Zahntechnik 05.12.2012
Ungewöhnlich gewöhnlich – Eine zahntechnische Alltagssituation
share
Was muss der Zahntechniker zulassen? Was darf er ablehnen? In dieser emotionalen Zwickmühle befinden sich viele Zahntechniker, wenn Präparationen nicht geglückt sind. Möglicherweise ist dann eine Vollkeramik-Restauration der richtige Ausweg. In seinem Beitrag stellt ZTM Rupprecht Semrau ein Material vor, mit dem amerikanische Zahntechniker einen Großteil der Restaurationen fertigen und das besondere Möglichkeiten zur ästhetischen Individualisierung bietet.
Zahntechniker orientieren sich an der Natur. Sie versuchen, ihre Restaurationen möglichst natürlich aussehen zu lassen und vergleichen sie gern mit dem Original. Sie veröffentlichen Fotos ihrer tollsten Fälle, deshalb enthalten die Ausgaben der zahntechnischen Fachmedien fast nur Bilder schöner Versorgungen auf idealen Arbeitsunterlagen. Das sieht gut aus, aber wenn die Zahntechniker die gezeigten Fälle mit denjenigen vergleichen, die sie tagtäglich auf ihren Arbeitstischen haben, fragen sich nicht wenige, was solche Bilder mit dem Alltag in ihrem Labor zu tun haben. Denn die zahntechnische Realität sieht anders aus als sie uns von den Fachmedien und den dahinter stehenden Industrieunternehmen vorgegaukelt wird. Ein Beispiel: Präparationen oder Abformungen entsprechen vielfach nicht den Anforderungen, die wir Zahntechniker haben, wenn wir möglichst hochwertige Restaurationen fertigen möchten. Der folgende Beitrag soll darum einmal die schwierige Situation für uns Zahntechniker beleuchten und deutlich machen, dass wir mit den richtigen Maßnahmen und moderner Technik Defizite bei der Vorbereitung insofern wettmachen können, wie es mit gewöhnlichen Werkstoffen, Materialien und einer herkömmlichen Arbeitsweise nicht möglich ist.
„Nur so und sonst gar nicht!!“
In unserem vorgestellten Fall besuchte ein etwa 40 Jahre alter Patient die Praxis und wünschte sich eine neue Oberkieferversorgung. An den Pfeilerzähnen seiner bisherigen Frontzahnbrücke war das Zahnfleisch stark zurückgegangen. In der Folge hatte sich eine umfangreiche Zahnhalskaries gebildet. Die Bisssituation zeigte eine Progenie (Abb. 1).
Im Unterkiefer waren die Seitenzähne mittels einer defizitären Freiendprothese auf Teleskopkronen ersetzt. Auf den natürlichen Zähnen der UK-Front befanden sich minimale Retrusionsfacetten, die darauf hinwiesen, dass der Patient mit seiner Verzahnungssituation tatsächlich nur minimal abbeißen konnte.
Aus zahntechnischer Sicht hätten beide Kiefer neu versorgt werden müssen. Doch die finanzielle Situation des Patienten ließ nur überschaubare Maßnahmen zu. Gleichwohl hatte er ein bisschen Geld gespart und machte unmissverständlich deutlich, dass er für dieses Geld ausschließlich eine Vollkeramikversorgung wünschte. Eine andere Versorgungsform, wie beispielsweise eine voll verblendete NEM-Restauration, schloss er kategorisch aus. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der UK definitiv nicht mitversorgt wird und er keinerlei Kosten tragen würde als diejenigen, für die von ihm gewünschte Versorgung.
Dentales Dilemma
Eine solchermaßen strikte Vorgabe führt jeden Behandler in ein Dilemma: Er weiß, dass angesichts der erkennbaren mangelhaften Mundhygiene zunächst einmal eine entsprechende Aufklärung geboten ist, um die Mundhygiene (auch im Hinblick auf die Zukunft) zu verbessern. Zudem sollte vor Beginn der weiteren Behandlung der Zahnstein (auch des Gegenkiefers) entfernt und gegebenenfalls eine PA-Therapie durchgeführt werden, damit Zahnfleischtaschen und die Wurzeloberflächen von Biofilmen und Bakterien befreit wären.
