Branchenmeldungen 03.09.2019
Dentale Lebensläufe: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bernd Lethaus
In der vorliegenden Reihe befragt die dentalfresh Menschen der Zahnmedizin nach ihrer ganz persönlichen dentalen Biografie. Im Interview steht Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bernd Lethaus, MHBA – Klinikdirektor, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Leipzig – Rede und Antwort.
Starten wir mit der eigentlich letzten Frage zuerst – Herr Prof. Lethaus, welche bekannte Persönlichkeit würden Sie gerne auf ein Gespräch treffen und warum?
Gute Frage! Schwierige Frage! Ich glaube, ich hätte gerne Kofi Annan kennengelernt. Als Diplomat und Generalsekretär der UN hat er ja wahnsinnig viel in seinem Leben gesehen. Ihm hätte ich gerne einfach mal nur zugehört, aber leider ist das nicht mehr möglich. Dann wähle ich Elon Musk, den etwas verrückten Tesla-Unternehmer. Das wäre bestimmt eine spannende Begegnung, zu sehen, wie so ein Mensch tickt, in welchen Dimensionen er denkt und was er alles macht. Ja, mit Musk würde ich gerne mal ein Bier trinken!
Nun zu Ihnen und Ihrem Werdegang – können Sie uns bitte kurz Ihre bisherigen Stationen umreißen?
Ich komme gebürtig aus Düsseldorf und habe von 1993 bis 2003 am Universitätsklinikum Erlangen erst Human- und dann Zahnmedizin studiert. Danach habe ich meine Facharztausbildung zum MKG-Chirurgen in Erlangen begonnen und diese am Klinikum in Stuttgart abgeschlossen. Weitere Stationen als Oberarzt bzw. leitender Oberarzt waren, neben Stuttgart, Maastricht und Aachen. Seit Beginn 2019 bin ich als neuer Klinikdirektor der Mund, Kiefer- und Plastischen Gesichtschirurgie in Leipzig tätig.
Was reizt Sie an der MKG-Chirurgie?
Die MKG-Chirurgie ist das Bindeglied zwischen der Human- und Zahnmedizin. Das macht die Disziplin auch so unglaublich spannend. Es gibt kein Fach, das so breit aufgestellt, so inhärent interdisziplinär ausgeprägt ist wie die MKG-Chirurgie.
Sie haben mehrere Jahre in den Niederlanden gelebt und gearbeitet – wie kam es dazu?
Ich war fünf Jahre als leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Maastricht tätig. Der Schritt in die Niederlande ergab sich zum einen über meine frühere Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. Kessler (Clinic of Oral and Maxillofacial Surgery, Universität Maastricht, Niederlande; Anm. d. R.), den ich noch aus Erlangen kannte, zum anderen bot mir der Weg nach Maastricht auch die Möglichkeit, zurück an die Universität zu gehen. Das sah ich als gute Gelegenheit an. Und es ist ja immer spannend, über den Tellerrand hinauszuschauen! Die Niederlande ist zwar geografisch nahe an Deutschland gelegen, dabei aber doch eine ganz andere Welt. Sie ist ausgesprochen angelsächsisch geprägt, auch im Gesundheitswesen. Ich habe wirklich viel von der dortigen Zeit mitgenommen, habe viel gesehen, viel gelernt. Das war eine tolle Erfahrung für mich.
Dann wollten Sie aber doch wieder zurück nach Deutschland?
Ja, nach vier bis fünf Jahren wird die Lernkurve einfach flach, und man muss schauen, dass sie wieder nach oben geht. Und ich wollte auch das Fach der MKG-Chirurgie weiter voranbringen, möglichst auch einen Lehrstuhl besetzen. Da war dann das Aachener Klinikum der perfekte Standort für den nächsten Schritt.
Sie haben seit Kurzem die Leitung der Klinik für Mund, Kiefer und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Leipzig inne. Was hat Sie nach Leipzig geführt, welche Schwerpunkte verfolgen Sie hier?
