Parodontologie 28.02.2011

Paro-Endo-Läsionen



Paro-Endo-Läsionen

Über Nerven, Blut- und Lymphgefäße bestehen direkte Verbindungen zwischen Parodont und Endodont, die nur vom Dentin der Zahnwurzel getrennt sind. Durch die anatomisch vorgegebenen Verbindungswege können sich Infektionen den Weg zwischen den Strukturen bahnen und die sogenannten Paro-Endo-Läsionen entstehen lassen. Es werden Erkrankungen, die primär endodontalen Ursprungs (Klasse I) sind, von den primär parodontalen Läsionen unterschieden (Klasse II). Kombinierte Endo-Paro-Läsionen sind zunächst endodontologisch und später parodontologische Erkrankungen (Klasse III).1,2


Die auffälligste Verbindungen zwischen Endodont und Parodont findet man im Bereich des Foramen apicale an der Wurzelspitze.3 Via Foramen apicale können Infekte des Endodonts eine Erkrankung des Parodonts auslösen. Gelangen Enzyme und Zerfallprodukte über den Wurzelkanal ins Parodont, kommt es zu einer periapikalen Osteolyse, die im Röntgenbild erkennbar ist. Ob andererseits auch eine von der marginalen Parodontitis ausgehende Erkrankung zu einer Infektion der Pulpa führt, wird kontrovers diskutiert.4 Andererseits wird die retrograde Pulpitis durch eine marginale Parodontitis, die bis zum Foramen apicale reicht, ausgelöst.

Eine weitere Verbindung von Zahnhalteapparat und Pulpa stellen die akzessorischen Kanäle dar, die in den lateralen Wurzelbereich oder in den Furkationsbereich münden.5 Gelangen bakterielle Produkte und Antigene hierbei in den Furkationsereich, so kann eine interradikuläre Osteolyse entstehen, die röntgenologisch zu sehen ist. Auch wenn nicht alle Pulpa-Desmodont-Kanäle vollständig durchgängig sind, so stellen ihre Öffnungen im Bereich der Furkation bakterielle Rückzugsmöglichkeiten dar (Abb. 1 und 2). Weiterhin sind laterale Kanäle bekannt, die vor allem im apikalen Wurzeldrittel oberer Molaren auftreten6 (Abb. 3 und 4) – hier kann die Infektion zu einer lateralen Osteolyse führen –, während Dentinkanäle vor allem an der Schmelz-Zement Grenze vorkommen. Die Vielzahl der kommunizierenden Wege liegt im gemeinsamen entwicklungsgeschichtlichen Ursprung von Parodont und Endodont begründet. Bei den parodontalen und auch endodontalen bakteriellen Infektionen spricht man von einer Mischinfektion. Zu den am häufigsten gefundenen Keimen gehören Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis, Fusobakterien und Spirochäten.8

Diagnose

Die Differenzierung der diversen Krankheitsbilder einer endodontal-parodontalen Erkrankung ist im Hinblick auf die Prognose von Bedeutung. Zu ihr gehört die klinische und röntgenologische Untersuchung. Ein Hauptindikator ist die Sensiblitätsprobe, die sowohl Kälte- als auch Wärmereize bzw. elektrischen Strom umfassen sollte. Diese ist mehrfach und auch an benachbarten Zähnen – evtl. mit vergleichbaren Restaurationen – durchzuführen.

Eine positive Sensibilitätsprüfung weist auf eine primär parodontale Erkrankung hin. Dabei gilt es zu bedenken, dass bei mehrwurzeligen Zähnen auch bei einer positiven Reaktion bereits eine partielle Infektion der Pulpa oder gar eine Nekrose vorliegen kann. Für eine primär parodontale Erkrankung sprechen deutlich erhöhte Sondierungstiefen bzw. ein entsprechender Knochenabbau im Röntgenbild an mehreren Zähnen. In seltenen Fällen gelingt eine Invasion aus einem parodontalen Defekt via Dentinkanälchen oder Apex in das Endodont. Der klinisch wie röntgenologisch feststellbare Defekt ist in der Regel weit. Für eine primär endodontale Ursache spricht hingegen ein negativer Sensibilitätstest und eine solitär auf den betreffenden Zahn und auch auf das  gesamte Gebiss bezogene erhöhte Sondierungstiefe. Hier ist auch an eine vertikale Wurzelfraktur zu denken. Zähne mit endodontal bedingten Läsionen weisen häufig umfangreiche Restaurationen auf. Bei der Untersuchung des Defektes zeigt sich sowohl röntgenologisch als auch klinisch ein zwar tiefer, aber schmaler Defekt, der den Apex umfasst. Akute periapikale Prozesse können zu Fistelungen nach vestibulär oder marginal führen. Periapikale Regionen können jedoch auch durch tiefe infraalveoläre Läsionen ausgelöst werden. In seltenen Fällen bewegen sich primär parodontale und endodontale Prozesse unabhängig aufeinander zu und bilden die kombiniert endo-parodontale Läsion (Abb. 5).

