktionsweise dem Echolotprinzip ähnelt. Der Schallkopf ist Sender und Empfänger zugleich. Die Geräte sind relativ klein dimensioniert, in der Regel sind Grundgerät (mit Monitor) und Schallkopf getrennt, es gibt aber auch ultrakompakte, einteilige Geräte. In unserem Fachgebiet eingesetzt werden vornehmlich Schallköpfe im Bereich von 3,5–4,5 MHz. Die A-Scan-Sonografie dient in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zur Darstellung von Lumenobstruktionen im Nasennebenhöhlenbereich. Die Technik der Untersuchung ist relativ einfach zu erlernen. Die B-Scan-Sonografie (B = Brightnessmoduliertes Verfahren) kann zur Weichteildarstellung im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt werden. Gut darzustellen sind Schwellungen, abszedierende Geschehnisse, geschwollene Lymphknoten, die Schilddrüse, Muskelzüge und die großen Kopfspeicheldrüsen. Auf dem Monitor des Gerätes wird ein Schnittbild der untersuchten Region wiedergegeben. Die Geräte sind voluminöser als A-Scan-Geräte, vor allem bedingt durch den deutlich größeren Monitor, der das Bild (eine Rechnerleistung des Gerätes) wiedergibt. In unserem Fachbereich werden vornehmlich Schallköpfe mit einer Frequenz von 5–10MHz eingesetzt. Im Gegensatz zur A-Scan-Sonografie, die am sitzenden Patienten erfolgt, wird die B-Scan-Sonografie am liegenden Patienten durchgeführt.

Auch in der Untersuchungstechnik unterscheiden sich die beiden in unserem Fachgebiet genutzten Ultraschallverfahren – die B-Scan-Sonografie ist weitaus anspruchsvoller zu erlernen und durchzuführen. Voraussetzung für eine gelungene B-Scan-Untersuchung ist eine gute Kenntnis der anatomischen Strukturen in der zu untersuchenden Region sowie ein hohes Maß an Erfahrung, da es sich um ein dynamisches, bildgebendes Verfahren handelt. Anhand reproduzierbarer Referenzpunkte muss der Behandler sich von der gesunden zur vermutlich pathologischen Struktur heranarbeiten, um diese letztendlich in verschiedenen Ebenen darzustellen. Ultraschalldiagnostik ist ein „Echtzeitverfahren“, welches neben einer exakten Kenntnis der zu untersuchenden Strukturen auch ein gewisses physikalisch-technisches Verständnis (mehr für die B-Scan- als für die A-Scan-Sonografie) voraussetzt. Hierbei sind gerade für denjenigen, der mit Ultraschallbefunden beginnt, Einstellungen von Bedeutung, die stets reproduzierbare Ultraschall(schnitt)bilder liefern. Hierbei ist die Nutzung von Standardeinstellungen von erheblichem Nutzen.

A-Scan-Standardeinstellung

Das Areal, in welchem eine A-Scan-Sonografie der Kieferhöhle erfolgen kann, ist eng begrenzt (Abb. 1). Der Schallkopf wird möglichst senkrecht eine Daumenbreite neben dem Nasenflügel auf die Wange aufgesetzt und während der dynamischen Untersuchung maximal sieben Millimeter nach zentral und basal gefahren. Ausschließlich in diesem Bereich ergibt die Sonografie einen auswertbaren Befund.

Platzierung des Schallkopfes – Untersuchung des Patienten

Abbildung 1 zeigt die Platzierung des Schallkopfes im Schema. Der Patient sitzt während der Ultraschalluntersuchung dem Untersucher in aufrechter Position gegenüber. Der Untersucher platziert den Schallkopf und betrachtet während der Untersuchung den Monitor des A-Scan-Gerätes, wobei er ständig die Position des Schallkopfes zu kontrollieren hat. A-Scan (amplitudenmoduliert) ist ein recht einfaches, eindimensionales Ultraschallverfahren, in der die hohe Echogenität geschallter, pathologischer Strukturen (in der Regel polypöse Kieferhöhlenschleimhaut, welche sich entzündlich geschwollen ins Kieferhöhlenlumen vorwölbt) durch Reflexion der Ultraschallwellen verursacht wird (Abb. 2).

