Branchenmeldungen 17.11.2020
Personal-Trainerin für Mundgesundheit
Patienten helfen, gesund zu werden und gesund zu bleiben – das ist seit jeher das Ansinnen von Dentalhygienikerin Simone Freter, B.Sc. aus Berlin. Im Interview verrät sie, welchen Einfluss die Mundgesundheit auf den gesamten Organismus hat, wie der Einsatz von Probiotika ihren Praxisalltag unterstützt und warum sie sich als „Personal Trainerin“ ihrer Patienten sieht.
Sie sind seit 30 Jahren in der Prophylaxe tätig, seit 20 Jahren als Dentalhygienikerin. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Nach meiner Ausbildung zur ZFA bzw. damals noch Zahnarzthelferin habe ich sehr schnell gemerkt, dass ich den Wunsch nach mehr selbstständiger Tätigkeit im Umgang mit den Patienten hatte. Mein Interesse daran, Gesundheit zu erhalten und Menschen zu unterstützen, etwas aktiv für ihre Mundgesundheit zu tun, hat mir schon immer gefallen. Ich habe dann die Aufstiegsfortbildung zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin in Berlin erfolgreich absolviert, was der Startschuss für meine Tätigkeit in der Prävention war. Danach habe ich auch immer wieder mit Begeisterung Seminare zum Thema Kommunikation besucht, um den Präventionsgedanken auch zielgruppenorientiert kommunizieren zu können – wobei eine Grundvoraussetzung hierfür schon in einem selbst vorhanden sein muss, nämlich Menschen mit Empathie und Sympathie zu begegnen. Sechs Jahre später war klar, dass ich den Schritt zur Dentalhygienikerin (Aufstiegsfortbildung in Hamburg) wagen möchte, da ich Menschen gut führen und unterstützen kann, aber auch mein fachliches Wissen unbedingt erweitern wollte, um auch komplexere therapeutische Anforderungen zu meistern.
Folglich habe ich 2013 bis 2015 den neuen Studiengang Dentalhygiene- und Präventionsmanagement als große Chance für meine berufliche und persönliche Entwicklung gesehen und erfolgreich absolviert.
Was gefällt Ihnen an diesem Beruf besonders und warum?
Der Beruf der Dentalhygienikerin macht mir Spaß, weil er so unglaublich abwechslungsreich ist und der Mensch im Mittelpunkt steht. Mit unserer Unterstützung in der Behandlung und Anleitung zu einer gesunden und praktikablen Mundhygiene können wir langfristig die Mundhöhle stabilisieren und gesund erhalten. Es ist für Menschen, die beispielsweise aufgrund ihrer Ängste und Lebensumstände lange nicht beim Zahnarzt waren, nicht selbstverständlich, genussvoll essen zu können, wenn sie durch Karies und Zahnfleischentzündungen permanenten Schmerzen ausgesetzt sind. Mundgesundheit ist Lebensqualität und wir können dazu beitragen, diese wiederherzustellen. Das motiviert mich.
Die Dentalhygienikerin ist aus meiner Sicht eine wichtige therapeutische Schnittstelle im zahnärztlichen Team, aber auch gesellschaftlich gesehen. Wir Dentalhygieniker sind in der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention eine tragende Säule in der Zahnarztpraxis. Aufgrund der Spezialisierung in der Betreuung von Patienten mit Parodontitis, eine der großen Volkskrankheiten, sind wir Dentalhygieniker täglich auch mit komplexen allgemeinmedizinischen Zusammenhängen konfrontiert, die sowohl in der initialen Therapie als auch der unterstützenden Parodontitis-Nachsorge (UPT) von Belang sind.
Moderne Prophylaxe heißt nicht nur Mundhygiene, sondern den Patienten als Ganzes zu betrachten. Wie setzen Sie das in Ihrer Arbeit um?
Absolut richtig. Der ganzheitliche Aspekt ist unglaublich wichtig. In Berlin bin ich bei den Bleibtreu Zahnärzten (www.bleibtreu-zahnaerzte.de) tätig, einer Praxis für nachhaltige Zahnmedizin, die den Menschen immer als Individuum sieht und individuelle Lösungen findet, die in den Alltag des Patienten passen. Ich sage meinen Patienten immer, dass wir jetzt ein Team sind wie im Sportbereich: Ich bin der Personal Trainer für meine Patienten und gemeinsam entwickeln wir realistische und umsetzbare Ziele für mehr Mundgesundheit. Dazu gehören individuelle Hilfsmittel zum Beispiel für die Interdentalraumhygiene. Ich empfehle meinen Patienten, die mit der Anwendung der Zahnseide aus unterschiedlichen Gründen Probleme haben, gerne Interdental-Sticks wie z.B. GUM® SOFT-PICKS® ADVANCED, weil sie einfach und unproblematisch im Alltag zur täglichen Hygiene genutzt werden können und auch eine sehr gute Patientenakzeptanz haben.
Welche Rollen spielen dabei Probiotika und wie können Sie bei Parodontitis und Karies eingesetzt werden?
Probiotika in Form von Lutschtabletten (z.B. GUM® PerioBalance®), das zeigen Studien, können etwa im Rahmen der Gingivitis- und Parodontitis-Therapie oder auch in der UPT eine hilfreiche Maßnahme sein, die Plaquebildung und die Entzündungsparameter zu reduzieren. Sie stärken das Immunsystem und haben eine Barrierefunktion, gleichzeitig unterstützen sie das Gleichgewicht der Mikroflora, was bei Gingivitis und Parodontitis verloren gegangen bzw. aus der Balance geraten ist.
