Branchenmeldungen 28.02.2011

Nach 40 Jahren im besten Alter: DGZI feiert Jubiläum

Nach 40 Jahren im besten Alter: DGZI feiert Jubiläum

Foto: © DGZI

Der 40. Internationale Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie (DGZI) am 1./2. Oktober in Berlin stieß mit über 500 Teilnehmern auf großes Interesse und erfüllte die hochgesteckten Erwartungen. Hochkarätige Referenten aus Praxis und Wissenschaft zeigten die heutigen Möglichkeiten und Zukunftschancen des boomenden Teilgebiets der Zahnheilkunde auf. Dabei feierte man nicht zuletzt den runden Geburtstag eines Verbandes, der für das heutige „Standing“ der Implantologie gekämpft und sie federführend vorangebracht hat.

Dr. Friedhelm Heinemann, Präsident der DGZI, verglich in seiner Eröffnungsansprache die Entwicklung der Gesellschaft mit einem Menschenleben: „Am Anfang klein mit sieben Gründungsmitgliedern, es gab auch eine Pubertät und eine Sturm-und-Drang-Zeit, aber jetzt sind wir im besten Alter: Etabliert, respektiert, gut aufgestellt und mit einer Verantwortung gegenüber unserem Fachgebiet, die wir bewusst wahrnehmen.“ 

Impressionen

Über die Jahre sind dabei Freundschaften zu anderen Verbänden gewachsen. Dr. Heinemann betonte unter anderem die gute Zusammenarbeit mit der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), mit dem Berufsverband Deutscher Oralchirurgen (BDO), mit der Deutschen Gesellschaft für Prothetik und Biomaterialien (DGPro) und mit der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI), die er als den „jüngeren Bruder“ bezeichnete. „Es ist für uns wichtig, Gemeinsamkeit zu zeigen“, sagte Dr. Heinemann. „Wir haben in der Vergangenheit häufig genug gesehen, wie die Politik nach dem Prinzip ,divide et impera’ Gruppen, die zu klein sind, gegeneinander ausspielt.“

Gemeinsam stark – global vernetzt

Stolz zeigte sich der gesamte Vorstand nicht zuletzt über die internationale Verankerung der DGZI. So hatte sich unter anderem der komplette Vorstand des japanischen Verbands AIAI im Auditorium versammelt.

BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel drückte es in seinem Grußwort so aus: „Die Implantologie hat sich vom vermeintlich hässlichen Entlein zum stolzen Schwan entwickelt und ist weiterhin auf dem Vormarsch. Die DGZI hat mit rund 4000 Mitgliedern einen stolzen Wert erreicht und bietet auf ihrem 40. Jahreskongress internationale Referenten und ein themenreiches Programm. Wissenschaft und Praxis, zahlreiche unterschiedliche Verbände – das gibt uns hier auch Anlass zu überlegen, wie wir die Implantologie gemeinsam weiterentwickeln können. Denn nach Gauß ist es wahrlich nicht das Wissen, sondern das Lernen, nicht das Besitzen, sondern das Erwerben, nicht das Da-Seyn, sondern das Hinkommen, was den grössten Genuss gewährt.“

„Die Vergangenheit war von respektvoller Distanziertheit gekennzeichnet“, charakterisierte Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden das Verhältnis der zurückliegenden Jahre. „Ich bin aber als junger DGI-Präsident in der glücklichen Position, unbeschwerter an die zukünftige Zusammenarbeit herangehen zu können.“ Insbesondere sei der Interessenskonflikt zwischen Praktikern und Wissenschaftlern heute endgültig obsolet und damit auch die Frage, welche implantologische Gesellschaft welches der beiden Gebiete für sich beanspruchen könne.

„Die DGZI hat gute Hochschullehrer, und die DGI zählt heute auch viele Praktiker in ihren Reihen“, so Prof. Terheyden. „Inwieweit der Wettbewerb zwischen den implantologischen Gesellschaften sinnvoll ist – ich lasse es einmal dahingestellt.“

Dr. Heinemann bedankte sich herzlich für dieses Grußwort „und für die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben“ und leitete zu einer Besonderheit des Kongresses über. Zwar hat man sich generell darauf geeinigt, dass hier keine Würdigungen und Preisübergaben stattfinden sollen – aber zum Jubiläum durfte man wohl eine Ausnahme machen. So erhielten aus der Hand von Dr. Roland Hille, Vizepräsident der DGZI und Wissenschaftlicher Leiter des Kongresses den begehrten DGZI Implant Dentistry Award an Dr. Sönke Harder, Kiel, (3. Platz) Prof. Dr. Thomas Gredes, Greifswald, (2. Platz) und Dr. Stefanie Schwarz, Heidelberg (1. Platz). Thema der Gewinnerarbeit ist der aktuelle „Dauerbrenner Sofortbelastung von Implantaten“.

Einen der Höhepunkte des Kongresses stellte das Grußwort von Prof. Dr. Hans Grafelmann dar. Er trägt unter anderem die Ehrendoktorwürde der Universität Istanbul und ist Associate Professor in New York, vor allem aber war er es, der am 20. Februar 1970 zusammen mit sechs Kollegen die DGZI in Bremen gegründet hat. „Ich erinnere mich noch an einem Implantologenkongress von 1969 mit 85 Teilnehmern und nur zwei Hochschulprofessoren“, blickte Prof. Grafelmann zurück. „Heute sind es über 500, und die universitäre Seite ist reichlich vertreten. Weltweit genießt die DGZI den Ruf seriöser Fortbildungsarbeit.“ Als Grundlage für die zukünftige Weiterentwicklung überreichte Prof. Grafelmann im Namen seiner Prof. Dr. Grafelmann Foundation Dr. Heinemann einen Scheck für die DGZI in Höhe von 20.000 Euro. Deutlich wurde in seiner Ansprache auch, wie sehr sein Herz an der DGZI hängt: „Das war meine Lebensarbeit. Ich danke Ihnen ganz herzlich.“

„Vor 40 Jahren kannte man Titan als U-Boot-Werkstoff“

Mit Prof. Dr. Wilfried Schilli, Freiburg, konnte Dr. Hille als ersten wissenschaftlichen Kongressbeitrag einen seiner eigenen akademischen Lehrer ankündigen – Thema: „Orale Implantologie im Jahre 1970“. „Damals hatten wir als Zahnärzte und auch die Bevölkerung insgesamt ganz andere Sorgen, als Implantologie zu betreiben“, begann Prof. Schilli. „Titan kannte man vor allem als Werkstoff für nicht mit dem Radar ortbare sowjetische Atom-U-Boote. Allerdings war das Problem offensichtlich, wie folgende Statistik zeigt: Ein Viertel der 40- bis 50-Jährigen bei Bosch waren zahnlos. Diese Patienten haben darunter gelitten, und wir konnten ihnen langfristig oft nicht zufriedenstellend helfen. Die Lehrmeinung lautete, dass ein transplantierter Alveolarfortsatzknochen schmelze wie Butter in der Sonne. Augmentationen schienen unsinnig. Die Möglichkeit zur Implantation wurde totgeschwiegen – selbst in der Fachpresse.“ Doch es war auch die Zeit, in der subperiostale blattförmige Implantate, Stifte und enossale Knochenschrauben (Arbeiten von Prof. Grafelmann!) den Weg für den späteren Siegeszug der Implantologie ebneten.

Als Pendant fasste Prof. Dr. Dr. Frank Palm, Konstanz, den Stand der heutigen Implantologie zusammen: „Die funktionelle Untersuchung, eventuell eine Augmentation, 3D-Planung und Bindegewebs¬transplantate sind heute Optionen, die zum implantologischen Alltag dazugehören. Während früher die Meinung herrschte, dass man die Nerven ruhig auch einmal verletzen dürfe, vermeiden wir das heute. Einfach anfärben und in der dreidimensionalen Aufnahme sichtbar machen! Die Geweberegeneration ist insgesamt viel sicherer geworden, Langzeiterfolg bedeutet wirklich Langzeiterfolg und nicht nur ,zwei Jahre plus x’, und komplexe Fälle lösen wir nach Patientenwunsch. Nicht ganz verhindern können wir zwar einen Knochenabbau nach der Implantation. Dieser nimmt aber kein größeres Ausmaß an als der übliche physiologische Abbau.“

