Praxismanagement 03.06.2024
Mitarbeiterbindung: Impulse für das Dentallabor
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Noch vor einigen Jahren haben sich nur wenige Laborinhaber und -leiter Gedanken über Mitarbeiterbindung gemacht, heute ist sie einer der wichtigsten Faktoren in der Unternehmensführung. „Mitarbeiter sind das neue Gold der Labore“ – das bestätigen viele Kollegen und gehen sogar so weit zu sagen, dass es heute leichter sei, einen Kunden zu akquirieren als einen Mitarbeiter. Also am besten keinen verlieren!
Der Rekrutierungsprozess ist kostenintensiv und für viele Labore eine echte Herausforderung. Da ist es strategisch sinnvoll (und in der Regel günstiger), insbesondere die Leistungsträger an das Unternehmen zu binden und nicht zu warten, bis die Unzufriedenheit so groß ist, dass Mitarbeiter ihren sprichwörtlichen Hut nehmen. Doch wo anfangen und wo aufhören? Die folgenden vier Bereiche geben einen Überblick darüber, wie Mitarbeiterbindung stattfindet:
1. Kulturelle Bindung
- Gemeinsame Werte und Ziele, die sich auch im Arbeitsalltag widerspiegeln und gelebt werden
- Gegenseitiger Mehrwert, der sich balanciert im Geben und Nehmen zeigt
- Eine klare Zukunftsvision, die den Mitarbeitenden die Sinnhaftigkeit ihres Tuns aufzeigt
2. Rationale Bindung
- Betriebliche Altersvorsorge oder andere Sozialleistungen
- Transparente Gehaltsmodelle, anhand derer Mitarbeiter erkennen können, wie sich das Gehalt zusammensetzt und welche Parameter das Gehalt beeinflussen (auch: Was sie für mehr Gehalt tun können)
- Flexible Arbeitszeitmodelle, die ggf. auch veränderte Lebensumstände berücksichtigen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen
3. Perspektivisches Engagement
- Weiterbildungsmöglichkeiten, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind
- Karrieremöglichkeiten aufzeigen sowie Engagement unterstützen und fördern
- Persönliche Entwicklung unterstützen
4. Emotionale Bindung
- Sinnstiftende Arbeit, erlebbar durch Mitarbeiterbeteiligung, Nachhaltigkeitsaspekte und soziales Engagement
- Wertschätzung im Arbeitsalltag
- Beziehung zu Kollegen und Vorgesetzten. Ohne Beziehung kein Vertrauen und ohne Vertrauen keine Mitarbeiterführung
Schauen Sie mit kritischem Blick darauf, an welcher Stelle Sie für sich Handlungsbedarf sehen.
Werden Sie zur Arbeitgebermarke!
Analysieren Sie selbstkritisch und schonungslos Ihre Mitarbeiter-Prozesse. Was erleben neue Mitarbeitende während ihres kompletten Mitarbeiter-Lebenszyklus in Ihrem Labor? Beleuchten Sie alle Kontaktpunkte und begeben Sie sich gedanklich auf Ihre eigene Employee Journey (Mitarbeiterreise)!
Hier einige Reflexionsfragen:
- Wie werden die Mitarbeitenden auf Ihrer Website angesprochen? Werden sie überhaupt angesprochen? Auf den meisten mir bekannten Websites werden überwiegend Kunden und die angebotenen Leistungen angesprochen.
- Welche Erfahrungen machen Ihre Bewerber im ersten Gespräch mit Ihnen? Wie präsentieren Sie Ihr Labor? Wie kommunizieren Sie die Möglichkeiten und Perspektiven? Wie sprechen Sie über Ihre Belegschaft?
- Welche Informationen erhält Ihr neuer Mitarbeiter vor dem ersten Tag? Bekommt er den Arbeitsvertrag zugesandt, mit der Bitte um baldigen Rückversand? Oder erhält er ein kleines Willkommenspaket mit persönlichen Utensilien für den ersten Arbeitstag?Wie verläuft sein erster Arbeitstag?
- Läuft er einfach so im Turnus des Tagesgeschäfts mit? Keiner hat Zeit? Muss er erst den Arbeitsplatz reinigen, die Instrumente zusammensuchen und einen Stuhl organisieren oder steht ein Blumenstrauß auf dem sauberen, gut ausgestatteten Arbeitsplatz, alle Kollegen wissen Bescheid, kennen den Namen und freuen sich auf das neue Teammitglied?
- Gibt es einen Paten für die Einarbeitungsphase?
- Welche Mitarbeitergespräche werden geführt? Gibt es in den ersten vier Wochen kurze Update-Gespräche? Ein 100-Tage-Gespräch? Oder warten Sie bis zum Ende der Probezeit? Welche Gesprächsformate, übrigens eines der besten und wichtigsten Bindungsinstrumente, nutzen Sie regelmäßig und nachhaltig gesteuert?
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt
Ich höre Sie schon stöhnen und innerlich sagen: „Meine Güte, was soll ich noch alles machen? Den roten Teppich ausrollen, Tee und ein weiches Kissen bringen? Das hat bei mir früher auch keiner gemacht.“
Stimmt. Aber früher haben wir auch noch samstags gearbeitet und mit der Handschleuder gegossen. Alles, was Sie tun, muss zu Ihnen, Ihrem Team und Ihrer Unternehmenskultur passen. Wenn Sie überwiegend junge Mitarbeiter haben, brauchen Sie keinen Nordic-Walking-Kurs anzubieten. Benutzen Sie teure Firmenevents, Obstkörbe oder Kickertische nicht als Alibi. Sie sind sogar kontraproduktiv, wenn eine wertschätzende Führungs- und Unternehmenskultur fehlt.