Der Behandler muss hier also zwischen Handlungen entscheiden, die zwar aus seiner Sicht dringend geboten sind, deren gleichzeitige Abarbeitung der Patient jedoch kategorisch ausschließt. Die Befolgung der einen Forderung bedeutet, dass eine andere nicht umgesetzt werden kann. Was kann er also tun: Soll er den Patienten weitgehend kostenlos behandeln? Darf er sagen: „So behandele ich Sie nicht?“ Dies mag möglicherweise ein Inhaber einer gut gehenden Privatpraxis in einer großen Stadt tun, aber kaum ein Zahnarzt auf dem Land. Und in jedem Fall ist jede dieser Entscheidungen schwierig zu treffen!
Zahntechnische Zwickmühle
Die strikte Vorgabe des Patienten hinsichtlich Vollkeramik und die minimalen Facetten auf den natürlichen Frontzähnen des Unterkiefers veranlassten den Behandler, dass er sich für die Versorgung der Oberkiefer-Frontzähne für eine Restauration aus stabilem, voll verblendetem Zirkonoxid entschied. Die dafür geforderten Präparationsformen sind entweder eine Stufenpräparation mit abgerundetem Innenwinkel oder eine Hohlkehlpräparation. Grundsätzlich sollte hierbei ein horizontaler Winkel von mehr als 5º und ein vertikaler Winkel von größer als 4° eingehalten werden. Damit die Präparation die Keramik schützt und unterstützt, soll sie keine scharfen Kanten, keine abrupten Übergänge und keine dünn auslaufenden Ränder wie beispielsweise Tangentialpräparationen besitzen. Idealerweise präpariert der Zahnarzt darum mit formidentischen Schleifkörpern mit einem Konuswinkel von 6° und einer Diamant-Korngröße von 100µm bis 30µm. Verschiedene Experten empfehlen zusätzlich noch ein Feinausarbeiten mittels formkongruenten Hartmetallfinierern.
Abbildung 2 zeigt die Mundsituation nach der Präparation und Abformung. Auf dieser Basishaben wir ein Sägemodell hergestellt und gescannt (Abb. 3).
In diesem offenbart sich die psychologische Zwickmühle, in der nahezu alle Zahntechniker heute stecken: Möglicherweise wäre es besser, wenn die Stümpfe gefüllt und aufgebaut wären. Aber: Ganz gleich wie der ausführende Zahntechniker über diese Arbeitsunterlagen denkt: Dies sind seine Arbeitsunterlagen. Insofern verkneifen sich die meisten Zahntechniker jegliche Kritik, denn sie haben gelernt, intensiv darauf zu achten, was der Behandler für richtig oder für falsch hält. Dies mag einerseits klug sein, weil viele Betriebe angesichts ihrer Abhängigkeit wohl betriebswirtschaftlich nicht bis heute überlebt hätten. Tatsächlich haben sie über viele Jahre gelernt sich so zu verhalten, dass auch solche Behandler mit ihnen zufrieden sind – oder sie zumindest nicht kritisieren oder herabsetzen –, die völlig unpraktisch veranlagt sind. Sie haben eingeübt, dass sie mögliche negative Reaktionen ihrer Auftraggeber möglichst vermeiden, damit sie diese Kunden auf keinen Fall verlieren. Dies hat sich vielen Zahntechnikern tief eingeprägt und bestimmt heute weitgehend ihr Verhältnis zu den Behandlern.
Entscheidung für ESPE
Die einzelnen Restaurationen sollten verblockt werden. Die Stümpfe des Sägemodells wurden jeweils paarweise zusammen mit den Stümpfen gescannt, mit denen sie verbunden würden. Die virtuelle Wiedergabe der gescannten Stümpfe ließ jedoch an den realen Stümpfen zahlreiche unter sich gehende Stellen erkennen, die vom Behandler im Mund nicht aufgebaut waren. Die Draufsicht offenbarte zudem scharfe inzisale Kanten, die digital entlastet werden mussten, damit von ihnen keine Keilwirkung ausgeht, die möglicherweise im Verlauf mehrerer Jahre eine Kronensprengung begünstigt (Abb. 4).
