Neulich war ich mal beim Arzt. Nichts Schlimmes, Gott sei Dank. Nach einem kurzen Hallo verschwindet das Gesicht des Medicus hinter seinem übergroßen Flatscreen-Monitor. Mir blicken nur noch die leeren USB-Eingänge, Strom- und Verbindungskabel entgegen. Der Arzt verschwindet in der Abdeckung seines elektronischen Schützengrabens. Meine Daten werden durch zeitaufwendiges Geklicke hochgefahren. Ich ahne, dass der Arzt offenbar mehr von der Bedienung der Elektronik absorbiert ist als von seinem Patienten. „Tolles Programm, zugleich kann während der Sprechstunde bereits die Abrechnung eingegeben werden.“ Na, wenn das kein Fortschritt ist. Ich sehe den Arzt nicht, der Arzt sieht mich nicht, der Blickkontakt reißt ab. Informationszeitalter offenbar.Eigentlich schade, denke ich, vielleicht ist da doch etwas schiefgelaufen. Intuitiv ist mir längst klar – hier bist du falsch. Von der Suche nach Zeichen, Hinweisen im Gesicht seines Gegenübers, dem Ausfahren einer „Antenne“ zum Einfangen von Stimmungen, keine Spur. Das Irrationale in der Medizin, und eigentlich auch das Elementare, ist einfach mal über Bord gegangen. Welch ein Irrtum, denn die Medizin ist bei allem Fortschritt keine reine Naturwissenschaft. Wach bleiben und auch mal seinen Sinnen vertrauen!
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