Branchenmeldungen 21.02.2011
Technik ersetzt nicht den Verstand
Die digitale Technologie etabliert sich mehr und mehr in der Dentalbranche. Auf der DDT 2010 zeigte sich jedoch auch, dass die technische Weiterentwicklung den Menschen vor neue Herausforderungen stellt.
Mehr als 250 Vertreter aus Zahntechnik und Zahnmedizin haben am 29. und 30. Januar an dem Symposium „Digitale Dentale Technologien“ (DDT) im nordrhein-westfälischen Hagen teilgenommen. Die Kooperationsveranstaltung des Dentalen Fortbildungszentrums Hagen und der Oemus Media AG widmete sich vorrangig der digitalen Fertigungskette in Labor und Praxis. Ein besonderer Schwerpunkt der Beiträge lag auf den Verfahren zur digitalen intraoralen Abdrucknahme und bot Diskussionsstoff zu einem der derzeit meist diskutierten Themen der Branche.
Im Vorfeld hatte Organisator Zahntechnikermeister Jürgen Sieger die rasante Entwicklung im dentalen Digitalbereich in den Mittelpunkt des Kongresses gerückt. Der Faktor Technik stellt inzwischen eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen Zahntechnik und Zahnmedizin dar. Mit der Einführung mehrerer intraoraler Scansysteme wird diese Verbindung in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Davon zeigte sich unter anderem Prof. Dr. Joachim Tinschert vom Universitätsklinikum Aachen überzeugt: „Der digitale Workflow in der Zahntechnik und der Zahnmedizin wird nicht aufzuhalten sein.“
Neue Scannergeneration hat gewichtige Argumente
Hinweise für die Bestätigung dieser These lieferte die DDT reichlich. Gerade die neuesten Informationen zum Entwicklungsstand der Intraoralscanner ließen deutliche Fortschritte auf dem Gebiet erkennen. So präsentierte Dr. Gerhard Kultermann die Ergebnisse einer Studie aus den USA. Dort hatte eine Forschungsgruppe der School of Dental Medicine an der Tufts University in Boston gleichen Zahnersatz über den Weg der traditionellen Abdrucknahme und über den der digitalen Variante herstellen lassen. In der Eingliederung entschieden sich die Zahnärzte in 64 Prozent der Fälle für die Versorgungen, die auf den Daten des Lava C.O.S. von 3M ESPE beruhten. Im Rahmen der Doppelblindstudie war ihnen vorher nicht bekannt, auf welche Art die jeweiligen Versorgungen gefertigt worden waren.
Die Geräte weisen inzwischen bemerkenswerte Messergebnisse auf. Prof. Dr. Norbert Linden aus Meerbusch berichtete, dass der Hint-ELs® directScan Situationen mit einer Genauigkeit von bis zu zehn Mikrometer erfassen könne. „Man darf jedoch nicht unterschlagen, dass eine solch exakte Messung vom Anwender auch einiges Können erfordert und eine entsprechende Schulung voraussetzt“, ergänzte Linden.
Ohne den Menschen geht es nicht
Generell kam die Sprache trotz aller oder vielleicht gerade wegen der Technikdominanz auf den Faktor Mensch zurück. Bereits zu Beginn der Tagung am Samstag mahnte Prof. Dr. Thomas Weischer in seinem Vortrag zum digitalen Röntgen vor einem Übermaß an Vertrauen in technische Abläufe. „Den Abgleich zwischen einem klinischem Befund, einer Röntgenaufnahme und den Patientenbeschwerden muss immer noch der Menschen übernehmen, das kann keine Maschine leisten.“ Der Chirurg der Essener Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie empfahl den Zuhörern, nicht leichtfertig einem digitalen Röntgenbild zu glauben.
Und auch gegen Ende der Veranstaltung plädierte mit Zahntechnikermeister Martin Weppler ein Referent noch einmal vehement für das Besinnen auf den eigenen Intellekt. Werte wie Kreativität, Spontaneität, Empathie, Moral und Spezialisierung seien Stärken des Menschen gegenüber dem Computer. Weppler wolle sich keinesfalls gegen den Einsatz moderner Technologie wehren. Lediglich auf das Wie komme es an. „Wir sollten nicht für die Rechner arbeiten, sondern sie für uns arbeiten lassen.“
Entscheidende Materialfrage
Nicht zuletzt bei dem Umgang mit zahntechnischen Werkstoffen im Rahmen der digitalen Fertigungskette ist zahntechnischer und zahnmedizinischer Sachverstand gefragt. Denn obwohl beispielsweise über Zirkoniumdioxid als einem zentralen Baustein computergestützter Herstellungsverfahren bereits vieles bekannt ist, zeigen sich im Berufsalltag noch zahlreiche Problemfelder. Tinschert ging in seiner persönlichen Betrachtung der CAD/CAM-Technologie exemplarisch auf abgeplatzte Verblendungen bei Zirkongerüsten ein. Hier liege die Ursache weniger bei de Verblendungen als vielmehr bei den Gerüsten. Diese bieteten vor allem im approximalen Bereich oftmals zu wenig Unterstützung für die Verblendung, was zum Abplatzen führe. Fälle wie diese seien ein Grund dafür, warum bisher längst nicht alle Behandler bedenkenlos Zirkon einsetzen würden.
Den praktischen Nutzen eines solch offen geführten fachlichen Austausches verdeutlichte ebenso der Schlusspunkt der DDT 2010. Referent Uwe Greitens gab wertvolle Antworten auf die Frage, wie ein Sinterprozess die Transluzenz von Zirkoniumioxid verbessern kann. Das Geheimnis liege in der Wahl eines langsamen Temperaturanstieges und einer entsprechend längeren Sinterzeit. So sichere man die gleichzeitige Langzeitstabilität der Keramik. Sogenannte Speed-Sinter-Programmen seien unter diesem Aspekt mit Vorsicht zu genießen.
Den Auftakt des Kongresses, der in diesem Jahr unter dem Motto „Digital vom Abdruck bis zur Krone“ stand, hatten am Freitagnachmittag verschiedene Workshops sowie eine Pre-Session gebildete. Neben dem umfangreichen Fachprogramm präsentierten insgesamt 21 Unternehmen im Rahmen einer ausgewählten Industrieausstellung ihre neusten Innovationen rund um die digitale Fertigung.
Quelle: M. Scheffler für ZWP online, 01.02.2010