Die präparierten Hohlkehlen waren zwar verhältnismäßig kantig und nicht wirklich gleichmäßig gestaltet. Angesichts der Leistungsfähigkeit des Systems konnten sie dennoch vom System als sauber definierte Präparationsgrenzen dargestellt werden. Insofern waren die einzelnen Gerüste trotz nicht optimaler Vorbereitung mit LavaTM gut fräsbar.
Angesichts der stark verfärbten Stümpfe haben wir uns deshalb gezielt für eine Versorgung mit einer Restauration aus LavaTM Plus entschieden. Mit diesem Material können wir Einzelkronen, verblockte Kronen, (Freiend-)Brücken oder auch Inlay-, Onlay- oder Adhäsivbrücken als monolithische Voll-Restaurationen fräsen. Einerseits eignet sich LavaTM Plus für äußerst rationelle vollmonolithische Restaurationen und andererseits ebenso für hochästhetische Versorgungen mit individuell geschichteten Kronen. Dies macht das System sehr flexibel. Zudem ist das Zirkoniumoxid des LavaTM Plus-Systems deutlich transluzenter als andere Zirkoniumoxide. Dennoch deckt es dunkle Stumpfverfärbungen zuverlässig ab.
In unserem Fall verlangte der Behandler, dass die Kronen 12/13, 22/23 sowie 11/21 angesichts der kurzen Stümpfe und vorhandenen Bissverhältnisse verblockt werden sollten. Die Aufnahme zeigt diese gefrästen Blockpaare und das einzelne Käppchen auf 14 (Abb. 5 und 6). Angesichts der Progenie waren die labialen Platzverhältnisse nicht optimal. Für das Gerüst mitsamt der Keramikschichtung stand uns lediglich eine Gesamtstärke von knapp unter 1,5mm zur Verfügung. Deshalb ist es gut, dass bei Restaurationen aus LavaTM die individuell eingefärbten Kappen grundsätzlich ein farbgebender Teil der Verblendung sind und so die Kronen selbst bei schwierigsten Situationen sogar bei einer Schichtstärke von unter einem Millimeter nicht opak wirken. Die Fotoaufnahme verdeutlicht zudem, dass angesichts der guten Farbwirkung von LavaTM Plus selbst dunkel verfärbte Stümpfe nicht durch die Keramikgerüste schimmern.
Die Farbauswahl ist einfach: Die Farben stimmen mit dem VITA Classical Farbring überein. Zusätzlich gibt es eine Umrechnungstabelle für das 3D-Master®-System. Auch damit ist LavaTM Plus einzigartig. Als Farbe für die Verblendung wurde 3M3 festgelegt (Abb. 7). Die Verblendungen haben wir zusätzlich inzisal dezent mit Orange eingefärbt und so die vitale Wirkung der Schneiden gesteigert (Abb. 8). Die Draufsicht demonstriert deren Wirkungen (Abb. 9).
Problem der Progenie
Wenn man die Mundaufnahme betrachtet, ist man nicht geneigt, zu sagen, dass sich „die Restauration gut in die vorhandene Zahnreihe integriert“ – zu dominant sind Zahnstein, Verfärbungen, die gefüllten Eckzähne des Unterkiefers, die austauschbedürftige Prothese und die erkennbar schlechte Mundhygiene (Abb. 10). Vielleicht wirken die neuen Kronen im Vergleich zur Form der unteren Zähne auch ein kleines bisschen zu rund. Schwer vorstellbar ist, wie der Patient mit einer solchen Progenie abbeißt (Abb. 11). Der Biss musste jedoch wieder so eingestellt werden, da eine derart starke Veränderung hin zu einem Kopf- oder Normalbiss garantiert nachteilige Langzeitfolgen für die Kiefergelenke provoziert hätte.