Prof. Palm verwies aber auch auf offene Fragen: Sofortbelastung, Periimplantitis-Therapie, unklare Studienlage bei kurzen und durchmesserreduzierten Implantaten. Speziell zum Thema „Minis, Shorties und Co auf dem Prüfstand“ leitete Prof. Palm am zweiten Kongresstag ein Spezialpodium mit Kurzvorträgen von Prof. Dr. Christoph Bourauel, dem Implantologie-Urgestein Prof, Dr. Joachim Hermann, dem DGPro-Vorsitzenden Prof. Dr. Michael Walter, Dr. Dr. Martin Bonsmann und Prof. Dr. Dipl.-Ing. Ernst Jürgen Richter. Im Anschluss entspann sich bei zahlreichen Anfragen aus dem Auditorium und ebenso freundschaftlichem wie pointiertem Austausch von Argument und Gegenargument unter den Experten auf dem Podium eine lebhafte, teils kontroverse Diskussion. Es wurde deutlich: In diesen Bereichen ist längst nicht alles geklärt. Die Implantologie bleibt ein dynamisches Feld, in dem es noch viel zu entdecken, klinisch zu untersuchen und neu zu entwickeln gilt!

„Wir sollten Implantologie noch selbstbewusster anbieten“

Darüber hinaus bot der 40. Internationale Jahreskongress der DGZI einen hervorragenden Überblick über alles, was in der Implantologie nur thematisiert werden kann. So erläuterte Prof. Terheyden, Kassel, Aspekte der Le-Fort-I-Osteotomie. Insbesondere rief er dazu auf, als Zahnarzt mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. „Alveolarkammatrophie ist eine Krankheit, die eine Behandlung erfordert und auch das nötige Geld dafür. Drei bis vier Tage Krankenhaus müssen im Zweifelsfalle einkalkuliert werden – schließlich ist das bei einer Knieprothese überhaupt kein Diskussionspunkt, weil die Patienten von anderen Fakultäten offensiv aufgeklärt werden.“

Prof. Dr. Werner Götz, Bonn, sprach über die biologischen Grundlagen der Osseointegration. Gut für den implantierenden Zahnarzt: „Die Knochenzellen des Kiefers besitzen eine beonders hohe osteogene Potenz – was zuweilen neidvolle Blicke anderer Fakultäten hervorruft.“ Interessant: Das alte Dogma der unbelasteten Einheilung gilt heute immer weniger, allerdings ist das Implantat-Knochen-Interface noch zu wenig bekannt, um die Einheilung gezielter steuern zu können. Wir wissen allerdings, dass die Osteoblasten eine Implantatoberfläche von mittlerer Rauigkeit bevorzugen. Durch Strahlen, Ätzen oder Anodisieren kann daher die Osseointegration verbessert werden. In Zukunft könnte statt dessen aber vielleicht ein ganz anderes Konzept in den Vordergrund treten: die Bildung eines neuen Zahnhalteapparats unter Verwendung eines speziellen, gezüchteten Gewebes.

Welche Möglichkeiten zum Knochenaufbau im Zuge einer Sinusbodenelevation es, zumindest in Übersee, heute schon gibt, berichtete Dr. Stephen Wallace, USA. Konkret stellte er pilzförmige diamantierte Schleifinstrumente zur einfachen Schaffung von runden und ovalen Fenstern in der lateralen Wand vor, darüber hinaus künstlich hergestellte rekombinante menschliche Wachstumsfaktoren (rh-PDGF), die sich an Knochenersatzmaterial binden, sowie BMPs (bone morphogenetic proteins), die die Resorption des Knochenersatzmaterials verbessern, jedoch auch derzeit noch sehr teuer sind (5000 € pro Behandlung). Allerdings ermöglichen diese Techniken gemäß dem aktuellen Stand noch keine Verbesserung des Langzeiterfolgs, aber das gewünschte Ergebnis kann schneller erreicht werden.

Die Zukunft: fachübergreifende Zusammenarbeit

In seinem Vortrag über den „Interdisziplinären Lückenschluss“ zeigte Prof. Dr. Paul-Georg Jost-Brinkmann, Berlin, anhand zahlreicher Fallbeispiele die Möglichkeit einer vorbereitenden kieferorthopädischen Behandlung vor der Implantation auf. Als Alternative verwies er insbesondere auf die Chancen einer Transplantation eigener Zähne.

