Branchenmeldungen 08.03.2023

Volles Haus bei der 16. Jahrestagung der DGLO



Volles Haus bei der 16. Jahrestagung der DGLO

Foto: © Dr. Peter Kohlhas

Die 16. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Linguale Orthodontie konferierte erfolgreich im Herzen Düsseldorfs. Ein Nachbericht von Dr. Claudia Obijou-Kohlhas.

„Lingual for the next generations“

Unter diesem Motto hatte die junge Tagungspräsidentin Dr. Martina Bräutigam zur DGLO Tagung am 3. und 4. Februar ins Kö59 mitten in Düsseldorf eingeladen. Zahlreiche junge Assistentinnen waren ihrem Ruf gefolgt und trafen pünktlich am Freitagvormittag zum Vorkongresskurs ein. „Die älteren Lingualexperten ziehen sich langsam zurück, jetzt sind die jungen dran“, hörte man den Vorstand der DGLO, bestehend aus dem ersten Vorsitzenden Dr. Andreas Bartelt, der zweiten Vorsitzenden Dr. Claudia Obijou-Kohlhas und dem Schatzmeister Dr. Peter Kohlhas, zukunftsweisend sagen.

Tagungsauftakt

Und so begann der sehr gut besuchte Kongress mit dem Vorkongresskurs der in Instanbul (Türkei) niedergelassenen und vor Energie sprühenden Kieferorthopädin Dr. Didem Aktan. Zunächst gab sie einen Überblick über die wissenschaftlich untermauerten Vorteile der vollständig individualisierten lingualen Apparatur (VILA) und betonte, dass die Lingualapparatur unsichtbarer, präziser und die Torquekontrolle besser als bei Alignern sei.

In ihren anschaulich präsentierten Behandlungsfällen ging sie auf die Therapie leichter bis schwerer frontaler Engstände ein und erläuterte die verschiedenen Vorgehensweisen in der Lingualtechnik. Als merkenswerten Tipp gab sie den Zuhörern mit auf den Weg, dass ein im massiven Engstand stehender Zahn übergangsweise mit einem 2D-Bracket versehen werden sollte, damit der Lingualbogen von Anfang an einligiert und die Behandlungszeit dadurch verkürzt werden würde. Erst nach Engstandsauflösung sollte das 2D-Lingualbracket durch ein 3D-Bracket ersetzt werden. Neben der Anwendung von Stoppbögen, Expansionsbögen und okklusalen Pads zeigte Dr. Didem Aktam auch Extraktionsfälle, die sie einwandfrei mit der VILA behandelte. Die sympathische Referentin beeindruckte die junge Zuhörerschaft durch ihre ehrliche Art, Fehler und Verbesserungsvorschläge aufzuzeigen. 

Ganztagskurs für ZFAs

Parallel zum Programm der Kieferorthopäden startete ein praktisch-theoretischer Ganztageskurs für die Zahnmedizinischen Fachangestellten zu den Themen Intraoralscanner (Fa. Penthin), digitale Fotografie (Team Dr. Kohlhas) und Assistenz in der Lingualtechnik (Team Dr. Breidenbach). Die 37 teilnehmenden ZMFs waren sichtlich von den Übungen am Typodonten begeistert, die Dr. Volker Breidenbach mit den DW Lingual Systems sehr gut vorbereitet hatte.

Einblick in das wissenschaftliche Tagungsprogramm am Freitag

Die wissenschaftliche Tagung wurde am Freitagmittag von der Kongressvorsitzenden Dr. Martina Bräutigam eröffnet und startete mit dem Vortrag von Prof. Dr. Ariane Hohoff aus Münster, die über retinierte und transmigrante Eckzähne referierte. Wie erwartet präsentierte die Hochschullehrerin in professioneller Manier die wichtigsten Studien zum Thema Eckzahnverlagerung und Prognose für die Einordnung je nach Verlagerungsgrad des oberen oder unteren Eckzahns. Als wichtigstes Behandlungscredo empfahl sie, die Nachbarzähne des retinierten Eckzahnes zur Vermeidung von Wurzelresoptionen zunächst nicht in den Bogen einzubinden, bis der Eckzahn weitestgehend eingeordnet sei.

Weit angereist war der folgende Referent, Dr. Nour Tarraf aus Australien, der die Schlagworte „invisable, fast, cheaper“ von der Alignerbehandlung auf die Lingualtechnik übertrug und für mehr Selbstbewusstsein der Lingualbehandler und Kieferorthopäden plädierte. Die Vorteile der Lingualtechnik seien in erster Linie die Vorhersagbarkeit der Behandlungsergebnisse und die Unabhängigkeit von der Patientencompliance im Vergleich zu den Alignerbehandlungen. Bei einer frontalen Zahnlücke des Patienten sah er den Vorteil, in die Lingualapparatur dauerhaft einen Ersatzzahn einbauen zu können, während bei Alignern die Zahnlücke beim Essen sichtbar sei.

Der an der RWTH Aachen unterrichtende Hochschullehrer Prof. Dr. Michael Wolf begann seinen Beitrag mit der Frage nach der Gesichtsästhetik im Wandel der Zeit. Schönheitsideale veränderten sich, und die Entscheidung, ob eine Dysgnathieoperation in Kombination mit einer kieferorthopädischen Behandlung indiziert sei, könne individuell unterschiedlich ausfallen. Der Referent betonte, dass für seine Argumentation für oder gegen eine Kieferoperation zum einen das Profil des Patienten und zum anderen die Okklusion seine Entscheidung beeinflussten. Prof. Wolf demonstrierte in seinen beiden lingual beklebten Klasse II-Patienten eine Forsus- und eine OP-Therapie als mögliche Behandlungsalternativen.

