Branchenmeldungen 07.06.2024

Konfliktleitfaden für die Unternehmensnachfolge



Konfliktleitfaden für die Unternehmensnachfolge

Foto: bizvector – stock.adobe.com; weetrose official – stock.adobe.com

Denken Sie darüber nach, in der Zukunft Ihr Labor zu übergeben oder selbst bald ein Labor zu übernehmen? Dann haben Sie bestimmt schon über den einen oder anderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Aspekt nachgedacht. Haben Sie auch schon den „Faktor Mensch“ ausreichend in Ihre Überlegungen einbezogen? Darum soll es in diesem Artikel gehen. Denn selbst wenn finanziell und rechtlich alles perfekt geplant und abgestimmt ist – am Ende entscheiden die beteiligten Menschen und Ihr Umgang miteinander über den Erfolg einer Übernahme. Es ist daher ratsam, potenzielle Konflikte rechtzeitig auf dem Schirm zu haben und einen guten Umgang damit zu finden.

Eine Übergabe ist für alle Beteiligten eine große Sache. Der eine Mensch gibt sein Lebenswerk weiter, muss loslassen lernen und für sich eine neue Aufgabe finden bzw. die neue Lebensphase gestalten. Der andere Mensch möchte die Weichen für die eigene Existenz stellen oder sein Portfolio erweitern und ist voller Tatendrang und Ideen für die Zukunft. Da können schon mal intensive Gefühlslagen aufkommen. Und auch für das Umfeld, insbesondere die Mitarbeiter, aber auch Ihre Kunden, ist Ihre Nachfolge ein großes Ding. Auch sie wollen bei dem Prozess mitgenommen werden. Gute Mitarbeiter und treue Kundschaft können schnell weg sein, wenn die Lage unklar oder die Zukunft ungewiss wirkt. Solche Abwanderungen sollten Sie während des Übergabeprozesses durch vertrauensbildende Kommunikation verhindern.

Der innere Konflikt – soll ich oder soll ich nicht, und wenn ja, wann und an wen?

Schon bevor der Übergabeprozess beginnt, haben Sie es mit dem ersten Konflikt zu tun – Ihrem ganz persönlichen inneren Konflikt. Kennen Sie auch diese unterschiedlichen Stimmen im Kopf? Länger arbeiten oder den Ruhestand länger genießen? An eine externe oder interne Person verkaufen? Bloß keine Kette – oder doch? Oder einfach abschließen? Um vorwärtszukommen und das ewige Gedankenkarussell zu verlassen, kann es helfen, eine ganz konkrete positive Vorstellung von Ihrem Leben „danach“ zu entwickeln. Wo sehen Sie sich? Womit möchten Sie mehr Zeit verbringen? Mit wem? Was genau machen Sie dann mehr? Was werden Sie genießen? Worauf freuen Sie sich? Was sind Ihre Prioritäten für die kommenden Jahre?

Entwerfen Sie eine Zukunftsvision, die Sie antreibt. Und dann definieren Sie einen Stichtag, an dem Ihre Vision wahr werden soll. Nur, wer sich Ziele setzt, wird sie auch erreichen. Und wenn sich Ihre inneren Stimmen partout nicht einigen können, kann ein Coach behilflich sein, den inneren Wirrwarr zu sortieren, eine neue Perspektive einzunehmen und Ihre Prioritäten und Ihre Vision zu finden.

Konflikte mit Mitgesellschaftern

Sofern Sie Mitgesellschafter haben, können Sie nicht einfach so Ihrer eigenen Vision folgen. Was, wenn Sie zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten Ihre Anteile verkaufen wollen und unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wer den Betrieb übernehmen soll? Sprechen Sie frühzeitig und offen über Ihre Vorstellungen sowie mögliche Szenarien – vielleicht erstmal ganz gemütlich bei einem Glas Wein oder einem leckeren Abendessen. Tauschen Sie sich darüber aus, was Sie antreibt, warum Sie früher oder später den Ruhestand genießen wollen. Vielleicht inspirieren Sie sich gegenseitig und entwickeln doch gemeinsame Exit-Ideen. Oder Sie schmieden einen Plan, der den unterschiedlichen Interessen gerecht wird. Wenn der Prozess von gegenseitigem Verständnis geprägt ist, werden Sie auch die schwierigen Detailfragen, die auftauchen werden, lösen können.

Konflikte mit potenziellen Übernehmern

Welche Person oder welches Unternehmen soll Ihr Labor erwerben? Wenn ein Mitarbeiter das Labor übernehmen soll, ist es wichtig, die Person rechtzeitig schrittweise in alle wichtigen Informationen und Entscheidungsprozesse einzubinden sowie selbst sukzessive loszulassen und Verantwortung abzugeben. Versetzen Sie sich in die andere Person: Welche Unterstützung bräuchten Sie, um in die neue Verantwortung hineinwachsen zu können? Fragen Sie nach und hören Sie zu. Geben Sie vor allem eine klare zeitliche Perspektive. Nichts ist schlimmer als eine ewige Hängepartie mit ungewissem Ausgang.

