Branchenmeldungen 03.11.2014
Führt das Aufbereiten der Zahnwurzel zu Frakturen?
Zwei Forscher untersuchten, ob das Ausfeilen der Zahnwurzel zu feinen Frakturen führen kann. Ihr Ergebnis: Mikrorisse, die sich nach dem Ausfeilen feststellen lassen, waren auch davor schon sichtbar.
Manchmal ist eine Zahnwurzelkanalbehandlung der einzige Weg, um den Zahn noch zu erhalten. Dabei öffnet der Zahnarzt mit Diamantbohrern die Zahnkrone, um die Hohlräume der oft entzündeten Zahnwurzel zu erreichen. Dann entfernt er die Pulpa (im Volksmund Zahnnerv) aus dem Wurzelkanal, bereitet mit immer feineren Feilen den Wurzelkanal auf, desinfiziert ihn und füllt ihn mit Guttapercha und weiteren Materialien.
Mögliche Gründe für Komplikationen
Dennoch kann es vorkommen, dass nach der intensiven Behandlung
Komplikationen auftreten und der Zahn dann doch entfernt werden muss.
Ein Grund für solche Komplikationen können Frakturen in der Zahnwurzel
sein. Und möglicherweise führt das Ausbohren mit den Feilen zu
Mikrorissen in der Wurzel. Diese Hypothese haben nun zwei Forscher an
der BAM-Beamline von BESSY II überprüft. Dr. Paul Zaslansky vom
Berlin-Brandenburger Centrum für Regenerative Therapien, Charité Berlin,
und Dr. Hagay Shemesh vom Academic Center for Dentistry (ACTA),
Amsterdam, haben dort mehrere Dutzend Zahnwurzeln vor und nach der
Behandlung untersucht.
Eine gefüllte Zahnwurzel (Querschnitt) unter dem Lichtmikroskop.
Zahnbehandlung am Messplatz
„Ob das Ausbohren der Wurzel zu Frakturen in der Zahnsubstanz führen
kann, wurde noch nie wirklich systematisch untersucht. Dabei liegt diese
Frage auf der Hand“, findet Zaslansky. Daher besorgte er mehrere
Dutzend Backenzähne mit weitgehend intakten Zahnwurzeln aus dem
zahnklinischen Betrieb der Charité und beantragte Messzeit an BESSY II.
Die Experimente führte er zusammen mit Dr. Hagay Shemesh durch, der als
einer der besten Experten für die Zahnwurzelbehandlung gilt. Seine
Aufgabe war es, die Zahnwurzeln mit unterschiedlichen Feiltypen
aufzubohren und anschließend zu füllen. Zaslansky untersuchte die
Zahnwurzeln vor, während und nach Behandlung auf Mikrorisse mit Hilfe
einer besonders hochauflösenden Computertomographie (CT) an der
KMC2-Beamline, die die Bundesanstalt für Materialforschung an BESSY II
betreibt.
An BESSY II konnten die Forscher mit Hilfe der μCT Details an der Grenze zwischen Füllung und Zahnwurzel und Mikrorisse in der Zahnsubstanz genau vermessen und untersuchen. Bilder: P. Zaslansky
Details sichtbar machen
BESSY II liefert kohärentes Röntgenlicht, mit dem sich über
Interferenz-Effekte der Kontrast zwischen Bereichen ähnlicher Dichte
verstärken lässt, was die Abbildungen deutlich verbessert
(„Phasenkontrast imaging modus“). „Damit konnten wir erstmals auch die
Grenze zwischen der Füllung und der Zahnwurzel im Detail und
hochauflösend untersuchen. Dort können zwei wichtige Probleme auftreten:
erstens Hohlräume, die später zu Infektionen mit Bakterien führen
können und zweitens: feine Frakturen oder Mikrorisse in der
Zahnsubstanz“, sagt Zaslansky.
Am Feilen liegt es wahrscheinlich nicht
Sein erster Eindruck von den Ergebnissen: Am Feilen liegt es
wahrscheinlich nicht, wenn die Wurzelkanalbehandlung schiefgeht.
Mikrorisse, die sich nach dem Ausfeilen feststellen lassen, waren auch
davor schon sichtbar. „Wir haben manche Zähne auch mit etwas gröberen
Werkzeugen behandelt und deutlich mehr Schäden erwartet, aber nicht
gesehen“, sagt Zaslansky. Der eigentlich kritische Part könnte das
Füllen der Zahnwurzel sein, vermutet er: „Denn beim Kauen entstehen
gewaltige Kräfte, und wenn die Füllung diese Kräfte nicht perfekt
verteilt, kann das auch zum Brechen des Zahns führen.“
Die Forschungsergebnisse sind nicht nur für Zahnärzte interessant,
sondern auch für die Hersteller von Zahnfüllungen und Klebern
(Adhäsiven). „Unsere Ergebnisse an etwa 30 Zahnwurzeln geben allerdings
erst vorläufige Hinweise. Wir müssten diese Forschung ausweiten“,
plädiert Zaslansky. Eine systematische, umfassendere Untersuchung könnte
zeigen, wo bei der Wurzelkanalbehandlung die kritischen Fehler
passieren und welche Prozeduren und Füllungen noch zuverlässiger zum
Erfolg führen. Dann hätten die Patienten die Gewissheit, dass der
reparierte Zahn noch lange erhalten bleibt.
Weitere Informationen:
Julius Wolff Institut (JWI) Charité
Dr. Paul Zaslansky
Tel: +49 (0)30-450559-589
Email: paul.zaslansky@charite.de
Quelle: idw, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH