Branchenmeldungen 12.06.2012
Medizinpsychologie: Zähne bürsten - aber wie?
Das tägliche Zähnebürsten ist ein besonders konsequent ausgeübtes
Gesundheitsverhalten in Deutschland. Rund 70% der Deutschen berichten,
die Zähne mindestens zweimal täglich zu putzen. Gleichzeitig leiden aber
mehr als 90% unter Erkrankungen, die mit mangelnder Mundhygiene in
Zusammenhang gebracht werden. Fragt man die Deutschen, wie man die Zähne
am besten reinigt, sind viele ratlos. Damit spiegeln sie den Stand der
Forschung in dieser wichtigen Frage wider: Zwar werden in der
Zahnmedizin viele Zahnbürsttechniken beschrieben, bis heute fehlen aber
wissenschaftliche Belege dafür, welche Technik sich am besten für die
häusliche Mundhygiene eignet.
An der Justus-Liebig-Universität Gießen hat sich daher ein
multidisziplinäres Team unter Federführung des dortigen Instituts für
Medizinische Psychologie (Leitung: Prof. Dr. Renate Deinzer)
zusammengefunden, um dieser Frage nachzugehen. In der Zusammenarbeit
zwischen Zahnmedizin, Medizinischer Psychologie und
Bewegungswissenschaften wurden Computerpräsentationen entwickelt, die
jeweils eine von zwei in der Zahnmedizin in Deutschland besonders häufig
empfohlenen Bürsttechniken („Fones-Technik“ vs. modifizierter
„Bass-Technik“) vermitteln sollten. Bei der Erstellung der
Präsentationen wurden dabei nicht nur zahnmedizinische Aspekte bedacht,
wie etwa die Frage nach der richtigen Darstellung der Technik. Auch
medizinpsychologische Kenntnisse zur Förderung des Verstehens, Behaltens
und Umsetzens des Erlernten wurden berücksichtigt, ebenso wie
bewegungswissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie Bewegungsabläufe am
besten gelernt und eintrainiert werden.
In einer ersten soeben in der angesehenen Zeitschrift PLoS ONE
publizierten Studie konnte das Autorenteam zeigen, dass solche
Computerpräsentationen helfen können, die Mundhygiene¬fertigkeiten
Studierender zu verbessern. Dabei erzielte die Fones-Technik die besten
Erfolge. Die Studienleiterin, Prof. Dr. Renate Deinzer, sagt dazu: „Die
Fones-Technik erinnerte viele an das, was sie bereits im Kindergarten
gelernt hatten. Möglicherweise begründet das ihren Erfolg. Wir hätten
allerdings erwartet, dass die Bass-Technik, die in der Zahnmedizin oft
für die Methode der Wahl zur Bekämpfung von Zahnfleischentzündungen und
Parodontitis gehalten wird, besser abschneidet. Das Erlernen dieser
Technik fiel aber den Studierenden schwer und brachte ihnen keinen
Erfolg. In weiteren Studien werden wir prüfen müssen, ob sich dieses
Ergebnis auch in anderen Bevölkerungsgruppen bestätigt. Ganz unabhängig
davon waren für uns die mangelnden Hygienefertigkeiten der Studierenden
zu Studienbeginn erschreckend. Möglicherweise ist mangelnde Mundhygiene
tatsächlich häufig keine Frage mangelnder Motivation sondern mangelnder
Fertigkeiten. Umso wichtiger wäre es demnach, diese Fertigkeiten in der
Praxis zu überprüfen und nötigenfalls zu verbessern. Unsere
Forschungsaufgabe sehen wir darin, in multidisziplinärer Zusammenarbeit
Wege zu finden, wie dies am besten gelingt.“
Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Psychologie (DGMP) befasst
sich seit Jahrzehnten mit Forschung an der Schnittstelle von Psychologie
und Zahnmedizin. Prof. Dr. Renate Deinzer, die zugleich auch
Präsidentin dieser wissenschaftlichen Fachgesellschaft ist, leitet
gemeinsam mit Dr. Margraf-Stiksrud eine Arbeitsgruppe der DGMP zu diesem
Themenbereich.
Publikationsverweis:
Harnacke D, Mitter S, Lehner M, Munzert J, Deinzer R (2012) Improving
Oral Hygiene Skills by Computer-Based Training: A Randomized Controlled
Comparison of the Modified Bass and the Fones Techniques. PLoS ONE 7(5):
e37072. doi:10.1371/journal.pone.0037072; http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0037072
Autoren: Daniela Harnacke, Simona Mitter, Marc Lehner, Jörn Munzert, Renate Deinzer
Kontakt zur Autorin: Prof. Dr. Renate Deinzer, Institut für Medizinische Psychologie,
Justus-Liebig-Universität Gießen, Friedrichstraße 36, 35392 Gießen.
Tel.: 0641 99 45680, Fax: 0641 99 45689