Branchenmeldungen 12.05.2025
Teil 1: Wie viel künstliche Intelligenz verträgt die Zahntechnik?
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Zwischen Hype und Realität liegen oft Welten – oder bei KI-Technologien entscheidende Entwicklungsjahre. Spätestens seit der IDS 2025 ist klar: Die Buchstaben „KI“ sind zum Must-have in Produktbroschüren geworden. Was aber als Zukunftsvision angepriesen wird, muss sich im zahntechnischen Alltag erst beweisen. Zeit für eine Bestandsaufnahme … ein nüchterner Blick auf eine Technologie, die unsere Branche fundamental verändern könnte – wenn sie hält, was sie verspricht.
Vom Hype zur Realität:
Ein Markt mit echten Anwendungen
Im Februar 2025 erteilte die FDA die bisher größte Zulassung im Bereich der dentalen KI für VideaHealth – ein Signal für den Wandel der regulatorischen Landschaft. Zudem prognostizieren Marktforschungsinstitute ein signifikantes Wachstum des KI-Marktes im Gesundheitswesen – bis 2030 soll die 100-Milliarden-Dollar-Marke geknackt werden. Die Dentalbranche wird eine zentrale Rolle spielen. Aber was zählt, sind für Anwender nicht Prognosen, sondern der Nutzen im Alltag. Und hier passiert gerade mehr, als viele wahrhaben wollen.
Von KI 1.0 zu KI 2.0:
Von Automatisierung zur Transformation
Über alle Branchen hinweg besteht nicht die Frage ob, sondern wie KI den Arbeitsalltag verändert. Die erste Phase der KI-Anwendung – hier vereinfacht KI 1.0 genannt – hat primär bestehende Prozesse automatisiert. Beispiele in der Zahntechnik:
- Automatische Okklusionsfindung in CAD-Systemen
- Vorschläge für Zahnformen aus digitalen Bibliotheken
- Intelligente Nesting-Algorithmen in CAM-Software
KI 1.0, die Phase der Automatisierung, existierte auch lange vor dem Durchbruch generativer Sprachmodelle (z. B. ChatGPT). Doch erst die rasante Entwicklung intelligenter Sprachsysteme brachte die Kraft von KI ins öffentliche Bewusstsein; wie ein Katalysator gaben Anwendungen wie ChatGPT plötzlich Einblick in die Möglichkeiten der Technologie.
Jetzt, mit KI 2.0, stehen wir an der Schwelle einer Transformation; basierend auf Fortschritten in Bereichen wie Deep Learning, Large Language Models und multimodaler KI. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Aktuell ist KI ein Werkzeug für Datenanalyse oder Automatisierung. Die Vollautonomie ist Zukunftsmusik; aber eine bereits laut klingende.

Beispiele aus der Zahnmedizin zeigen, wohin die Reise gehen kann:
- Overjet analysiert Röntgenbilder binnen Sekunden, markiert Kariesläsionen, Knochendichte und Anomalien. Die KI lernt kontinuierlich aus neuen Fällen.
- VideaHealth als Diagnoseplattform verfügt über die vielfältigste Datenbasis im Markt, die aus Millionen von zahnärztlichen Bildern besteht (kontextbewusstes maschinelles Lernen).
Was solche Anwendungen branchenübergreifend prägt? Sie verändern nicht nur, wie wir arbeiten, sondern was wir tun. Und hier liegt der große Unterschied zwischen der ersten und zweiten KI-Welle. Die wirklich spannenden Entwicklungen stehen also erst am Anfang.
KI-Begriffe kurz erklärt

- Künstliche Intelligenz (KI) als Oberbegriff für Technologien, die menschliche Intelligenzleistungen autonom und adaptiv nachahmen.
- Machine Learning sind Algorithmen, die aus Daten lernen und sich verbessern, ohne explizit programmiert zu werden
- Deep Learning als spezielle Form des Machine Learning mit neuronalen Netzen.
- LLM (Large Language Model) Sprachmodell (z. B. ChatGPT), das aus enormen Datenmengen lernt, Texte verstehen und generieren kann.
- Multimodale KI kann verschiedene Datenarten (Text, Bild, 3D) gleichzeitig verarbeiten.
- Generative KI kann neue Inhalte (Texte, Bilder, 3D-Modelle) erstellen.
- Agentische KI kann zielorientiert und selbstständig Aufgaben planen und ausführen.
- Edge AI ist eine KI, die direkt auf lokalen Geräten statt in der Cloud ausgeführt wird.
- Reasoning Models können komplexe Probleme schrittweise und logisch lösen.
Einige entscheidende Trends 2025
Agentische KI: Von der Assistenz zur Autonomie
KI-Systeme entwickeln sich von passiven Assistenten zu aktiven Agenten, die selbstständig handeln.
Edge KI: Intelligenz ohne Cloud-Abhängigkeit
KI-Berechnungen werden statt in der Cloud direkt auf den Geräten ausgeführt. Die „Edge KI“ reduziert Latenzzeiten, funktioniert auch ohne Internetverbindung und erhöht den Datenschutz.
Multimodale KI: Das ganzheitliche Verständnis
Multimodale KI-Systeme verarbeiten nicht nur einzelne Datentypen, sondern verstehen Zusammenhänge zwischen Bildern, 3D-Scans, Texten und Sensordaten – z. B. Daten aus Röntgenbildern, Scans, Fotos und Patientenakten werden zum kohärenten Gesamtbild.
Reasoning Models: KI mit menschenähnlicher Problemlösung
Reasoning-KI-Modelle erkennen nicht nur Muster, sondern lösen komplexe Probleme. So eine „denkende KI“ könnte Werkstoffauswahl, Zahnfarbe, Materialstärken, Ästhetik, Funktion etc. gegeneinander abwägen und Lösungen vorschlagen.

Ausgewählte dentale KI-Lösungen
Align™ X-ray Insights – auf der IDS 2025 vorgestellt –, analysiert radiografische Anomalien in 2D-Röntgenaufnahmen durch den Einsatz KI-gesteuerter Algorithmen und Deep-Learning-Techniken. Dies erweitert das diagnostische Arsenal in Zahnarztpraxen, während die Patientenkommunikation deutlich verbessert wird und die ärztliche Autonomie stets gewahrt bleibt. www.alignxrayinsights.com
Matisse ist eine KI-gestützte Software, die Schichtrezepturen erstellt. KI-Algorithmen analysieren die Schichten des Zahns, berechnen die benötigten Keramikmassen und deren Schichtstärken und liefern detaillierte Anweisungen für monolithische Restaurationen, Micro-Layering oder Full-Contour-Schichtung. www.matisse.ai
In der nächsten Ausgabe: „Beyond Zahntechnik – reloaded: Die KI-Edition, Teil 2“ – die Symbiose zwischen Mensch und Maschine und die Frage: Was bleibt, wenn KI immer mehr Aufgaben übernimmt?
Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Teil 1: Wie viel KI verträgt die Zahntechnik?“ in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.