B-Scan-Standardeinstellung

Im Vergleich zum eindimensionalen A-San-Verfahren ist der B-Scan weitaus komplizierter. Hier liegt ein zweidimensionales Ultraschallverfahren vor, das über Helligkeitsstufen moduliert wird. Das Bild kann dann in Echtzeit auf einem Monitor betrachtet werden (Abb. 3). Der Patient wird (auf dem Behandlungsstuhl) liegend untersucht, am besten mit leicht überstrecktem Kopf. Das hierbei gewonnene Bild ist in der Interpretation anspruchsvoll, vor allem angesichts der Vielzahl sich überlagernder und nahe beieinanderliegender Strukturen. Auch die Platzierung des Schallkopfes auf das zu untersuchende Gewebe ist nicht von unerheblicher Bedeutung. Die gleiche Region ergibt ein stark differierendes Bild, je nachdem ob der Schallkopf längs oder quer platziert wird. Für den wenig geübten Untersucher sind deshalb die Orientierungen in der Topografie und das Betonen bzw. Herausarbeiten pathologischer Strukturen durchaus schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass oftmals – um verifizierbare Aussagen treffen zu können – ein Seitenvergleich erforderlich ist, was eine weitere Untersuchung zur Folge hat. Unseren Erfahrungen zufolge haben sich drei Grundeinstellungen bewährt, welche eine rasche Orientierung des Untersuchenden erlauben und auch die Strukturen erfassen, die im zahnärztlich-kieferchirurgischen Bereich von Bedeutung sind.

Ramus-Parallelschnitt

Diese Einstellung ergibt ein Schnittbild durch den Mundboden am Kieferwinkel. Abbildung 4 zeigt die Schallkopfplatzierung und eine Durchzeichnung eines typischen Sonogramms mit den darstellbaren Strukturen: Kranial gelegen ist das Platysma, mittig gelegen stellt sich die Unterkieferspeicheldrüse dar, kranial davon die Mandibula mit Schallschatten. In der Tiefe liegt der Musculus genioglossus mit der Zungenbinnenmuskulatur.

Paramandibulärer Schnitt

Der Schallkopf (Transducer) wird paramandibulär auf den Mundboden aufgesetzt. Abbildung 5 zeigt die entsprechende Schallkopfplatzierung und die Durchzeichnung eines typischen Sonogramms dieser Einstellung. Kaudal stellen sich Fettgewebe, der Musculus digastricus und der Musculus mylohyoideus dar. Dorsal des Echs der Mandibula liegt die Glandula sublingualis. Die mächtige kraniale Begrenzung stellt den Musculus genioglossus mit der Zungenbinnenmuskulatur dar.

Korpusbasis-Parallelschnitt

Der Schallkopf wird parallel zur Korpusbasis in der Höhe des Kieferwinkels halsseitig aufgesetzt. Abbildung 6 zeigt die Durchzeichnung eines entsprechenden, typischen Sonogramms und die Schemazeichnung der Positionierung des Schallkopfes. Im B-Scan-Bild imponiert zentral die Darstellung der Glandula submandibularis. Die lateralkaudale Begrenzung stellt das Platysma dar, ventral liegen der Musculus mylohyoideus sowie der Musculus digastricus. Dorsal stellt sich die Mandibula mit einem vom Transducer abgewandten Schallschatten dar.

Ausbildung für die A- und B-Scan-Sonografie

Sehr empfehlenswert ist die Absolvierung von speziel-len Ultraschallkursen für den Kopf-Hals-Bereich, wie diese an verschiedenen Universitäts(zahn)kliniken angeboten werden, weitere diesbezügliche Kursangebote kommen von ärztlichen Vereinigungen. In der Regel sind diese Kurse für Kollegen aus dem HNO-Bereich konzipiert (es empfiehlt sich auch bei den Ausbildungsangeboten für diese Facharztgruppe nachzuschauen), aber da deren Fachgebiet so viele Schnittmengen mit unserem hat, sind solche Kurse auch sehr gut für interessierte Zahnärzte, Oral- und Kieferchirurgen geeignet. Im Verlauf der zumeist dreiphasig gegliederten Kurse (Grund-, Aufbau- und Abschlusskurs) werden Patienten mit pathologischen Veränderungen im Kopf-Hals-Bereich untersucht. Die Befunde werden dokumentiert und von den Ausbildern kommentiert.

