Branchenmeldungen 07.04.2017

„Aus berufspolitischer Sicht ist ein Unterbietungswettbewerb desaströs“



„Aus berufspolitischer Sicht ist ein Unterbietungswettbewerb desaströs“

Foto: © BZÄK/axentis.de

Curo ergo cogito! Denn unser Beruf, wenn nicht sogar unsere Berufung, ist das Heilen von Menschen, was immer auch in großem Maße mit Denken und Planen einhergeht.

Insbesondere bei der Erstellung von Heil- und Kostenplänen für komplexe Behandlungsabläufe ist ein erheblicher Planungsaufwand unter Beachtung der klinischen Parameter, aber auch der individuellen Patientensituation und bestenfalls auch der längeren zeitlichen Betrachtung der intraoralen Entwicklung, erforderlich. Gerade die gar nicht vergütete umfängliche Beratung vor der eigentlichen Versorgung mit Zahnersatz kann in der Praxis erheblichen zeitlichen Aufwand erfordern, gegebenenfalls auch verbunden mit mehreren Beratungsterminen und wieder geänderten Planungen auf Wunsch des Patienten. Häufig werden wegen notwendiger Beobachtungsintervalle auch vorbereitende Maßnahmen, wie zum Beispiel Aufbaufüllungen oder bereits Versorgungen mit Langzeitprovisorien nach vorherigem Beschleifen der Zähne, durchgeführt.

Patienten, die nach umfangreicher Aufklärung und Vorbereitung sowie HKP-Erstellung freudestrahlend aus dem Urlaub zurück in die Praxis kommen und einem erzählen, man habe das supergünstige Angebot im Urlaubsland einfach nicht ausschlagen können, wird man nie vergessen. Manche Patienten werden angesichts der häufig zweifelhaften Behandlungsergebnisse allerdings ihren Urlaub auch noch länger in Erinnerung behalten.

Kompetenz und Vertrauen sind keine Ware

Zahnersatz und die damit einhergehende Kompetenz und das Vertrauen sind aber keine Ware, die man aus dem Regal nimmt und zum Verhandlungspreis auf den Ladentisch legt. Dieser Eindruck wird jedoch zunehmend durch Zahnersatzvergleichs- und/oder Versteigerungsportale erweckt. Dort können Patienten ihre Heil- und Kostenpläne einstellen und versteigern, was aus Verbrauchersicht zunächst zu der schönen „Geiz-ist-geil“-Mentalität passt. Aus Sicht der Zahnärzteschaft ist diese Entwicklung außerordentlich problematisch, wenn durch Vermittlung von Webportalen Zahnersatz regelrecht verramscht wird. Dieser Vorgang ist nicht mit dem durchaus nachvollziehbaren Wunsch eines Patienten nach einer Zweitmeinung zu verwechseln.

Teilweise erfolgt die Versteigerung offenbar neuerdings auch mit anonymen Plänen der Patienten durch deren Versicherungsgesellschaften, die ihren Versicherten dann im Nachhinein auch noch eine Geldpauschale für die Beratung durch den „billigeren“ Zahnarzt anbieten. Aus berufspolitischer Sicht ist ein Unterbietungswettbewerb desaströs. Denn er suggeriert Politik und Öffentlichkeit, dass alles nicht so teuer sein muss und dass die Forderungen der Zahnärzteschaft nach einer angemessenen Vergütung ihrer Leistungen vielleicht auch nicht ganz so ernst zu nehmen sind. So wird viel mühsam aufgebaute Öffentlichkeitsarbeit und Vertrauen zerstört. Und das kollegiale Miteinander innerhalb der Zahnärzteschaft wird massiv beeinträchtigt. Nicht ohne Grund bleiben die Versteigerungsgewinner anonym.

Einerseits wird der mühsam planende und vorbereitende Kollege aus dem Behandlungsverhältnis gedrängt und ohne Honorar um einen Teil seiner Vorleistungen gebracht. Andererseits bezahlt ein übernehmender Kollege einen nicht unerheblichen Prozentsatz für die Patientenzuweisung durch das Portal (das Modell wurde noch vor dem sogenannten Antikorruptionsgesetz für die Heilberufe entworfen, insofern bleibt eine aktuelle Rechtsprechung abzuwarten) und holt sich dafür einen nur am Preis interessierten Patienten in die Praxis, der wahrscheinlich auch künftig kein Interesse hat an Zuzahlungsleistungen wie PZR, zweiter Zahnsteinentfernung im Kalenderjahr oder den Leistungen nach § 28 Abs. 2 SGB V. Diese „Billigheimer“ sind häufig nur für eine Versorgung da und verlassen dann die Praxis auf der Suche nach dem nächsten Schnäppchen.

Einen Unterbietungswettbewerb kann man bei vernünftigem Qualitätsanspruch nie gewinnen. Einen Qualitätswettbewerb wohl schon. Denn die vernünftige und qualitativ gute, aber dann eben zwangsläufig auch nicht immer günstigste Versorgung ist die beste Werbung für unsere Praxen. Auch heutzutage kommt ein Großteil der Patienten aufgrund einer persönlichen Empfehlung zu uns und nicht wegen einer Werbeaktion oder eines tollen Internetauftritts.

Der wichtigste Patient für Sie sollte also immer derjenige sein, der gerade vor Ihnen sitzt. Und nicht derjenige, der am Computer ein Schnäppchen von Ihnen erwartet.

Der Artikel ist in der Dental Tribune Deutschland 3/17 erschienen.

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