Erstmal ist Leipzig eine tolle und charmante Stadt mit einer schönen Größe, in der einfach viel passiert! Der bundesweite Zuzug nach Leipzig reist ja, wie ich höre, nicht ab. Ich fühle mich also in der Stadt sehr wohl. Gleiches gilt aber auch für den medizinischen Standort Leipzig. Man spürt einfach das Wachstum und die Dynamik des Klinikums.Was die Schwerpunkte angeht, bespielen wir eigentlich das komplette Stück der MKG-Chirurgie, wobei die Spaltchirurgie ein zentraler Bereich ist. Der Standort ist hoch professionell und ausgesprochen interdisziplinär ausgestaltet, mit einer hohen Patientenanzahl und sehr guten Kinderklinik. Die Zusammenarbeit mit der HNO hier im Haus ist exzellent. Das möchte ich unbedingt so weiterführen. Ich persönlich komme ja aus der Rekonvaleszenz und Onkologie. Mir ist die Psychoonkologie sehr, sehr wichtig. Da waren wir in Aachen extrem gut aufgestellt, und das möchte ich hier in Leipzig (weiter) etablieren.
Stichwort: Niederlagen und Erfolge – wie stehen Sie zu beidem?
Niederlagen gehören einfach zum Leben und zum Arbeiten dazu. Auch bei mir ist natürlich nicht immer alles glattgelaufen. Letztlich ist aber nicht die Niederlage das Entscheidende, sondern der Umgang damit. Kennen Sie den Spruch von Rocky Balboa? Da heißt es im Film: „It ain’t about how hard you hit. It’s about how hard you can get hit and keep moving forward.“ Ich finde, das trifft es doch sehr genau. Man muss aus Niederlagen und Fehlern lernen und versuchen, es das nächste Mal anders, besser zu machen. Da hat man schon viel gewonnen. Bei den Erfolgen gibt es nicht den einen großen Erfolg. Mich bestärken vielmehr immer wieder das Arzt-Patienten-Verhältnis, die enge Zusammenarbeit mit Patienten und das Gefühl, dass wir nach einer erfolgreichen OP einem Menschen – sei es ein Kind, sei es ein Tumorpatient – wirklich helfen konnten. Das sind solche Momente, die einen dann weiter antreiben. Gleichzeitig müssen wir aber natürlich auch für Patienten da sein, wenn es mal nicht so gut läuft. Das ist genauso wichtig. Erfolg ist aber auch nie pure Eigenleistung; nicht alles liegt im eigenen Tun und Handeln. Das sollte man nicht vergessen! Da spielen immer auch andere Kräfte eine Rolle – sei es Schicksal oder Fortune –, die dann so zusammenlaufen, dass man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist.
Was würden Sie – aus Ihrer Erfahrung heraus – jungen Zahnmedizinstudierenden und frischen Absolventinnen und Absolventen von heute raten?
Man sollte sich nicht zu früh festlegen und erst mal sehen, was es alles für Möglichkeiten gibt und welche Bereiche und Fachgebiete einem Spaß machen. Also nach links und rechts schauen und interessiert bleiben. Ich glaube, es ist nicht ratsam und auch gar nicht notwendig, sich schon früh, zu früh, auf eine Richtung festzulegen und dann etwas zu tun, was einem gar nicht liegt. Besser ist es, das zu finden, was man gerne macht und gut kann und wofür man dann auch langfristig den Atem, die Kraft und die Lust hat.
Wo finden Sie Ausgleich zu den beruflichen Anforderungen? Oder anders gefragt: Was tun Sie für Ihre Work-Life-Balance?
Ich verstehe meine neue Stelle in Leipzig als wirkliche Berufung, der ich mich voll und ganz widme. Deshalb kann ich die Bereiche Work versus Life auch nicht so streng trennen. Natürlich sind Familie und Freunde ganz, ganz wichtig. Gerade auch dann, wenn wir mit Niederlagen kämpfen müssen, wenn wir Fehler machen oder auch – wir arbeiten ja zu einem großen Teil in der Onkologie – einen Patienten verlieren, sind das familiäre Netz und ein Freundeskreis ausgesprochen wichtig. Zudem spielt für mich auch der Sport eine Rolle. Das versuche ich mehrmals die Woche einzubauen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview ist in der dentalfresh erschienen.