Auf jeden Fall sind die von der Zahnhalskaries hervorgerufenen dunklen Verfärbungen beseitigt und die Papillen haben ausreichend große Freiräume, sodass eine wünschenswerte Parodontalhygiene theoretisch problemlos durchgeführt werden könnte.
Umständehalber wurde der Patient im vorgestellten Fall nicht bestmöglich versorgt, sondern lediglich im Rahmen der Möglichkeiten. Ohne jeden Zweifel wären eine professionelle Reinigung und Neuversorgung der Unterkieferzähne wünschenswert gewesen. Aber der Patient selbst war mit dem Ergebnis zufrieden und spart aktuell auf die Versorgung seines Unterkiefers mit entsprechenden Zusatzbehandlungen. Der Fall zeigt jedoch, dass unser zahntechnischer Berufsalltag in jeder Hinsicht eine ständige Herausforderung ist: technisch, rationell, emotional und psychologisch. Und der Fall eignet sich gut, um darauf aufmerksam zu machen, dass viele Zahntechniker heute in einem Zustand leben, von dem den wenigsten Zahntechnikern klar ist, wie sie dorthin gekommen sind. Ihr Alltag ist in den letzten Jahren immer härter, schwerer und anstrengender geworden, weil die Zahntechniker das Bewusstsein verinnerlicht haben: Profit gibt es nur gegen Anpassung und immer mehr Leistung. Das Denken Tausender Zahntechniker über sich selbst ist geprägt von Kritik und Abwertung durch ihre Kunden und Sätze wie: „Die Arbeit ist nicht in Ordnung. Die Krone ist nicht gut. Die Ausführung ist schlecht...“
Viele Zahntechniker spüren zwar, dass die traditionelle Art der Zusammenarbeit sie nicht glücklich macht. Dennoch machen sie genauso weiter wie sie es immer getan haben: Sie achten darauf, dass sie bei ihren Kunden nicht negativ auffallen, fertigen wider besseren Wissens Arbeiten auf unzureichenden Unterlagen und müssen diese Arbeiten im Zweifel sogar kostenlos wiederholen. Dabei ist mit LavaTM Plus alles um so viel einfacher.
Das Lava™ Fräszentrum Starnberg bietet Seminare an, mit denen die Labore die Kommunikation gegenüber den Praxen verbessern und die Zusammenarbeit optimieren. Letztlich muss man als Zahntechniker zudem akzeptieren, dass eben nicht jeder Patient das wirklich bestmögliche hochästhetische Ergebnis verlangt, sondern Ästhetik, die er bezahlen kann! Für solche Restaurationen ist LavaTM Plus die bestmögliche Alternative.
Erfolgreiches Vorbild
In den USA werden heute schon nahezu 80 Prozent der Restaurationen vollkeramisch hergestellt. Mittels Vollkeramik und Outsourcing wie an ein LavaTM-Fräszentrum können die Labore schnell und sicher gute Ergebnisse erreichen – nur eben profitablere.
Angesichts der Einkommensentwicklung und stetig zunehmender Zahnersatzimporte werden künftig in Deutschland immer mehr Arbeiten möglichst preisgünstig produziert werden müssen. Die meisten Patienten (gerade auch auf dem Land) haben für Zahnersatz kaum Geld übrig, aber erwarten dennoch eine akzeptable Ästhetik. Die Zahntechniker sind darum gezwungen, bei weiter sinkenden Profiten in derselben Zeit (auf teilweise schlechten Unterlagen) immer mehr zu schaffen. Mit der ausgereiften Software von LavaTM Plus und dem zurzeit bestmöglichen Zirkoniumoxid-Werkstoff können sie diesen Teufelskreis durchbrechen und erhalten schnell und einfach sichere und ästhetische Restaurationen. Insofern können wir in Deutschland in puncto Wirtschaftlichkeit und Zufriedenheit von den erfolgreichen US-Laboren nur lernen.