Prof. Palm berichtete über neueste Entwicklungen in der GBR-Technik. Insbesondere beantwortete er die Frage, ob zukünftig Augmentationen überflüssig seien, mit einem klaren „nein“. Guided bone regeneration statt klassischem Knochenaufbau funktioniert vielleicht in Einzelfällen, aber nicht im Allgemeinen.

Ob kurze Implantate eine Alternative zum direkten Sinuslift darstellen, diskutierte Dr. Achim W. Schmidt, M.Sc., München in seinem Vortrag „Ist die Länge doch entscheidend?“. Sein Fazit: Tatsächlich funktionieren kurze Implantate mit gesinterten Oberflächen, die die nötige Porosität aufweisen. Dies belegte er an einer Reihe von Fällen aus der eigenen Praxis.

Mit einem geradezu ketzerischen Beispiel begann Prof. Dr. Matthias Kern, Kiel, seine Ausführungen: Einer 15-jährigen Patientin gliederte er im Frontzahnbereich eine Marylandbrücke ein, die nach 19 Jahren immer noch in situ ist – Implantat unerwünscht! Anschließend zeigte er Pro und Contra von vollkeramischen Abutments auf. Für diese Möglichkeit sprechen demnach Ästhetik und Biokompatibilität, Nachteile sind die fehlende Langzeit-Erfahrung, die höheren Kosten und das aufwändigere und damit kritischere Vorgehen (adhäsive Befestigung des Abutments auf der Titan-Basis mit Panavia 21).

Für Dr. Peter Gehrke, Ludwigshafen, sind individuelle Abutments mit den neuen digitalen Techniken und der Möglichkeit einer zentralen industriellen Fertigung attraktiver geworden: „CAD/CAM-generierte Zirkonoxidaufbauten – da gibt es keine Grenzen, wie der Schwung mesial und distal gestaltet ist!“

In seinem Vortrag über „Implantate und Allgemeinmedizin“ zeigte Prof. Dr. Thomas Weischer, Essen, die Grenzen der Implantologie bei schweren oder chronischen Erkrankungen auf – und wie sie sich aktuell verschieben. So kann bei HIV-Patienten nach einer HAART-Therapie und erfolgreicher Bestimmung der Zahl der CD4-Zellen unter Beachtung bestimmter Kautelen heute doch eine implantologische Behandlung durchgeführt werden. Fazit: Trotz vorhandener Allgemeinerkrankungen, wie HIV, Osteoporose, Krebs oder Diabetes mellitus, können Patienten in der Regel mit Implantaten versorgt werden. Dabei ist unbedingt der Kontakt zum Hausarzt, zum Onkologen oder zu weiteren Fachärzten zu suchen.

Am Schluss des Kongresses nahmen Dr. Heinemann und Prof. Palm im Wechsel eine Bewertung verschiedener aktueller wissen-schaftlicher Beiträge unter praxisrelevanten Gesichtspunkten vor – Informationen, die einen tatsächlichen Nutzwert für die Optimierung der eigenen implantologischen Arbeit haben. Das Resultat kann auf der Homepage www.dgzi.de als „Scientific Review“ mit der entsprechen¬den Literatur zum Studium zu Hause heruntergeladen werden.

Das hier beschriebene Podiumsprogramm wurde durch den Pre-Congress-Workshop „Parodontologie in der Praxis“, durch zahlreiche Firmenworkshops, Seminare, das Symposium Digitale Dentale Technologien in der Implantatprothetik für Zahntechniker und eine große Dentalausstellung direkt am Veranstaltungsort Maritim Hotel flankiert. Eine Abendveranstaltung der besonderen Art bot den Teil¬nehmern am Freitagabend das Ambiente des Wasserwerks Berlin – es gab schließlich auch etwas Besonderes zu feiern: 40 Jahre DGZI!

Leserservice

Wer sich für die DGZI interessiert, das Fortbildungsprogramm anfordern oder der Gesellschaft beitreten möchte, wendet sich jetzt an die:

Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie e.V.
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Tel.: 0211-16970-77
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Tel. 0800-DGZITEL (0800-33494835)
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