Branchenmeldungen 09.04.2013

Finger ab: Zahnarzt bestreitet Selbstverstümmelung

Finger ab: Zahnarzt bestreitet Selbstverstümmelung

Foto: © Sebastian Tomus - Shutterstock.com

Seine Hände sind sein Kapital. Dennoch soll ein Zahnarzt sich selbst einen Finger abgeschnitten haben, um an Geld zu kommen. Der Mann bestreitet dies und kämpft um seinen Ruf.

Der Vorwurf klingt unglaublich: Um Versicherungsgelder zu kassieren, soll sich ein Zahnarzt aus Fichtenwalde in Brandenburg einen Finger abgeschnitten haben. Seit Dienstag muss sich der 43-Jährige in Potsdam vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm das Vortäuschen einer Straftat und versuchten Betrug vor. Der Mediziner beteuert, das Opfer eines Überfalls zu sein.

Nach dem Verlust seines Fingers müsse er nicht nur um seine Existenz kämpfen, sondern auch um seinen Ruf. «Diese Erfahrung wünsche ich niemanden», sagte der Arzt mit brüchiger Stimme. «Ich habe und ich hatte zu keinem Zeitpunkt ein Motiv für eine Vortäuschung», betonte der Familienvater.

Laut Anklage soll er sich aber aus finanzieller Not selbst verstümmelt haben. Demnach hätten ihm bei Invalidität 600 000 Euro zugestanden sowie eine Versicherungsleistung von 250 000 Euro für einen nachgewiesenen Raubüberfall. Es wäre nicht der erste derartige Fall: So verurteilte das Landgericht Würzburg (Bayern) 2003 zwei Männer zu jeweils eineinhalb Jahren Haft, nachdem ein damals 28-Jähriger seinem Bekannten (58) auf dessen Wunsch mit einer Kettensäge Daumen und Zeigefinger abgetrennt hatte. Ein Chirurg aus Brandenburg stand in Verdacht, sich 2001 mit einer Motorsäge vier Finger abgeschnitten zu haben, um rund 2,1 Millionen Euro zu kassieren. Das Amtsgericht Zehdenick sprach den Mann jedoch vom Betrugsvorwurf frei.

Die Versicherungen sind für das Thema sensibilisiert. «In der Branche ist durchaus zu hören, dass der Verlust eines Fingers bei Ärzten deutlich öfter vorkommt als bei anderen Menschen», sagte eine Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Hintergrund ist eine deutlich höhere Unfallversicherung bei Verlust des Körperteils als bei anderen Menschen. Mediziner hätten zudem Zugriff auf Betäubungsmittel, sagte die Sprecherin.

Der angeklagte Zahnarzt beteuert seine Unschuld: «Ich war zu keinem Zeitpunkt zahlungsunfähig», erklärte er. Mahnungen oder Unregelmäßigkeiten, auf die die Ermittler gestoßen waren, erklärte er mit mangelnder Buchhaltung. Die Unfallversicherung habe er vor allem wegen seines Reithobbys abgeschlossen.

Die Schilderung des Mediziners hörte sich dramatisch an: Demnach drangen zwei ungepflegte Männer am späten Nachmittag des 26. März 2012 in seine Praxis ein und forderten Gold und Geld. Mit Edelmetall konnte der Arzt nicht dienen, auch Geld hatte er wenig. Verärgert sollen die Männer den Zeigefinger seiner linken Hand abgeschnittenhaben und geflüchtet sein. Notdürftig habe er die Wunde versorgt, sich Mittel gegen die Schmerzen gespritzt und Hilfe gerufen.

Trotz einer Großfahndung blieb die Suche nach den Tätern erfolglos - ebenso wie die nach dem Finger des Arztes. Bei ihren Ermittlungen stieß die Kripo auf Widersprüche. Schließlich war sie überzeugt, dass es den Überfall nie gegeben hat. Die Anklage stützt sich auch auf ein Gutachten zu Blutspuren in der Praxis, in denen Schmerzmittel nachgewiesen wurden.

Die Verteidigung wirft der Polizei einseitige Ermittlungen vor. «Es gab die verschiedensten Ermittlungsansätze, denen aber nicht nachgegangen wurde», schilderte Rechtsanwältin Barbara Petersen. So habe es Hinweise auf verdächtige Autos oder Männer gegeben, deren Aussehen dem von Phantombildern entsprach. Auch Nachfragen bei der Bank seien ausgeblieben, ergänzte ihre Kollegin Berit Neubert.

Quellen: dpa, BZ,Tagesspiegel

Autor: ZWP online

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