Anschaffung von Ultraschallgeräten

Aufgrund der im Vergleich zu HNO-Ärzten deutlich niedrigeren Nutzungsfrequenz und der einstmals sehr hohen Anschaffungspreise waren die meisten Gerätekäufe für Zahnarzt-, Oral- und Kieferchirurgenpraxen in der Regel solche, die gebrauchte Geräte betrafen. Diese Option ist auch heute noch attraktiv, zumal durch Änderungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen viele Altgerätschaften ihre KV-Zulassung verloren haben und somit ein großes Angebot an Gebrauchtgerätschaften zur Verfügung steht. Gleichzeitig hat jedoch auch ein bemerkenswerter Preisverfall gerade bei einfachen Schwarz-Weiß-B-Scan-Geräten, die für Diagnostik in unserem Fachbereich durchaus ausreichend sein können, eingesetzt, der heutzutage auch einen Neukauf durchaus möglich erscheinen lässt. Schwieriger ist die Lage bei den A-Scan-Geräten, wo das Angebot an Gebrauchtgeräten weitaus kleiner als bei B-Scan-Geräten ist. Diese sind auch relativ preisstabil, sodass die kuriose Situation entstehen kann, dass ein (technisch einfacheres) A-Scan-Gerät deutlich teurer ist als ein (technisch aufwendigeres) B-Scan-Gerät. Erfreulich hingegen ist die Lage bei Neugeräten: Waren eine gewisse Zeit nahezu keine neuen Geräte mehr im Angebot der Hersteller, so haben in jüngster Zeit einige Medizintechnikunternehmen neue bzw. deutlich überarbeitete A-Scan-Geräte wieder in ihr Lieferprogramm aufgenommen (Abb. 7).

Abrechnung erbrachter, sonografischer Leistungen

Innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) existieren im ärztlichen Bereich Abrechnungsziffern für die A- und B-Scan-Sonografie. Um jedoch entsprechende Ultraschallleistungen in diesem Rahmen abrechnen zu können, muss der betreffende Kollege zugelassene Ausbildungskurse absolviert, eine entsprechende Anzahl an Untersuchungen durchgeführt und ein kassenärztliches Kolloquium bestanden haben. Einfach approbierte Zahnärzte werden zu solchen Fachgesprächen nicht zugelassen, da es sich um eine ärztliche Leistung in der GKV handelt. Doppelt approbierte Kollegen (in der Regel Kieferchirurgen) können einen  Antrag auf Zulassung zu diesem Fachgespräch stellen, die Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung ist jedoch in unserem Fachbereich sehr selten. Somit verbleibt der Weg, erbrachte sonografische Leistungen über die entsprechenden GOÄ- Ziffern mit dem Patienten privat abzurechnen. Hierbei müssen Materialkosten für Ultraschallgel und Druckerpapier (Ausdrucke ...) unbedingt berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

A- und B-Scan-Untersuchungen sind ideale Ergänzungen zur zwei- und dreidimensionalen Röntgendiagnostik auf zahnärztlich-oralchirurgischem Gebiet. Das amplitudenmodulierte Verfahren (A-Scan) ist zur Diagnostik von Lumenobstruktionen und entzündlichen Geschehnissen im Nasennebenhöhlenbereich geeignet (Abb. 8), das über Helligkeitsstufen modulierte Verfahren (B-Scan) zur Abszessdiagnostik in der Mundhöhle und im Kopf-Hals-Bereich, aber auch zur Verifizierung unklarer Schwellungen und bei der Metastasensuche von Malignomen des Mundes (Abb. 9–11). A- und B-Scan-Sonografie sind somit zum festen Bestandteil der zahnärztlich-oralchirurgischen Diagnostik geworden, fristen jedoch ein bedauerliches Mauerblümchendasein. Alleinstellungsmerkmale in der zahnärztlich-oralchirurgischen Diagnostik sind, neben der Vermeidung jedweder Strahlenbelastung für den Patienten, der relativ geringe Aufwand zur Erlernung der erforderlichen Ultraschalluntersuchungstechniken und der im Verhältnis zu anderen Gerätschaften für die bildgebende Diagnostik verhältnismäßig geringe Anschaffungspreis für A- und B-Scan-Geräte. Limitierend auf die Verbreitung dieser Untersuchungstechniken dürfte sich die Nichtabrechenbarkeit von Ultraschalluntersuchungen für Zahnärzte und Oralchirurgen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auswirken. Diese Leistungen müssen somit mit dem Patienten privat abgerechnet werden. Gerade zur Verlaufskontrolle bietet sich die A-Scan-Befundung der Nasennebenhöhlen an, die Untersuchungstechnik ist hier einfach zu erlernen. Das B-Scan-Verfahren jedoch bedingt einen geübten Untersucher; dieses Verfahren kann sowohl zur Erstdiagnostik als auch im Rahmen von Verlaufskontrollen verwendet werden.

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Autoren: Dr. Georg Bach, Prof. Dr. Dr. Andreas Schlegel

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