Konfliktträchtig sind natürlich auch alle Fragen rund um die Vertragsverhandlung – von der Wertermittlung bis zur Haftung. Dahinter verstecken sich oft andere unausgesprochene Aspekte wie Sicherheit für die Zukunft und Wertschätzung der eigenen Leistungen. Die eine Seite möchte ihr Alter absichern, die andere eine gute berufliche Lebensperspektive aufbauen. Manchmal hilft es, diese unausgesprochenen Bedürfnisse im Hinterkopf zu haben, um mehr Verständnis für die andere Seite zu haben und die Verhandlungen nicht zu persönlich zu nehmen. Bei der Vermittlung können auch Steuerbüros, Anwaltskanzleien, Handwerkskammern und Ihre Innung eine große Hilfe sein – lassen Sie sich unbedingt beraten und unterstützen!

Familiäre Konflikte

In Familienunternehmen kann ein Übergabeprozess oft zusätzlich familiäre Konflikte aus der Vergangenheit wiederbeleben. Was im normalen Alltag unter dem Teppich oder im Griff war, bricht anlässlich der Veränderung hervor. Denn immer dann, wenn Veränderungen anstehen, ist das Konfliktpotenzial besonders hoch. Wenn sich etwas verändert, muss manches neu ausgehandelt werden. Egal, ob Geschwisterrivalität oder Eltern-Kind- Verhältnis – ungeklärte Konflikte, unausgesprochene Erwartungen und verletzte Gefühle werden ihren Auftritt haben. Schnell kann es zu Ungerechtigkeitsgefühlen kommen, die geklärt werden sollten, damit sie nicht immer weitergären und das Familienleben dauerhaft belasten. Nehmen Sie diese Konflikte ernst, geben Sie ihnen genug Raum und finden Sie einen konstruktiven Umgang damit. Dies kann auch wegen der Rollenverquickung durch das Nebeneinander von Unternehmens- und Familiensituation eine Herausforderung sein. Wenn die Situation sehr belastet ist, kann sich eine Prozessbegleitung durch eine neutrale Person empfehlen.

Konflikte im Team

Wenn der Vertrag in trockenen Tüchern ist, fängt die eigentliche Nachfolge erst an. Spätestens in dieser Phase ist es wichtig, offen mit dem Team zu kommunizieren. Geben Sie dem Flurfunk keine Chance. Wenn im Team Unklarheit und Gerüchte herrschen, kommt es schnell zu schlechter Stimmung. Nun muss der oder die „Neue“ den Betrieb und das Team zusammenhalten sowie eine gute Balance zwischen „Altes bewahren“ und „Aufbruch wagen“ finden. Dafür braucht die Person vor allem Akzeptanz seitens des Teams. Diese kann zum Beispiel gestärkt werden, indem das Team die Möglichkeit bekommt, eigene Ideen und Perspektiven für den neuen Aufbruch einzubringen. Hier können auch Generationenkonflikte aufbrechen. Wo brauchen wir Veränderung, um zukunftsfähig zu bleiben? Was soll erhalten werden? Welche Werte und Ziele sollen das Handeln leiten? Wie kommunizieren wir miteinander? Entscheidend ist, alle Stimmen im Team wertzuschätzen und offen darüber zu sprechen. Was war in der Vergangenheit gut und soll erhalten bleiben? Was kann durch eine Veränderung noch besser werden? Was brauchen die einzelnen Teammitglieder, um die Veränderung mittragen zu können? Veränderungen, die vom Team miterarbeitet werden, werden in der Umsetzung besser gelingen.

Fazit

Egal, welche potenziellen Konfliktherde bei Ihnen ausbrechen sollten: Ihre Aufgabe ist es, einen Rahmen für eine konstruktive Bearbeitung zu schaffen. Hören Sie sich gegenseitig zu. Das klingt selbstverständlich, ist es in der Praxis aber überhaupt nicht, schon gar nicht im Konfliktfall. Wenn die Situation zu eskalieren droht oder Sie nicht weiterkommen, zögern Sie nicht, sich Unterstützung durch eine professionelle, neutrale Person zu holen. Sie kann den Prozess so gestalten, dass schwierige Themen sortiert und lösungsorientiert besprochen werden können. Und wenn es mal hoch hergeht: Denken Sie an Ihre Zukunftsvision, die Sie ganz am Anfang für sich entwickelt haben. Der Blick auf die Vorteile und Attraktivität des neuen Lebensabschnitts kann oft helfen, loszulassen und dadurch gelassener mit auftretenden Konflikten umzugehen.

Dieser Artikel ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.

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