Probiotika scheinen auch in der Kariestherapie eine gewisse Wirkung auf den Streptococcus mutans zu haben (Çaglar et al. 2006), wobei der positive Nutzen in der Gingivitis- und Parodontitis-Therapie nach aktueller Studienlage sicher überwiegt.
Bezüglich der Mundgesundheit ist ja aktuell der Ansatz von Eubiose und Dysbiose sehr im Gespräch, also welche Faktoren hier eine Rolle spielen und wie es zur ungesunden Verschiebung der bakteriellen Flora kommt. Probiotika können die Therapiemaßnahmen sinnvoll unterstützen.
Gesundheit ist Lebensqualität – ebenso wie eine gesunde Mundhöhle zu einem gesunden Organismus beiträgt. Wie motivieren Sie Ihre Patienten in der Prophylaxe bzw. welche Tipps geben Sie Ihnen mit, die langfristig zu einer besseren Mundhygiene führen?
Ich appelliere im Grunde immer an den Teamgedanken. Mundgesundheit erreichen wir im Team, Patient und Dentalhygieniker, gemeinsam. Beratung auf Augenhöhe ist wichtig und eine umfassende Aufklärung bezüglich der bestehenden Erkrankung. Viele Patienten haben bezüglich des eigenen Mundes viel zu wenig Informationen. Zahnverlust ist kein Schicksal. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, die Plaque/den Biofilm anzufärben und zu zeigen. Ebenso ist es essenziell, die veränderte Hygieneanweisung auch zu üben, damit es zu Hause gut klappt, und natürlich immer wieder zu reevaluieren sowie Alternativen anzubieten. Entscheidend ist auch der individuelle Abstand für die professionelle Prophylaxebehandlung und professionelle Zahnreinigung. Es ist wichtig, mit den Menschen zu sprechen und sie mit ins Boot zu holen. Ich möchte wissen: Was ist diesem Menschen bezüglich seiner Gesundheit wichtig? Wie stressig ist der Alltag etc.? Dafür plane ich ausreichend Zeit in der Behandlung, denn Sprache und Kommunikation – also verbal und nonverbal – mit der nötigen Empathie sind der Schlüssel zum Erfolg. Das gilt für alle Lebensbelange und es ist wichtig, neugierig sowie aufgeschlossen anderen Menschen gegenüber zu sein.
Sie halten sich regelmäßig mit Fitness und Muskelaufbau fit. Inwieweit unterstützt Sie dies bei Ihrer Tätigkeit als Dentalhygienikerin und welche Rolle spielt eine bewusste Ernährung?
Mir persönlich ist meine körperliche und mentale Balance sehr wichtig und ich halte mich mit Yoga fit. Ich praktiziere täglich Yoga und achte auf eine ausgewogene Ernährung mit vielen Ballaststoffen, gesunden Fetten, grünem Gemüse, wenig Fleisch und Fisch. Zudem rauche ich nicht. Gesunde Ernährung macht mir einfach Spaß, genauso wie ein Spaziergang in der Natur oder Schwimmen in einem kühlen klaren Badesee. Der Praxisalltag erfordert viel Konzentration und Kraft, das geht nur mit der nötigen Balance. Außerdem finde ich es wichtig, für meine Patienten authentisch zu sein, gerade auch was Ernährung und Sport bzw. Bewegung im Alltag angeht. Es ist von Bedeutung, die Empfehlungen, die ich gebe, auch selbst zu leben und zu zeigen, dass Veränderungen möglich sind – für ein mehr an Mund- und Allgemeingesundheit. Gesunder Mund, gesunder Körper!
Wie halten Sie Ihr angeeignetes Wissen immer up to date?
Ich lese regelmäßig Fachzeitschriften, besuche Kongresse und Vorträge. Letzteres ist leider Corona-bedingt schwieriger geworden, aber dafür kommen die Webinare hinzu. Dennoch fehlt mir der fachliche Talk beim Pausenkaffee. Bei den Bleibtreu Zahnärzten haben wir eine wöchentliche Team- und Patienten-Fallbesprechung für ein synoptisches Behandlungskonzept etabliert, das ist unsere Philosophie für eine nachhaltige Zahnheilkunde und ganzheitliche Dentalhygiene.
Als Dentalhygienikerin und Referentin ist es unumgänglich, mein Wissen auf dem neuesten Stand zu halten und auch immer neugierig auf fachfremde Themen zu sein, um neue Ideen und Strategien zu entwickeln.
Wie wichtig ist Ihnen ein gutes Netzwerk mit Kolleginnen?
Ein gutes Netzwerk ist mir sehr wichtig. Fachlicher Austausch ist ein wichtiger Baustein in der Qualitätssicherung für meine Arbeit als Dentalhygienikerin und natürlich für meine Patienten. In Berlin, wo ich lebe, haben drei Kolleginnen und ich einen Qualitätszirkel für uns ins Leben gerufen, den „DH-Praktiker-Abend“. Dabei handelt es sich um eine interne Fortbildung mit Kurzvorträgen und Themenreferaten, die wir jeweils zum Termin vorbereiten. Am Ende gibt es immer einen kulinarischen und fröhlichen Ausklang.
Die Dentalhygiene ist meine Passion und ich kann mir tatsächlich keinen anderen Beruf vorstellen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Dieser Beitrag ist in Zahnärztliche Assistenz erschienen.
Fotos Teaserbilder: bleibtreu-zahnaerzte.de / Sunstar