Was nichts kostet und viel bringt!
1. Lob
Ehrlich gemeint und konkret. Also nicht: „Super, danke!“ Sondern: „Karina, das hast du richtig gut gemacht, ich sehe, du hast alles umgesetzt, was wir in der letzten Zeit besprochen haben. Klasse. Vielen Dank!“
2. Wertschätzung
Der Begriff wird inzwischen inflationär gebraucht. Ehrliche Wertschätzung hat viel mit dem eigenen Menschenbild zu tun, also mit Ihrem Mindset. Es gibt fünf unterschiedliche „Sprachen der Wertschätzung“. Dabei lautet das Motto: Der Wurm muss dem Fisch schmecken (sprich: Jeder braucht etwas anderes). Die einen brauchen Lob, die anderen ungeteilte Aufmerksamkeit, wieder andere Unterstützung und Hilfsbereitschaft, kleine persönliche Geschenke oder auch durchaus angemessenen körperlichen Kontakt, z. B. ein Schulterklopfen. Wertschätzung heißt allerdings auch, dass die Mitarbeitenden ein angenehmes Arbeitsumfeld haben, wie etwa einen ansprechenden Pausenraum. Wie groß ist der Wohlfühlfaktor in Ihrem Labor?
3. Zeit
Ob Feedback-, Entwicklungs- oder Lobgespräche – sie sind das Lebenselixier Ihrer Mitarbeiterbindung. Regelmäßiger Austausch (respektvoll, wertschätzend und persönlich) und das Gefühl, gehört zu werden, sind durch nichts zu ersetzen.
4. Motivation
Wenn aus den oben genannten Punkten nichts für Sie infrage kommt, sollten Sie sich zumindest bewusst machen, was Ihre Mitarbeitenden demotiviert. Wenn Sie sich davon fernhalten, wäre schon viel gewonnen. Den meisten Chefs und Führungskräften ist gar nicht bewusst, was ihre Mitarbeitenden demotiviert. Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitenden, seien Sie optimistisch und halten Sie sich an das, was Sie sagen. Kurzum: Walk your Talk.
Und was ist mit der Motivation? Wenn Sie Ihre Mitarbeiter nicht demotivieren und einige der oben genannten Punkte beachten, brauchen Sie sich darum keine Sorgen zu machen. Sie kommt von selbst. Die Motivationsforschung weiß: Es ist fast unmöglich, Menschen zu etwas zu motivieren, zu dem sie nicht von sich aus schon motiviert sind.
Zwei Gedanken zum Schluss
Eine gewisse Fluktuation lässt sich nicht verhindern. Manchmal passt es einfach nicht mehr. Verfallen Sie nicht in Panik, sondern rechnen Sie die Fluktuationsrate (F-Rate) aus, gerne über einen längeren Zeitraum. Steigt diese dauerhaft von Jahr zu Jahr, lohnt es sich zu analysieren, wo die Ursachen dafür liegen. Mein Tipp: Definieren Sie zunächst, welche Abgänge Sie in die F-Rate einbeziehen (Schwangerschaften, Pensionierungen, Arbeitgeberkündigungen, Zeitverträge...), berechnen Sie diese dann pro Quartal und rechnen Sie sie auf das Jahr hoch. Dann haben Sie auch unterjährig ein besseres Gefühl. Eine hohe Fluktuation sagt auch immer etwas über das Betriebsklima aus.
Spricht etwas gegen selektive Mitarbeiterbindung? Klare Antwort: Nein. Engagierte und einsatzbereite Leistungsträger, Top- Performer und junge Talente besonders zu fördern und zu unterstützen, ist aus meiner Sicht eher eine logische Konsequenz. Für alle anderen Mitarbeiter gilt eher: Man kann den Hund nicht zum Jagen tragen.
Fazit
Gehalt ist heute eher Hygienefaktor. Ein angemessenes Gehalt ist zwar notwendig, um Unzufriedenheit am Arbeitsplatz zu vermeiden, aber nicht ausreichend, um Mitarbeiter langfristig zu motivieren. Für nachhaltige Arbeitsmotivation sollten Labore sowohl den Hygienefaktor Gehalt als auch ein motivierendes Umfeld schaffen, und in beiden Bereichen beständig investieren – unter anderem in Maßnahmen der Wertschätzung, Mitarbeiter-Mitbestimmung, Nachhaltigkeit, Fortbildung und berufliche Perspektiven. Andernfalls können Sie zwar ab und zu, kurz vor dem „Knall“, das Gehalt erhöhen, das fühlt sich für den Mitarbeitenden dann aber eher wie Schmerzensgeld an und hält vermutlich nur bis zum „nächsten Knall“. Wenn Labore schon beim Durchschnittsgehalt (Sparkassenreport 2023) gegenüber anderen vergleichbaren Berufen oft nicht mithalten können (oder wollen), sollten sie in anderen Bereichen auf jeden Fall mehr punkten.
Dieser Beitrag ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.