Branchenmeldungen 16.12.2022
Noch wenige Schritte zum Amalgam-Ausstieg
Die Folgenabschätzung der Überarbeitung der EU Quecksilberverordnung ist abgeschlossen und wird noch vor Jahresende vom Ausschuss für Regulierungskontrolle (Regulatory Scrutiny Board, RSB) geprüft. Sobald sie grünes Licht erhält, wird sich der Umweltausschuss der Kommission mit dem Wirtschafts- und Gesundheitsausschuss beraten und abschließend dem Europäischen Parlament und Rat einen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen.
Die Ausarbeitung des Vorschlags sollte urspünglich bis Ende des Jahres 2022 abgeschlossen sein, hat sich aber bereits verzögert und ist nun für das Frühjahr 2023 anvisiert. Sollte die Folgenabschätzung aber beim RSB durchfallen und nachgebessert werden müssen, würde sich der Gesetzgebungsprozess weiter verzögern und könnte in die nächste Legislativperiode der Europäischen Kommission rutschen.
In der Folgeabschätzung (Impact Assessment) zur Überarbeitung der EU-Quecksilberverordnung wurden die Auswirkungen eines Ausstiegs aus der Verwendung von Dentalamalgam, sowie von weiteren quecksilberhaltigen Produkte (wie z.B. von Leuchtmitteln) und der Einführung neuer Emissionsgrenzwerte für Krematorien untersucht. Berater der Europäische Kommission hatten dafür Expertenmeinungen eingeholt und eine öffentliche Umfrage durchgeführt. Der abschließende Workshop hat am 15. September mit dreimonatiger Verspätung stattgefunden.
Es wurde erklärt, dass man die Kosten und Vorzüge eines Amalgam-Ausstiegs (2027/2030), sowie einer Kommunikationskampagne zur Verbesserung der Zahngesundheit und eines Preisangleichs von quecksilberfreien Alternativen durch das öffentliche Gesundheitssystem untersucht habe. Ein Ausstieg zum 1. Januar 2025 wurde nicht untersucht, da es zu kurzfristig erschien. Außerdem haben die Berater die Auswirkungen eines Exportverbots von Amalgam-Kapseln ab 2025 und einer Exportbeschränkung nach dem PIC Verfahren (PIC = prior informed consent, d.h. das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung) verglichen. Eine Empfehlung wurde nicht bekannt.
Nachdem eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Kommission 2020 zu dem Schluss gekommen war, dass der schrittweise Ausstieg aus der Verwendung von Dentalamalgam sowohl technisch als auch wirtschaftlich machbar ist, hatte die Kommission angekündigt, bis Ende 2022 einen Legislativvorschlag für den Amalgam-Ausstieg auszuarbeiten.
Das European Network for Environmental Medicine hat den Prozess aktiv begleitet und zahlreiche Studien und Erklärungen eingereicht, in denen wir einen Amalgam-Ausstieg 2025 fordern:
Amalgam verschmutzt unsere Luft, unser Wasser und unseren Boden: Weltweit werden jährlich zwischen 226 und 322 Tonnen Dentalquecksilber verwendet. Zahnärztliches Quecksilber gelangt über viele ungesunde Wege in die Umwelt und verschmutzt (1) die Luft durch Einäscherung, Emissionen von Zahnkliniken und Schlammverbrennung, (2) das Wasser durch Freisetzungen von Zahnkliniken und menschlichen Abfällen und (3) den Boden durch Mülldeponien, Beerdigungen und Düngemittel. Infolgedessen ist die Bevölkerung einer doppelten Dosis Quecksilber aus Amalgam ausgesetzt: erstens, wenn es in ihre Zähne implantiert wird, und zweitens, wenn es die Umwelt und den Fisch, den sie isst, kontaminiert.
Quecksilberfreie Alternativen sind verfügbar, wirksam und erschwinglich: Studien zeigen, dass quecksilberfreie Kompositfüllungen genauso lange wie Amalgam – und sogar länger – halten können. Quecksilberfreie Füllungen bieten außerdem sowohl gesundheitliche als auch kostensparende Vorteile gegenüber Amalgam. Erstens bewahren quecksilberfreie Füllungen die Zahnstruktur deutlich mehr als Amalgam, was die Langlebigkeit des Zahns selbst erhöhen kann. Zweitens können quecksilberfreie Füllungen dazu beitragen, künftige Karies zu verhindern. Drittens kann Komposit einfacher repariert werden als Amalgam. Außerdem entfallen bei quecksilberfreien Alternativen die hohen Umweltkosten von Amalgam (Studien zeigen, dass Amalgam nach Berücksichtigung der Umweltkosten teurer ist als Komposit).
Entwicklungsländer sollten keine Müllhalde für giftige Produkte sein: Die Unternehmen, die Amalgam in Entwicklungsländer exportieren, übernehmen keine Verantwortung für den Verbleib des Quecksilbers – und die Lösung dieses toxischen Problems ist für die Länder selbst teuer und unpraktisch. Abscheider reichen nicht aus, um zu verhindern, dass das Quecksilber aus Amalgam in die Umwelt gelangt. Selbst wenn sie wirksam wären, verfügen viele Entwicklungsländer nicht über die Infrastruktur, um Quecksilberabfälle, die in Abscheidern gesammelt werden, zu sammeln, zu transportieren und zu lagern. Auch verfügen sie nicht über die Mittel und Ressourcen, um die Anforderungen an Abscheider durchzusetzen.
Aus diesen Gründen machen Länder auf der ganzen Welt – einschließlich der EU-Mitgliedstaaten – bereits erhebliche Fortschritte bei der schrittweisen Abschaffung der Verwendung von Amalgam. So haben beispielsweise Aserbaidschan, Armenien, Dänemark, Estland, Finnland, Georgien, Indonesien, Irland, Italien, Japan, Kasachstan, Kroatien, Litauen, Moldawien, die Mongolei, Nepal, die Niederlande, Norwegen, die Philippinen, Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Spanien, St. Kitts und Nevis, die Tschechische Republik und Surinam die Verwendung von Amalgam schrittweise eingestellt, Pläne zur Einstellung der Verwendung von Amalgam angekündigt oder verwenden nur noch minimale Mengen von Amalgam.
Auf Nachfrage hin hat die Kommission erklärt, den Amalgam-Ausstieg auch zum 1. Juli bzw. 31. Dezember 2025 in Erwägung zu ziehen.
Quelle: IG Umwelt-Zahnmedizin