Branchenmeldungen 08.04.2013
Fehlstart in der Lehre – Wo Azubis bei Problemen Hilfe finden
Ärger mit dem Chef oder Mobbing durch
Kollegen: In der Ausbildung läuft nicht immer alles rund. Statt
den Kopf in den Sand zu stecken, sollten Jugendliche sich bei Problemen
rasch Hilfe holen. Die Frage ist nur: An wen sollten sie sich zuerst
wenden?
Es
gibt Tage, an denen Marissa Schlegel (Name auf Wunsch der Betroffenen geändert) ihre Ausbildung am liebsten abbrechen
würde. Das sind Tage, an denen ihr Chef sie anbrüllt, sie als nutzlos
beschimpft oder ihr vorwirft, sie könne gar nichts. „Er ist ein
Choleriker“, klagt die 22-Jährige. Seit 2011 macht sie in einem Karlsruher
Unternehmen eine Ausbildung zur Kauffrau für Dialogmarketing. Oft
macht ihr die Arbeit Spaß. Doch die Beleidigungen ihres Chefs zerren an
ihren Nerven.
Solche Schilderungen
überraschen Florian Haggenmiller nicht. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen
Azubis ihren Lohn zu spät oder gar nicht bekommen, Überstunden machen
müssen, ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten oder sogar
gemobbt werden“, sagt der Bundesjugendsekretär beim Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB). Viele sehen dann keine andere Möglichkeit,
als die Ausbildung abzubrechen. Fast ein Viertel der Auszubildenden
löste 2011 ihren Vertrag vorzeitig auf, ergab eine Auswertung
des Bundesinstituts für Berufsbildung. Doch das dürfe nur der
letzte Ausweg sein, sagt Nico Schönefeldt, Berufsbildungsexperte des Deutschen
Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Schließlich findet nicht jeder
sofort einen weiteren Ausbildungsplatz. Besser sei es
deshalb, Probleme in der Firma frühzeitig anzusprechen. „Azubis
sollten zunächst versuchen, im Unternehmen selbst eine Lösung zu
finden“, rät er. Am besten wenden sie sich zunächst an den Ausbilder
oder den Chef. Daneben sei der Betriebsrat oder die Jugend- und
Auszubildendenvertretung ein guter Ansprechpartner, ergänzt Haggenmiller.
Die gebe es allerdings nur in größeren Betrieben. Auch eine Vertrauensperson
im Kollegenkreis oder Berufsschullehrer könnten helfen, sagt Katharina
Schumann, Leiterin des Referats Bildungsberatung bei der
Handwerkskammer Berlin. „Es gibt aber auch Konflikte, wo ganz klar gegen geltendes
Recht verstoßen wird“, erklärt sie. Das könne etwa der Fall
sein, wenn das Unternehmen regelmäßig zu viele Überstunden
verlange oder man Arbeiten verrichten müsse, die nicht zur Ausbildung
gehören. Dann sollte man sich am besten an einen Ausbildungsberater der
Handwerkskammern oder der Industrie- und Handelskammern (IHK)
wenden. Dieser prüfe dann, ob eine Rechtsverletzung vorliegt und
suche das Gespräch mit dem Chef.
Bei ausstehenden
Geldbeträgen unterstützen die Ausbildungsberater die Azubis darin, eine Mahnung zu
schreiben. Bringt das nichts, gehen die IHKs und Handwerkskammern selbst
noch einmal schriftlich vor. In seltenen Fällen beantragten sie einen
Entzug der Ausbildungsberechtigung, erklärt
Schumann. Wichtig sei, dass die
Auszubildenden ihre Rechte kennen. Diese sind im Berufsbildungsgesetz
festgelegt. Auch dem Ausbildungsvertrag und der Ausbildungsordnung könnten
junge Menschen wichtige Angaben entnehmen.
Doch nicht immer gehen die
Probleme vom Betrieb aus. Oft hätten Auszubildende auch Schwierigkeiten in
der Berufsschule, wenn für sie die Anforderungen zu hoch seien, hat
Schönefeldt beobachtet. „Schlechte Noten sind aber kein Grund,
zu verzweifeln“, sagt er. Azubis könnten mit dem Einverständnis
ihres Betriebes bei der Agentur für Arbeit ausbildungsbegleitende
Hilfen anfordern. Dann bekämen sie kostenlosen Nachhilfeunterricht und
würden außerhalb der Berufsschule bei theoretischen Lerninhalten
unterstützt. Außerdem gebe es ein
Programm des Bundesbildungsministeriums, das unter dem Namen VerA (Verhinderung von
Ausbildungsabbrüchen) berufserfahrene Experten als Mentoren
zur Seite stellt. „Die geben dann nicht nur Hilfestellung, sondern
dienen auch als Vorbilder“, sagt Schönefeldt. Wer sich anonym Ratschläge
zu Problemen rund um die Ausbildung holen möchte, ist auf dem Onlineportal „Dr. Azubi“ richtig. Auf der vom DGB eingerichteten Seite können
Auszubildende ihre Probleme schildern und bekommen innerhalb von 48
Stunden eine Antwort.
„Wenn alle Stricke reißen,
ist es auch möglich, sich in einem anderen Beruf ausbilden zu lassen“,
sagt Schönefeld. Dieser Schritt müsse aber gut überlegt sein. Den
Jugendlichen stünden auch hier die Ausbildungsberater der IHKs und
Handwerkskammern beratend zur Seite.
Marissa Schlegel hat sich
mit ihren Problemen an die IHK, das „Dr. Azubi“-Forum und ihren
Berufsschullehrer gewandt. Dort bekam sie viele Ratschläge. Letzten Endes hat
sie sich gegen eine Kündigung entschieden. Für ein Gespräch mit dem
Chef fehlte ihr aber der Mut. „Jetzt werde ich einfach die Zähne
zusammenbeißen und die verbleibenden Monate, bis ich fertig
bin, auch noch durchstehen.“
Quelle: Maria Fiedler, dpa