Therapie

Es empfiehlt sich, mit der Wurzelkanalbehandlung zu beginnen. Bei einer endodontischen Ursache genügt eine alleinige endodontische Therapie in Form einer korrekt durchgeführten Wurzelbehandlung, da es sich hier um eine kausale Therapie handelt. Dabei sind die häufig auftretenden Wurzelfrakturen als Ursache auszuschließen. Bei einem primär parodontalen Defekt mit retrograder Pulpitits ist ebenfalls mit einer Wurzelkanalbehandlung zu beginnen. Dem parodontalen Gewebe ist nun Zeit zu geben, um sich zu regenerieren, daher ist eine Behandlung mit Scaling und Root Planing zu diesem Zeitpunkt noch kontraindiziert. Beim Auftreten von Problemen ist an eine endochirurgische Behandlung mit Wurzelspitzenresektion, Hemisektion oder Wurzelamputation zu denken. Bei einer akuten parodontalen Problematik wird auch diese in der ersten Behandlungsphase therapiert durch Abszesseröffnung durch die parodontale Tasche (Abb.6). Keinesfalls wird die Papille mit einem Skalpell durchtrennt. Bei kombinierten Läsionen wird ebenfalls zunächst eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt. Nach etwa drei bzw. sechs Monaten sollte im Rahmen einer Nachuntersuchung die Situation neu beurteilt werden und über evtl. weiterführende Maßnahmen entschieden werden.

Bei der ersten Nachuntersuchung und nach Abschluss der Wurzelkanalbehandlung ergeben sich mehrere Befundmöglichkeiten:
1. Der klinische Befund ist deutlich
verbessert, im Röntgenbild ist eine erhöhte Knochendichte erkennbar: primär endodontale Läsion
2. Keine Befundverbesserung: primäre parodontale oder kombinierte Läsion.

In letzterem Fall schließt sich nun eine parodontale oder auch regenerative Therapie an. Ist nach Ablauf von weiteren sechs Monaten keine Befundverbesserung zu verzeichnen, so ist dies auch nicht mehr zu erwarten und eine Extraktion sollte erwogen werden.

Prognose

Primär endodontische Problematiken, die sekundär parodontale Defekte aufweisen, heilen in der Regel unproblematisch nach korrekt durchgeführter Wurzelbehandlung aus. Liegt eine parodontale Erkrankung bei vitaler Pulpa vor, so ist die Pulpa i.d.R. nicht in Gefahr (Abb. 7 und 8). Jedoch kann eine Infektion der Pulpa, vor allem bei sehr tiefen Defekten bis zum Apex, nicht ausgeschlossen werden. Bei einer generellen Parodontitis mit ausgedehnten Knochendefekten und zusätzlicher endodontischer Problematik kann die Prognose ungünstig sein. Kombinierte paro-endodontale Läsionen haben eine schlechte Prognose (Abb. 9).

Zusammenfassung

Bei einer Paro-Endo-Läsion handelt es sich um Erkrankungen, denen gemeinsam ist, dass entweder Endodont und/ oder Parodont klinisch und röntgenologisch betroffen sind. Differenzialdiagnostisch ist entscheidend, ob die Sensibilitätsprobe positiv oder negativ ist sowie der röntgenologische Befund. Alle klinischen Befunde sollten mehrfach kontrolliert und überprüft werden. Es empfiehlt sich, stets zunächst eine Wurzelkanalbehandlung durchzuführen, während voreilige parodontale Therapien vermieden werden sollten, da sonst möglicherweise regenerationsfähige Strukturen beschädigt werden könnten. Eine Ausnahme stellen die parodontal bedingten Läsionen dar. Die beste Prognose haben primär endodontal bedingte Läsionen.




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