Die beiden nachfolgenden Redner Prof. Dr. Thomas Stamm und Dr. Jonas Schmid von der KFO-Abteilung der Uni Münster hielten das Publikum in ihrem Bann, als sie ihre neuesten Ergebnisse zum Vergleich der transversalen dentoalveolären Kompensation mittels VILA zur chirurgisch unterstützen Gaumennahterweiterung präsentierten. Als wissenschaftlich erst kürzlich in einer Studie bewiesen sah Prof. Dr. Stamm an, dass die Kreuzbissüberstellung im Seitenzahnbereich durch eine VILA Apparatur mit expansiven Oberkiefer- und konstriktiven Unterkieferbögen ebenso möglich sei, wie durch eine alleinige chirurgisch unterstützte GNE im Oberkiefer. Seiner Meinung nach genüge es nicht, nur die Breite des Oberkiefers prätherapeutisch zu beurteilen, sondern auch die des Unterkiefers in die Therapieplanung einzubeziehen. Für lebhafte Diskussionen führte im Anschluss die Präsentation der wissenschaftlichen Studie von Dr. Jonas Schmid, der zeigte, dass bei transversaler Erweiterung des Oberkieferzahnbogens durch die VILA körperliche statt kippende Bewegungen nachgewiesen werden konnten, sodass demzufolge in vielen Fällen auf eine chirurgische GNE verzichtet werden könne.

Das wissenschaftliche Vortragsprogramm am Samstag

Mit spannenden Vorträgen von namhaften Lingualbehandlern ging es am Samstag weiter.

Die aus Wien stammende und seit 40 Jahren in der Kieferorthopädie tätige Dr. Silvia Silli gab den jungen Zuhörern einen Gesamtüberblick über die Entwicklung der Lingualtechnik von Beginn an bis heute. Sie selbst ordnet dem Set-Up eine Schlüsselstellung in der Kieferorthopädie zu, um das gewünschte Behandlungsziel in der Lingualtechnik zu erreichen. Den Fortschritt vom manuellen zum digitalen Set-Up betrachtet sie als deutliche Verbesserung der Genauigkeit und Arbeitserleichterung für Techniker und Behandler. Die dreidimensionale virtuelle Set-Up-Herstellung mittels Onyx Ceph3TM und die individuell produzierten Bögen und Brackets (® Orthorobot System) gehören neben der inhouse hergestellten 3D geprinteten Übertragungstrays zu ihren Spezialisierungen im eigenen Praxislabor.

Die zehn wichtigsten Punkte zur Verbesserung des Patientenkomforts während der Lingualbehandlung präsentierte die Master of Science in Lingual Orthodontics Dr. Andrea Foltin aus Wien. Als wichtigen Ratschlag empfahl sie, bei erwachsenen Patienten zunächst den Unterkiefer und in einer weiteren Sitzung den Oberkiefer zur besseren Eingewöhnung zu bekleben. Bei großer Interbracketdistanz könnten Kompositdepots auf den Bogen aufgebracht werden, um ein Einschneiden in die Zunge zu vermeiden. Das Umbiegen der Bogenenden sollte in horizontaler und zusätzlich in vertikaler Richtung erfolgen, um ein Piksen in die Zunge zu unterbinden.

Prof. Dr. Benedict Wilmes versuchte nachfolgend das Publikum durch seine anschauliche Präsentation davon zu überzeugen, dass die fortschreitende Digitalisierung das Setzen von Mini-Implantaten erleichtere, denn durch virtuelle Insertionsplanungen und geprintete Insertionsguides werde die Sicherheit für den Behandler und den Patienten erhöht. In Zusammenarbeit mit einem versierten Chirurgen sei der sogenannte „One Appointment Workflow“ in Zukunft möglich, was bedeutet, dass der Chirurg morgens die Pins und der Kieferorthopäde nachmittags den Slider einsetzt. Im sogenannten „Two Appointment Workflow“ werden hingegen zunächst die Mini-Implantate gesetzt und dann ein Scan erstellt, um im Anschluss die Apparatur selbst zu designen oder im Labor eine 3D-gedruckte Apparatur herstellen zu lassen.

Der aus Italien angereiste Referent Dr. Roberto Stradi sprach in perfektem Englisch über das Finishing in der Lingualtechnik. Nach seiner Überzeugung bringen runde Bögen lediglich eine Protrusion der Frontzähne in der Anfangsphase der Behandlung. Die gewünschte kontrollierte Torquebewegung mit aktiver Wurzelausrichtung erziele hingegen lediglich die später eingesetzten SS 16 x 24 ET Bögen.

Ein weiterer Hochschullehrer, der begeistert über die individualisierte Lingualtechnik referierte, war Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs aus Göttingen. Sein besonderes Augenmerk legte er auf die Therapie komplexer Einzelzahnbefunde. Viele tolle Beispiele belegten seine Prognose, dass die VILA durch die gute Vorhersagbarkeit der Zahnstellung einzelner Zähne ein exaktes Arbeiten möglich mache. Die absolute Torquekontrolle in der Front spiele dabei eine bedeutende Rolle.

Zusammenfassend war die 16. DGLO-Tagung dank der hohen Teilnehmerzahl und den hochwertigen Vorträgen aus Hochschule und Praxis ein voller Erfolg. Die zehn Dentalaussteller durften sich über das hohe Interesse der Kollegenschaft an ihren neuen Produkten erfreuen. Mit großer Zustimmung wurde Düsseldorf auch für 2024 als nächster Kongressstandort wiedergewählt und Frau Martina Bräutigam und Herr Jean-Philippe Becker als Wissenschaftlicher Beirat auserkoren.

Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

Mehr News aus Branchenmeldungen

ePaper