Branchenmeldungen 24.09.2013
Intim-Aufnahmen aus Umkleide belasten Zahnarzt
Seit Mitte Juli befasst sich das
Amtsgericht Gera mit voyeuristischen Videoaufnahmen eines Geraer Zahnarztes.
Aussagen eines Ermittlers könnten den Mann nun weiter in die
Bredouille bringen.
Die junge
Auszubildende hatte gleich ein mulmiges Gefühl. Nur in einem bestimmten Raum
dürfe sie sich umziehen und könne dort auch duschen, habe ihr der
Zahnarzt gesagt. Nach nur einem Monat sei ihr gekündigt worden – weil
sie sich auf der Toilette umzog oder in Arbeitskleidung in die Praxis
kam, wie die 22-Jährige vermutet. Eine langjährige Angestellte
berichtete, dass der Arzt seine Mitarbeiterinnen auch zum Duschen
gezwungen habe. «Im Nachhinein wissen wir
ja warum», sagte sie am Freitag vor dem Amtsgericht Gera. Denn in dem
Umkleideraum mit Dusche war eine Kamera versteckt, die dem heute 52-Jährigen
jahrelang intime Aufnahmen mehrerer Frauen geliefert haben soll.
Knapp 7.500 Dateien haben
Kriminalisten auf dem Rechner des Mannes gefunden oder wiederstellen können.
Die ältesten stammen nach Angaben eines Kripobeamten aus dem Jahr 2007.
Die Anlage sei im Frühjahr 2012 so gefunden worden, dass eine Art
Bewegungsmelder die Aufnahmen steuerte, erläuterte der Experte. Auf den Clips sei der
Blickwinkel teils so gewesen, dass der Po der Frauen im Fokus stand; und teils
auf einen Spiegel, so dass sie von hinten und vorn zu sehen waren.
«Wir konnten auch nachweisen, dass diese Dateien über den Media
Player angeschaut worden sind», sagte der 44-Jährige. Hinweise, dass
sie ins Internet übertragen wurden, gebe es aber nicht.
Und noch etwas wurde aus
den Schilderungen des Ermittlers deutlich. So wie andere Menschen ihre
Briefmarken sortieren, hat der Zahnarzt die intimen Aufnahmen wohl
fein säuberlich geordnet: «Es wurde ausgesucht und selektiert.» Die technischen
Schilderungen zur Funktionsweise der Videoanlage ließen Gericht sowie
Staatsanwaltschaft und Nebenklage am Freitag hellhörig werden. Denn demnach könnte
die Videoaufnahme häufiger als bisher vermutet von dem Arzt direkt
eingeschaltet worden sein – teils mehrmals am Tag. Ob das so war, sollen
weitere Tests des Kripobeamten klären. Unter Umständen könnten aus den 73
angeklagten Fällen dann mehrere Hundert werden, sagte Richter Siegfried Christ.
Er warf gar die Frage auf, das Verfahren ans Landgericht zu
übergeben, da Amtsgerichte nur Haftstrafen von bis zu vier Jahren
verhängen können.
Der Angeklagte – in grauem
Anzug und mit gelber Krawatte – hüllte sich weiter in Schweigen. Ohne
aufzublicken, machte er sich im Prozess Notizen. Vor dem Arbeitsgericht
hat er sich schon dazu verpflichtet, mehreren Opfern
Entschädigungen zu zahlen. Die Betroffenen leiden
teils bis heute unter psychischen Problemen. «Ich werde keinen Beruf
mehr machen, bei dem ich mich umziehen muss», betonte eine seiner
Ex-Angestellten vor Gericht. Auch von Belästigungen des Mannes war die
Rede. So soll er einst eine Auszubildende mit eindeutigen
Anspielungen massiv bedrängt haben.
Neben einer Verurteilung
droht dem Arzt, der weiterhin in Gera praktiziert, auch ein berufsrechtliches
Verfahren. «Wir werden aber erst tätig, wenn das Urteil
rechtskräftig ist», sagte der Geschäftsführer der
Landeszahnärztekammer, Henning Neukötter, der Nachrichtenagentur dpa. Die Sanktionen
reichten über Geldbußen bis hin zum Entzug der Approbation.
Quelle: Andreas Hummel, dpa