Branchenmeldungen 28.02.2011

Digitale Zukunft der Prothetik erfolgreich gestalten

Digitale Zukunft der Prothetik erfolgreich gestalten

Foto: © Heraeus Dental Deutschland

2. Heraeus Prothetik Symposium in Frankfurt

Mit Zirkonoxid und CAD/CAM hat die „digitale Zukunft“ der Zahntechnik längst begonnen. Computergestützte Verfahren und neue Werkstoffklassen bieten Zahnärzten und Zahntechnikern ganz neue Möglichkeiten, auf die steigenden individuellen Anforderungen der Patienten einzugehen. Auf dem 2. Heraeus Prothetik Symposium in Frankfurt erläuterten Experten aus Zahnmedizin und -technik vor mehr als 300 Teilnehmern die weitere Entwicklung, Herausforderungen und Chancen der zunehmenden Digitalisierung.


„Die Dentalbranche befindet sich in einem starken Wandel“, stellte Dr. Martin Haase, Geschäftsführer von Heraeus Dental, in seiner Begrüßung fest. „Die fortschreitende Digitalisierung wird die Ge-schwindigkeit des Wandels weiter verstärken. Außerdem erfordert sie eine engere Vernetzung der Beteiligten.“ Das deutsche Gesundheitssystem besitze im internationalen Vergleich eine gute Position. „Um diese Position zu halten, müssen wir die vorhandenen Technologien partnerschaftlich nutzen und den Weg in die Zukunft weiter gemeinsam beschreiten – Labor, Zahnarzt und Industrie.“

Trend zur Individualisierung verändert Patientenansprüche

„Gnadenlose Individualisierung und knallharte Qualitätskontrolle durch informierte Patienten“, schilderte Zukunftsforscherin Jeanette Huber mit prägnanten Worten die übergeordneten Entwicklungen des Gesundheitsmarktes. Die Trends aus den Konsummärkten schwappen in den Gesundheitsbereich: Ein VW-Golf mit über 300.000 Ausstattungsvarianten, Pflaster mit Svarowski-Dekorationen oder ein Vitamin-Präparat für Golfer – Individualisierung ist zum kaufentscheidenden Merkmal geworden. Funktionalität und Zuverlässigkeit eines Produktes werden dagegen inzwischen als selbstverständlich vorausgesetzt. „Internet und boomende Gesundheitsmedien haben die Kommunikations-Einbahnstraße Arzt – Patient zudem in ein Multiplayer-Game verwandelt“, betonte Hu-ber. „Der informierte ‚Power-Kunde‘ will nun auf Augenhöhe mit individuellen Angeboten angesprochen werden.“ Dafür erwarten nur noch 15 Prozent der Deutschen, dass die entsprechenden Leistungen komplett von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Anbieter im Gesundheitsbereich sollten sich daher verstärkt zu Gesundheitsberatern ihrer qualitätsbewussten Kunden wandeln, postulierte die Zukunftsforscherin.

CAD/CAM aus wissenschaftlicher Sicht

Die steigende Nachfrage nach individuellen, ästhetisch hochwertigen Restaurationen bestätigte auch Prof. Dr. Daniel Edelhoff vom Universitätsklinikum München. Materialien wie Zirkonoxid bieten hier besonders im Frontzahnbereich klare Vorteile gegenüber Metallkeramiken. „Mit modernen CAD/CAM Systemen können wir zu-dem vollkeramische Geometrien herstellen, die früher undenkbar waren.“ Nach aktuellen Studien ist deren Langlebigkeit inzwischen vergleichbar mit Metallkeramik.

„CAD/CAM Systeme mit zentraler Fertigung wie cara bieten enorme Vorteile, auch in Sachen Passgenauigkeit“, so Edelhoff. Gleichzeitig verringert die Zentralfertigung das Investitionsvolumen und das Produktionsrisiko für das Dentallabor.

Bei materialgerechter Gestaltung und Fertigung stellt auch Chipping kein Problem mehr dar. Prof. Edelhoff identifizierte eine ganze Reihe von Ursachen für das unerwünschte Abplatzen: Nachträgliche Feinkorrekturen, falsches Gerüstdesign oder ein zu schnelles Abkühlen. „Hier macht die Wahl der materialgerechten Verblendkeramik einen markanten Unterschied“, betonte der Referent. Auch eine fehlerhafte Okklusion, eine nicht CAD/CAM gerechte Präparation oder zu starkes Einschleifen durch den Zahnarzt können Chipping begünstigen. Der Wissenschaftler riet daher, sich intensiv mit den neuen Materialien und ihrer Bearbeitung auseinanderzusetzen. Ins-gesamt bieten die modernen Möglichkeiten der Prothetik, darunter diagnostische Vorgehensweisen und neue Werkstoffe wie Polymere, viele Wege, auf individuelle Wünsche des Patienten erfolgreich einzugehen.

Zahntechniker als kreativer Gestalter und technischer Berater

Angesichts der neuen Möglichkeiten forderte ZTM Alwin Schönenberger dazu auf, zunächst materialneutral zu denken und sich nicht von persönlichen Vorlieben für ein bestimmtes Material leiten zu lassen. „Denken Sie in Farben und Formen. Wählen Sie erst dann das Material und die Technik.“ Im Zeitalter computergestützter Fer-tigung sei der Zahntechniker mehr denn je als kreativer Gestalter individueller Lösungen gefragt, löste der Schweizer den vermeintli-chen Widerspruch zwischen klassischer Zahntechnik und modernem CAD/CAM. „Den individuellen Zahn stellt der moderne Zahntechniker her“, betonte Schönenberger. „Er wird zum technischen Berater des Zahnarztes und ist das ideale Bindeglied zwischen Zahnarzt und Patienten auf der einen und der Industrie auf der an-deren Seite.“

Zukunftstrends digitale Abformung und Verblendung

Computergestützte Gestaltung und Fertigung machen bislang den größten Teil des digitalen Arbeitens im Labor aus. Doch mit der digi-talen Abformung und Verblendung treten bereits zwei neue Technologien auf den Markt, die den digitalen Workflow vervollständigen. ZTM Josef Schweiger vom Universitätsklinikum München stellte die aktuellen Systeme zur digitalen intraoralen Erfassung und die damit verbundene digitale Modellherstellung vor. „Zum eigentlichen Meistermodell wird beim Intraoral-Scan jedoch der digitale Datensatz“, betonte Schweiger. Die genaue digitale Abformung, ein speicherbares, unzerbrechliches virtuelles Meistermodell und CAD/CAM ermöglichen hochpräzises Arbeiten. Bei der analogen Fertigung könne niemals so genau gearbeitet werden, zeigte Schweiger. Grö-ßenungenauigkeiten seien in allen Arbeitsschritten von der Abformung bis zum Dentalguss an der Tagesordnung. „Hier können Fehler nicht durch Fehler kompensiert werden“, mahnte der Münchner. Zusätzlich stellte Schweiger drei Systeme zur digitalen Verblendung vor, darunter das von ihm erfundene SVK-System.

3. Dimension für Implantologie und Rot-Weiß-Ästhetik

Welch hochpräzisen und individualisierten Leistungen mit Hilfe moderner digitaler Technologien und enger Teamarbeit bereits möglich sind, zeigten der Implantologe Dr. Steffen Landow und ZTM Achim Müller. Sie präsentierten einen gemeinsamen Patientenfall: eine anspruchsvolle Kombination aus Implantatprothetik und herkömmlicher Brücke im Frontzahnbereich. Auf der Chairside nutzte Dr. Landow dreidimensionale Volumentomografie und Planungssoftware für die exakte Diagnose, die optimale Positionierung von Implantat- und Kronenachsen und die Planung des anspruchsvollen Emergenzprofils. ZTM Müller gestaltete auf dieser Basis mit dem cara CAD/CAM System präzise Zirkongerüste und -abutments mit individuellem Emergenzprofil. Anschaulich erläuterten die Referen-ten die Vorteile der digitalen Techniken für Planungssicherheit, Funktion, rote und weiße Ästhetik. „Früher hat der Implantologe in zwei Ebenen oft richtig geplant, doch die dritte stimmte nicht. Heute können wir mit der dritten Dimension die Situation ohne Unsicher-heiten einschätzen, das Implantat je nach Knochenangebot positionieren und das Weichgewebsmanagement entsprechend ausrichten“, so Dr. Steffen Landow. ZTM Müller brachte die Vorteile der 3D-Technologie auf den Punkt: „Man kann immer nur das machen, was man sieht – und wenn man mehr sieht, kann man mehr machen!“

Ob digital oder nicht – Grundvoraussetzung für eine präzise Restau-ration ist immer eine genaue Abformung, betonten die Referenten. „Als Zahntechniker sollten Sie den Mut haben, bei unklaren Abdrü-cken Ihren Zahnarzt zu kontaktieren“, riet Dr. Steffen Landow. Beide Referenten bekräftigten, dass für ein erfolgreiches Ergebnis eine enge Zusammenarbeit zwischen Implantologe und Zahntechniker unabdinglich ist. „Dank digitaler Diagnose und Planung sowie der Möglichkeiten der CAD/CAM Technologie haben wir den Prozess erfolgreich gestaltet.“ Deutlich wurde aber auch, dass das vorbildli-che Ergebnis ebenso auf der Expertise und dem gemeinsamen Qualitätsanspruch des Implantologen und des Zahntechnikers basierte.

„IT-Zahntechniker“ und Form- und Farbgestalter

Den Vorträgen folgte eine lebhafte Podiumsdiskussion. Kernfragen zur Arbeit mit CAD/CAM wie das Pro und Contra zum Abstrahlen von Zirkonoxidgerüsten standen ebenso im Mittelpunkt wie die Rolle des Zahntechnikers in der digitalen Zukunft. Referenten und Teil-nehmer waren sich einig: Die unaufhaltsame Digitalisierung wird die dentale Arbeitswelt grundlegend wandeln. Sie fordert neues techni-sches Wissen, verdrängt aber nicht die Fach-, Material- und Gestal-tungskompetenz von Zahnarzt und Zahntechniker. Erfolgsentschei-dend werden digitale Kompetenzen, Individualisierung und die enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker. Eine aktive Beschäftigung mit den neuen Technologien sowie flächendeckende Fortbildungen und Schulungen sind dafür essentiell, betonte Prof. Dr. Daniel Edelhoff. Gleichzeitig ist der Zahntechniker als technischer Berater des Zahnarztes und bei der kreativen Umsetzung der individuellen Wünsche des Patienten gefragt. Moderator Dr. Uwe Böhm hielt abschließend fest: „Sowohl den ‚IT-Zahntechniker‘ als auch den individuellen Form- und Farbgestalter wird es in Zukunft geben.“


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